Entscheidungsstichwort (Thema)

Erhöhung der Entfernungspauschale für die Veranlagungszeiträume 2022–2026 nur ab dem 21. Entfernungskilometer auf 0,38 EUR je Entfernungskilometer nicht verfassungswidrig

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Neuregelung der Entfernungspauschale, die eine Erhöhung ab dem 1.1. 2022 befristet bis 31.12.2026 ab dem 21. Kilometer auf 0,38 EUR je vollen Entfernungskilometer vorsieht und die Pauschale für die ersten 20 Entfernungskilometer weiter bei 0,30 EUR je Entfernungskilometer belässt, ist nicht verfassungswidrig und verstößt insbesondere nicht gegen gegen den Gleichheitsgrundsatz, das Leistungsfähigkeitsprinzip und das Folgerichtigkeitsprinzip.

2. Für die ersten 20 Entfernungskilometer besteht daher im Streitjahr 2022 kein verfassungsrechtlicher Anspruch auf eine Entfernungspauschale von 0,38 EUR je Entfernungskilometer.

 

Normenkette

EStG 2022 § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 Sätze 2, 8 Buchst. b; GG Art. 3 Abs. 1

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.

Die Kosten des Verfahrens werden dem Kläger auferlegt.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Höhe der Entfernungspauschale im Streitjahr 2022, in dem der Kläger nichtselbständig tätig war. Die Entfernung zwischen seiner Wohnung und seiner ersten Tätigkeitsstätte betrug acht Kilometer.

Der Kläger beantragte in seiner Einkommensteuererklärung für 2022, dass ihm für jeden Kilometer der Entfernung zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte die volle Entfernungspauschale von 0,38 km je Kilometer gewährt werde (§ 9 Abs. 3 Satz 8 EStG). Mit Einkommensteuerbescheid vom 16.05.2023 lehnte der Beklagte den Antrag ab und gewährte insoweit die gesetzlich vorgesehene, reduzierte Pendlerpauschale von 0,30 EUR/km. Das Einspruchsverfahren hatte keinen Erfolg.

Im Einspruchsverfahren trug der Kläger vor, dass die Versagung der vollen Pendlerpauschale gegen Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz verstoße. Ein sachlich rechtfertigender Grund dafür, dass die volle Pendlerpauschale erst ab dem 20. Kilometer gewährt werde, sei nicht ersichtlich. Der Beklagte lehnt den Einspruch des Klägers mit Einspruchsentscheidung vom 23.06.2023 ab und begründete die Ablehnung damit, dass die erhöhte Entfernungspauschale durch die Inflation, die hohen Energiekosten und das schlechte ÖPNV-Angebot im öffentlichen Raum begründet sei.

Der Kläger trägt vor, dass der Bescheid des Beklagten rechtswidrig sei und ihn in seinen Rechten verletze. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 8 EStG regele unter welchen Voraussetzungen die erhöhte Entfernungspauschale gewährt werde.

Die Regelung verstoße gegen den allgemeinen Gleichheitssatz. Er habe Anspruch auf die volle Entfernungspauschale in Höhe von 0,38 EUR. Die Versagung der vollen Entfernungspauschale verstoße gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz) und das Leistungsfähigkeitsprinzip. Das Leistungsfähigkeitsprinzip, das eine steuerliche Gleichbehandlung bei gleicher individueller Leistungsfähigkeit fordere, werde im Einkommensteuerrecht weiter durch das objektive Nettoprinzip konkretisiert. Durch die Regelung zur sog. Pendlerpauschale erkenne der Gesetzgeber die Aufwendungen für die Wege von Wohnung zur ersten Tätigkeitsstätte als beruflich veranlasst und damit als Werbungskosten an. Der Gesetzgeber dürfe das objektive Nettoprinzip bei Vorliegen gewichtiger Gründe durchbrechen und sich dabei generalisierender, typisierender und pauschalierender Regelungen bedienen. Die Entfernungspauschale stellte eine solche pauschalierende Regelung dar, durch die ein pauschaler Betrag als Werbungskosten für die Wege zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte angesetzt werden könne. Eine Durchbrechung dieser Belastungsgrundentscheidung des Gesetzgebers sei nur bei Vorliegen sachlich rechtfertigender Gründe zulässig. Ein sachlich rechtfertigender Grund für die Unterscheidung zwischen Wegstrecken mit einer Entfernung von bis zu 20 Kilometern und Wegstrecken, die länger als 20 Kilometer seien, sei nicht ersichtlich.

Neben dem Leistungsfähigkeitsprinzip stelle das Folgerichtigkeitsgebot einen wichtigen verfassungsrechtlichen Grundsatz dar. Demnach habe der Steuergesetzgeber einen weitreichenden Entscheidungsspielraum, sei jedoch verpflichtet eine einmal getroffene Belastungsgrundentscheidung unter Beachtung von Art. 3 GG widerspruchsfrei und folgerichtig im Sinne steuerlicher Lastengleichheit umzusetzen. Abweichungen von der getroffenen Belastungsgrundentscheidung bedürften eines besonderen, sachlich rechtfertigenden Grundes. Allgemeine wirtschaftliche Effekte wie Inflation oder gestiegene Energiekosten schieden als sachlich rechtfertigender Grund aus, da die Folgen dieser Effekte die Steuerpflichtigen ungeachtet der Entfernung zur Arbeit treffen würden. Eine mit zunehmender Entfernung steigende Betroffenheit sei nicht ersichtlich.

Der allgemeine Gleichheitssatz belasse dem Gesetzgeber bei der Auswahl des Steuergegenstandes ebenso wie bei der Bestimmung des Steuersatzes einen weitreichenden Entscheidungsspielraum. Der Gru...

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