Zeitpunkt der Vereinnahmung gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b UStG bei Überweisungen
Hintergrund: Gesetzliche Regelungen
Die Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen entsteht bei der Berechnung der Steuer nach vereinnahmten Entgelten gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b UStG mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem die Entgelte vereinnahmt worden sind. Diese Vorschrift beruht unionsrechtlich auf der Ermächtigung in Art. 66 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem, nach der die Mitgliedstaaten vorsehen können, dass der Steueranspruch für bestimmte Umsätze spätestens bei der Vereinnahmung des Preises entsteht.
Sachverhalt: Streit über Zeitpunkt der Vereinnahmung
Beim Kläger, der die Steuer nach vereinnahmten Entgelten (§ 20 UStG) berechnete, fand im Juli 2020 eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung für das 2. Halbjahr 2019 statt. In Auswertung des Prüfungsberichts berücksichtigte das Finanzamt (FA) im Umsatzsteuer-Jahresbescheid für das Jahr 2019 (Streitjahr) auch das Entgelt für einen steuerbaren Umsatz der erst am 2.1.2020 auf dem Girokonto des Klägers gebucht worden war. Er sei nach Auffassung des FA bereits aufgrund einer rückwirkenden Wertstellung zum 31.12.2019 – und damit im Streitjahr – i. S. des § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b UStG vereinnahmt worden.
Der Einspruch gegen den Umsatzsteuer-Jahresbescheid 2019 hatte keinen Erfolg. Der hiergegen erhobenen Klage gab das FG mit der Begründung statt, dass bei Überweisungen ein Entgelt nicht im Zeitpunkt der „Gutschrift (Datum der Wertstellung)“ auf dem Konto des Empfängers vereinnahmt sei, sondern im „Zeitpunkt der Buchung“, da das Geld davor faktisch noch nicht verfügbar sei.
Entscheidung: Faktische Verfügbarkeit auf Konto maßgebend
Der BFH hat die Revision des FA als unbegründet zurückgewiesen. Das FG habe im Ergebnis zu Recht entschieden, dass der Kläger das Entgelt nicht im Streitjahr vereinnahmt habe.
Die Vereinnahmung im Sinne von § 13 UStG erfordert, dass der Unternehmer über die Gegenleistung für seine Leistung wirtschaftlich verfügen kann. Bei Überweisungen kommt es daher zur Vereinnahmung im Zeitpunkt der Gutschrift auf dem Girokonto des Zahlungsempfängers. Für das Vorliegen der Gutschrift ist es unerheblich, ob die Wertstellung (Valutierung) bereits zu einem früheren Zeitpunkt wirksam wird.
Bei Überweisungen auf ein Girokonto wie im Streitfall ist zwischen dem Anspruch auf Gutschrift, dem Anspruch auf Wertstellung (Valutierung) und dem Anspruch aus der Gutschrift zu unterscheiden. Die Wertstellung (Valutierung) gibt dabei den Zeitpunkt an, zu dem der gebuchte Betrag zinswirksam wird. Sie ist eine von der Gutschrift unabhängige Buchung.
Erfolgt die Wertstellung vor dem Tag der Buchung der Gutschrift, steht der Betrag dem Kontoinhaber gleichwohl erst mit der Buchung der Gutschrift zur Verfügung, da er erst ab diesem Zeitpunkt über den Betrag verfügen kann. Die zeitlich mit Rückwirkung vorgenommene Valutierung ist für die Vereinnahmung i. S. v. § 13 UStG unbeachtlich. Denn maßgeblich ist, dass über die Gegenleistung (als den zu vereinnahmenden Betrag) wirtschaftlich verfügt werden kann. Dies erfordert die Verfügungsmöglichkeit über den gutgeschriebenen Betrag und nicht nur eine auf die Zinswirksamkeit bezogene Wertstellung.
Danach hat das FG die Vereinnahmung des erst am 2.1.2020 gutgeschriebenen, aber bereits zum 31.12.2019 valutierten Entgelts im Streitjahr zutreffend verneint. Es hat zutreffend auf den Zeitpunkt abgestellt, zu dem der überwiesene Betrag für den Leistungsempfänger auf seinem Konto faktisch verfügbar ist. Dass es dabei den maßgeblichen Anspruch aus der Gutschrift „als Zeitpunkt der Buchung“ umschrieben hat, ist im Hinblick hierauf unbeachtlich, zumal das FG das „Datum der Wertstellung“ zutreffend als nicht maßgeblich angesehen hat.
Hinweis: Wertstellungsdatum und Verfügbarkeit von Geldbeträgen nach § 675t BGB
Das FA hatte im Revisionsverfahren unter Hinweis auf § 675t BGB und Art. 87 Abs. 1 und 2 der Richtlinie (EU) 2015/2366 vorgetragen, die Mitgliedstaaten müssten sicherstellen, dass das Datum der Wertstellung einer Gutschrift spätestens der Geschäftstag sei, an dem der Betrag dem Konto des Zahlungsdienstleisters des Zahlungsempfängers gutgeschrieben worden sei. Dementsprechend sei das Entgelt bereits am Wertstellungstag verfügbar gewesen.
Tatsächlich steht nach Auffassung des BFH im Streitfall die Abwicklung der Überweisung im Einklang mit § 675t Abs. 1 BGB. Danach muss zwar die Wertstellung zu dem Geschäftstag erfolgen, an welchem der Betrag dem Zahlungsdienstleister des Zahlungsempfängers gutgeschrieben wurde. Die Gutschrift darf jedoch am folgenden Geschäftstag auf dem Konto des Überweisungsempfängers gebucht werden, so dass auch dann erst der Anspruch aus der Gutschrift zu seinen Gunsten entsteht (§ 675t Abs. 1 Satz 2 BGB).
BFH, Urteil v. 17.8.2023, V R 12/22; veröffentlicht am 2.11.2023
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