rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Versäumnis der Frist auf eine Antragsveranlagung nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG
Leitsatz (redaktionell)
Sind die Voraussetzungen für eine Veranlagung nach § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG (Amtsveranlagung) nicht erfüllt, findet eine Veranlagung nur auf Antrag statt. Der Antrag ist durch Abgabe einer Einkommensteuererklärung bis zum Ablauf des auf den Veranlagungszeitraum folgenden zweiten Kalenderjahres zu stellen.
Irrt sich ein Steuerpflichtiger nicht über den (Ab-)Lauf der zweijährigen Ausschlussfrist für die Durchführung der Antragsveranlagung nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG, sondern materiell-rechtlich über die Existenz dieser Frist als solcher, liegt regelmäßig kein unverschuldeter Grund für die Wiedereinsetzung vor, denn es besteht eine allgemeine Informationspflicht des Bürgers über die Gesetzeslage
Normenkette
EStG § 46 Abs. 2 Nr. 8; AO §§ 89, 110 Abs. 1 S. 1, § 149 Abs. 1 S. 2
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob die Klägerin für das Streitjahr 1999 die Antragsfrist des § 46 Abs. 2 Nr. 8 Einkommensteuergesetz - EStG - unverschuldet versäumt hat.
Mit Schreiben vom 02. Oktober 2000 forderte der Beklagte die Klägerin (die in den vorangegangenen Jahren jeweils amtsveranlagt worden war) erstmals auf, bis zum „01.11.00“ die Einkommensteuererklärung für 1999 einzureichen. Diese Aufforderung enthielt u.a. folgenden Hinweis :
„Sofern es sich bei der angeforderten Erklärung um eine Antragsveranlagung zur Einkommensteuer nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG handeln sollte, gilt dieses Schreiben nicht als Fristverlängerung über die dort genannte Ausschlussfrist hinaus.“ Mit Schreiben vom 30. Oktober 2000 beantragte die Klägerin unter Hinweis auf ihre Überlastung Fristverlängerung für die Abgabe der Steuererklärung 1999. Aufgrund handschriftlicher Eintragungen auf dem Antrag ergibt sich, dass die Fristverlängerung offensichtlich bis zum „30.12.00“ gewährt worden ist.
In der Folgezeit reichte die Klägerin jedoch keine Steuererklärung für 1999 ein; daraufhin erhielt sie am 02. November 2001 eine „Zweite Erinnerung an die Abgabe der Steuererklärung(en)“ - neue Frist nunmehr „19.11.01“. Weiter heißt es in dem Text : „Auch diese Erinnerung ist keine Fristverlängerung; insbesondere bleibt die Festsetzung von Verspätungszuschlägen (§ 152 AO) vorbehalten“. Gestützt war die Erinnerung auf § 149 AO iVm. § 25 Abs. 3 EStG u. §§ 56, 60 EStDV.
Handschriftlich ist auf der Aktenausfertigung unter dem 05. Dez. 2001 die Frist „19.11.01“ gestrichen und durch „30.12.01“ ersetzt.
Mit Schreiben vom „28.01.2002“ (von der Klägerin später als Schreiben v. 18.01.2002 bezeichnet), eingegangen beim Beklagten am 29. Januar 2002, überreichte die Klägerin unter Hinweis auf eine „telefonische Fristverlängerung vom 20.12.2001“ die mit Hilfe eines PC-Steuerprogramms (WISO) erstellte(n) Steuererklärung (-en) für 1999 (und 2000).
Die Steuererklärung für 1999 wurde zunächst bearbeitet, vor Schlusszeichnung wurde jedoch festgestellt, dass es sich - anders als in den Vorjahren - um eine Antragsveranlagung handelte, mithin die Frist des § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG versäumt worden war. Mit Bescheid vom 21. März 2002 stellte der Beklagte die Rechtslage dar und lehnte den Antrag auf Veranlagung zur Einkommensteuer1999 ab; Wiedereinsetzung wurde nicht gewährt.
Mit dem Einspruch vom 23. April 2002 rügte die Klägerin, dass die am 20. Dezember 2001 telefonisch beantragte Fristverlängerung bis Ende Januar 2002 bei der ablehnenden Entscheidung nicht berücksichtigt worden sei. Im übrigen sei der Beklagte nach der auf § 149 AO gestützten Mahnung vom 02. November 2001 verpflichtet, die Veranlagung für 1999 durchzuführen.
Mit Einspruchsentscheidung vom 15. Mai 2002 wies der Beklagte den Einspruch unter Hinweis darauf, dass es sich bei § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG um eine nicht verlängerbare, gesetzliche Ausschlussfrist handelt, zurück.
Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der rechtzeitig erhobenen Klage. Danach habe sie einen Anspruch auf Veranlagung aus § 149 Abs. 1 S. 2 AO. In Anbetracht des Aufforderungsschreibens vom 02. November 2001 habe sie nicht von vornherein wissen können, dass ihre bislang ohne Beanstandung durchgeführten Veranlagungen für 1999 als fristbewehrte Antragsveranlagung gem. § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG anzusehen sei; auch habe der Beklagte keinerlei Hinweise darauf gegeben, dass ein solcher Fall für sie gegeben sei. Den Hinweis im Schreiben vom 02. Oktober 2000 habe sie nicht verstanden; sie habe sich zur Abgabe der Erklärung verpflichtet gefühlt. Im Rahmen seiner Fürsorgepflicht nach § 89 AO wäre jedoch ein Hinweis auf den wirklichen Veranlagungsgrund geboten gewesen, zumal in der zweiten Erinnerung vom 02. November 2001 nicht auf § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG hingewiesen worden sei. Auch könne die telefonisch gewährte Fristverlängerung nur dahingehend zu interpretieren sein, dass eine Veranlagung von Amts wegen bezweckt gewesen...