Entscheidungsstichwort (Thema)
Umsatz- und Gewerbesteuer 1984 und 1985
Nachgehend
Tenor
Die Gewerbesteuerbescheide 1984 und 1985 vom 28. Februar 1992 und die Einspruchsentscheidung vom 26. Mai 1994 betreffend Gewerbesteuer werden aufgehoben.
Abweichend von den Umsatzsteuerbescheiden 1984 und 1985 vom 28. Februar 1992 und der Einspruchsentscheidung vom 26. Mai 1994 betreffend Umsatzsteuer werden die steuerpflichtigen Umsätze aus den Pflegeleistungen 1984 und 1985 und die darauf entfallenden Vorsteuern um 1/3 gemindert.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte zu 35 %, die Klägerin zu 65 %.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung der Kosten durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten zum Vorverfahren war notwendig.
Der Streitwert beträgt … DM.
Tatbestand
Die Klägerin ist examinierte Krankenschwester und betrieb einen häuslichen Krankenpflegedienst. Im Rahmen einer für die Streitjahre 1984 und 1985 durchgeführten Außenprüfung hatte der Beklagte folgende unstreitige Feststellungen zur Tätigkeit der Klägerin getroffen:
In ihrem Pflegedienst beschäftigte die Klägerin im Jahr 1984 drei Krankenschwestern/-pfleger und siebzehn „Hauspfleger”, im Jahr 1985 sieben Krankenschwestern/-pfleger, zwei Altenpfleger, fünf Pflegehelferinnen und ca. achtzig „Hauspfleger”. Die berufliche Qualifikation der z. T. als Teilzeitkräfte beschäftigten Hauspfleger konnte in der Außenprüfung nicht geklärt werden. Nach den von der Klägerin vorgelegten Aufnahmebüchern hatte ihr Pflegedienst im Jahr 1983 etwa zwischen zwanzig und dreißig Patienten monatlich zu betreuen; im Jahr 1984 stieg diese Zahl auf etwa zwischen vierzig und achtzig Patienten an, für das Jahr 1985 gibt es keine Aufzeichnungen. Die Pflegeleistungen wurden an Patienten ausgeführt, die sich in ihrer häuslichen Umgebung befanden. Den Auftrag zur Übernahme der Pflegeaufgaben erhielt die Klägerin von einer Sozialarbeiterin des Krankenhauses oder vom behandelnden Arzt. Es wurde an sieben Wochentagen in zwei Schichten gearbeitet. Die Patienten wurden nach einem Rundensystem angefahren; eine Vertretung der jeweils zugeteilten Pflegekraft erfolgte nur an deren freien Tagen. Die Patienten wurden in der Regel einen, z. T. auch zwei Monate lang gegen Kostenübernahme durch die Krankenkassen betreut. Bestand weiterhin Bedarf, wurden die Kosten bei Bedürftigkeit durch die Sozialämter übernommen oder es wurde ein Privatvertrag geschlossen.
Die Aufgaben des Pflegedienstes umfaßten die medizinische Betreuung (z. B. Verbände, Wundversorgung, Spritzen, Blutzuckerkontrolle, Einreibungen, Decubitusbehandlung), die Grundpflege (Betten, Waschen, Anziehen, Hilfe beim Essen) und die hauswirtschaftliche Versorgung (Einkaufen, Wäsche, Kochen, normale Hausarbeiten). Die Tätigkeit der Klägerin bestand darin, die Patienten aufzunehmen, Behandlungsvorschläge zu erstellen, das eigene Personal in den einzelnen Pflegefall entsprechend den Bedürfnissen des Patienten und der ärztlichen Verordnung einzuweisen, an dem ersten, gelegentlich auch an weiteren Besuchen in der Wohnung des Patienten teilzunehmen und sich täglich Arbeitsberichte ihrer Mitarbeiter geben zu lassen.
Nach der in der mündlichen Verhandlung erfolgten tatsächlichen Verständigung gehen die Beteiligten davon aus, daß der Anteil der Entgelte, der in den Streitjahren 1984 und 1985 auf die Behandlungspflege entfällt, 1/3 der Gesamtumsätze beträgt.
Der Beklagte vertrat die Ansicht, daß die Klägerin wegen des Umfangs ihres Pflegedienstes nicht mehr leitend und eigenverantwortlich tätig sei und daher einen Gewerbebetrieb betreibe. Er führte erstmals Veranlagungen zur Umsatz- und Gewerbesteuer 1984 und 1985 durch, wobei er die Umsatzsteuer 1984 auf … DM, die Umsatzsteuer 1985 auf … DM, die Gewerbesteuer 1984 auf … DM und die Gewerbesteuer 1985 auf … DM festsetzte.
Hiergegen erhob die Klägerin Einspruch und trug vor: Sie übe eine „ähnliche heilberufliche Tätigkeit” im Sinne des § 18 Abs. 1 Einkommensteuergesetz –EStG–, § 4 Nr. 14 Umsatzsteuergesetz –UStG– aus, denn ihre Tätigkeit diene der Heilung oder Linderung von Krankheiten, Leiden oder Körperschäden beim Menschen, auch wenn sie im Dienst von anderen ausgeführt werde. Sie sei bei Ausübung ihrer Tätigkeit nicht gewerblich, sondern freiberuflich tätig. Sie bediene sich zwar der Mithilfe qualifizierter Fachkräfte, sei aber aufgrund eigener Fachkenntnisse leitend und eigenverantwortlich tätig. Die Zulassung … für die häusliche Krankenpflege mache ein qualifiziertes Personal von mindestens fünf examinierten Krankenschwestern/-pflegern erforderlich. Die „Vervielfältigungstheorie” passe auf diesen Bereich daher nicht. Ihre Leistungen ergäben sich aus dem Leistungskatalog, der Bestandteil einer Vereinbarung...