Entscheidungsstichwort (Thema)
Begründung der Gewerbesteuerpflicht einer Immobilien-GmbH, deren Gesellschafter-Geschäftsführer in Luxemburg ansässig ist, durch Geschäftsleitungsbetriebsstätte in den Räumen eines mit den täglichen Geschäften im Zusammenhang mit der Vermietung der Immobilie beauftragten inländischen Hausverwaltungsunternehmens (Nachfolgeentscheidung zu BFH, Urteil v. 23.3.2022, III R 35/20)
Leitsatz (redaktionell)
1. Unter Umständen kann auch durch die Beauftragung einer Managementgesellschaft oder Betriebsführungsgesellschaft ohne Verfügungsrecht über deren Räumlichkeiten eine Betriebsstätte des beauftragenden Unternehmens im Sinne des § 12 Satz 1 AO begründet werden, wenn die Gesellschaft aufgrund des zur Verfügung gestellten „sachlichen und personellen Organismus” in der Lage ist, ihrer unternehmerischen Tätigkeit „operativ” nachzugehen; dies gilt auch für den „reinen Inlandsfall”. Eine eigene unternehmerische Tätigkeit kann beispielsweise dann angenommen werden, wenn aufgrund der Personenidentität der Leitungsorgane eine fortlaufende nachhaltige Überwachung ermöglicht wird (Anschluss an BFH, Urteil v. 23.3.2022, III R 35/20); für diese Voraussetzungen trägt das Finanzamt die Darlegungs- und Beweislast, wenn das Vorliegen einer inländischen Betriebsstätte das Bestehen der Gewerbesteuerpflicht begründen soll.
2. Eine Geschäftsleitungsbetriebsstätte (§ 12 Satz 2 Nr. 1 AO) setzt nicht notwendigerweise eine feste Geschäftseinrichtung oder Anlage voraus, sondern kann sich auch in den fremden Räumen eines Dritten (Geschäftsleiters) oder in den Geschäftsräumen eines mit der Geschäftsführung beauftragten gesellschaftsfremden Managers befinden. Entscheidend ist, an welchem Ort die für das Unternehmen vorzunehmenden Geschäfte, die der gewöhnliche Betrieb des Handelsgewerbes mit sich bringt, sowie solche organisatorischen Maßnahmen, die zur gewöhnlichen Verwaltung der Gesellschaft gehören „Tagesgeschäfte”), tatsächlich wahrgenommen wurden. Nicht entscheidend sind hingegen diejenigen Maßnahmen, die die Grundlagen der Gesellschaft, insbesondere die Festlegung der Grundsätze der Unternehmenspolitik und die Mitwirkung der Inhaber des Unternehmens an ungewöhnlichen Maßnahmen und an Entscheidungen von besonderer wirtschaftlicher Bedeutung betreffen (Anschluss an BFH, Urteil v. 23.3.2022, III R 35/20).
3. Nach diesen Grundsätzen liegt die Geschäftsleitungsbetriebsstätte einer Immobilien-GmbH, deren geschäftsführender Gesellschafter in Luxemburg ansässig ist, in den Räumen eines inländischen Hausverwaltungsunternehmens, wenn diesem eine weitgehende Vollmacht zur Durchführung der täglichen, mit der Vermietung eines größeren inländischen Wohn- und Geschäftshauses verbundenen Geschäfte sowie eine Bankvollmacht für das Konto der GmbH erteilt worden sind, nur bestimmte außerordentliche Entscheidungen (z. B. fristlose Kündigungen) mit dem GmbH-Geschäftsführer abgesprochen worden sind und die GmbH nicht durch Schrift- oder Mailverkehr nachweisen kann, dass die im Tagesgeschäft anstehenden Entscheidungen wie behauptet vom Gesellschafter-Geschäftsführer in Luxemburg getroffen worden sind.
4. Nur aus dem Wohnsitz des Gesellschafter-Geschäftsführers in Luxemburg lässt sich nicht ableiten, dass sich dort automatisch eine (die) Geschäftsleitungsbetriebsstätte einer inländischen GmbH befindet. Vielmehr erfordert eine Geschäftsleitung in Luxemburg auch ein dortiges tatsächliches Handeln.
Normenkette
AO §§ 10, 12 Sätze 1, 2 Nr. 1; GewStG § 2 Abs. 1 Sätze 1, 3
Tenor
Der Bescheid über den Gewerbesteuermessbetrag 2013 vom 12. August 2016 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 28. Februar 2017 wird dahingehend geändert, dass der Gewinn aus Gewerbebetrieb um EUR 1 914,28 gekürzt wird. Dem Beklagten wird aufgegeben, die geänderte Steuerfestsetzung nach Maßgabe der Urteilsgründe zu errechnen, ferner der Klägerin das Ergebnis dieser Berechnung unverzüglich mitzuteilen und den Bescheid mit dem geänderten Inhalt nach Rechtskraft dieses Urteils neu bekannt zu geben.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens, einschließlich der Kosten des Revisionsverfahrens.
Tatbestand
Die Sache befindet sich im zweiten Rechtsgang.
Die Klägerin ist eine GmbH, die durch Vertrag vom xx.xx.2008 mit Sitz in C… gegründet und am xx.xx.2009 in das Handelsregister beim Amtsgericht C… eingetragen wurde. Satzungsmäßiger Unternehmensgegenstand war zunächst „xxx”. Mit Vertrag vom xx.xx.2009 trat die alleinige Gesellschafterin der Klägerin, die B… GmbH, ihre Gesellschaftsanteile an die D… AG mit Sitz in E… (Schweiz) ab. Zugleich wurde der satzungsmäßige Unternehmensgegenstand in „Verwaltung eigenen Grundvermögens” geändert.
Auf eine schriftliche Anfrage des damals zuständigen Finanzamts F… – Finanzamt – teilte der damalige steuerliche Bevollmächtigte der Klägerin mit, dass sich der Ort der Geschäftsleitung der Klägerin im Gebäude G …-straße in C… befinde; auf den Inhalt des Schreibens vom 20. April 2009 wird Bezug genommen. Eine Na...