Entscheidungsstichwort (Thema)
Kein Anspruch auf Zurverfügungstellung von originalgetreuen Kopien personenbezogener Daten aus den Akten der Finanzbehörde einschließlich der im Rahmen einer Betriebsprüfung erstellten Handakten. Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung der Finanzbehörde über einen Antrag auf Akteneinsicht
Leitsatz (redaktionell)
1. Will der Steuerpflichtige die ihm nicht ersichtliche Ermittlung der AfA-Bemessungsgrundlage der von einem Bauträger erworbenen Immobilie nachvollziehen, hat er keinen Anspruch auf uneingeschränkte Einsicht in alle diesbezüglichen Bewertungsakten, Feststellungsakten, Handakten der Betriebsprüfung und Daten der Finanzbehörde durch Übersendung von originalgetreuen Kopien der Akten der Finanzbehörde; ein solcher Anspruch ergibt sich weder aus der DSGVO noch aus der AO oder dem IFG Berlin.
2. Der Steuerpflichtige hat allerdings einen Anspruch auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung über den Antrag auf Akteneinsicht.
Normenkette
DSGVO Art. 4 Nr. 1, Art. 12 Abs. 5, Art. 13 Abs. 4, Art. 15 Abs. 1, 3-4; AEUV Art. 288; AO §§ 5, 32c Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, § 32a Abs. 1, § 91 Abs. 1, § 364; GG Art. 20 Abs. 3, Art. 19 Abs. 4, Art. 103 Abs. 1; FGO § 102 S. 1; IFG Bln
Tenor
Der das Akteneinsichtsrecht ablehnende Bescheid vom 22. Februar 2021 in Form der Einspruchsentscheidung vom 10. Juni 2021 wird aufgehoben. Der Beklagte wird verpflichtet, die Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden. lm Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.
Die Kosten des Verfahrens werden zu 45 % dem Beklagten und zu 55 % den Klägern auferlegt.
Tatbestand
In der Sache streiten die Beteiligten um Akteneinsicht in Bewertungsakten und -Daten zu dem Objekt C…-straße, Berlin zur Ermöglichung einer Prüfung der Grundlagen für die Einkommensbesteuerung (insbesondere Absetzung für Abnutzung).
Das Gesamtobjekt C…-straße wurde mit Kaufvertrag aus dem Jahr 2008 durch den Bauträger, die Firma E… GmbH, erworben, saniert, modernisiert und zum Teil einigen Neubaumaßnahmen unterzogen. Im Jahr 2009 wurden 26 Wohneinheiten nach § 8 Wohnungseigentumsgesetz –WEG– durch Teilung begründet und das Wohneigentum der Eigentumswohnung –ETW– Nr. 20 zum Wohnungsgrundbuchblatt … und zum Teileigentumsgrundbuchblatt … davon an die Kläger mit notariellem Kaufvertrag vom 7. August 2010 verkauft.
Nachdem der Bauträger insolvent geworden war, erfolgte bei dem für das Grundstücksobjekt zuständigen WEG-Verwalter (F… GmbH) eine Außenprüfung im Zeitraum 29. Oktober 2020 bis 25. November 2020. Gegenstand der Prüfung war die gesonderte und einheitliche Feststellung der Besteuerungsgrundlagen für die erhöhte Absetzung für Abnutzung –AfA–, der Sonderbehandlung von Erhaltungsaufwendungen und des wie Sonderausgaben abziehbaren Betrages nach §§ 7h, 11a und 10f Einkommensteuergesetz –EStG– für die Jahre 2010 bis 2020.
Im Betriebsprüfungsbericht vom 30. November 2020 nahm das beklagte Finanzamt unter anderem eine Grundstückskaufpreisaufteilung in einen Sanierungsbetrag und in sonstige Planungsleistungen bzw. Rechte aus Baugenehmigung vor. Daneben stellte der Beklagte fest, dass bisher durch das Bezirksamt G… als Baubeginn der 24. Februar 2010 und als Fertigstellungszeitpunkt der 31. Dezember 2013 bei der Ermittlung der des nicht begünstigten Baukostenanteils wegen „Späterkauf” zugrunde gelegt wurde, dieser Fertigstellungszeitpunkt jedoch nicht den Angaben entspreche, die sich aus den Prüfungsunterlagen ergeben haben (vgl. Bl. 92f. FG-A).
Mit Feststellungsbescheid vom 11. Dezember 2020 (Bl. 1 Hilfsakte Akteneinsicht) stellte der Beklagte gesondert und einheitlich die Grundlagen für die erhöhte AfA, die Sonderbehandlung von Erhaltungsaufwendungen, des wie Sonderausgaben abziehbaren Betrages, die lineare AfA und sonstige Abschreibungen unter anderem gegenüber den Klägern erstmalig (vgl. Bl. 2 Hilfsakte Akteneinsicht) fest. Die Feststellung beruhte ausweislich des Bescheides auf der bei der F… GmbH durchgeführten Betriebsprüfung.
Daraufhin entstand zwischen den Beteiligten Streit bezüglich der richtigen Bewertung des Grundstücks, sodass die Kläger mit Schreiben vom 11. Januar 2021 (Bl. 3 Hilfsakte Akteneinsicht) Einspruch gegen den Feststellungsbescheid einlegten und Akteneinsicht in alle entscheidungsrelevanten Akten beantragten. Ausweislich der Begründung ging es dabei um alle vorhandenen Verwaltungsakten, die für das Einspruchsverfahren relevant sind und Angaben zum Einspruchsgegenstand enthalten.
Daraufhin übersandte der Beklagte zunächst mit Schreiben vom 22. Februar 2021 (Bl. 7 Hilfsakte Akteneinsicht) einen anonymisierten und teilweise geschwärzten Auszug aus dem Prüfungsbericht und lehnte ein weitergehendes Akteneinsichtsrecht ab. Er begründet dies damit, dass die Kläger keinen gesetzlichen Anspruch bezüglich der beantragten Akteneinsicht hätten und dass die Schutzinteressen Dritter durch eine Einsichtnahme betroffen seien, insbesondere aber das Steuergeheimnis entgegenstehe. Zum ...