Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Erstattung von einbehaltenen Zinsabschlägen und Solidaritätszuschlag, wenn nicht geklärt ist, ob der Steuerpflichtige im Inland seinen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort hat
Leitsatz (redaktionell)
Ist bei einer mit internationalem Haftbefehl gesuchten Person, deren steuerliche Interessen durch einen Abwesenheitspfleger wahrgenommen werden, nicht geklärt, ob die Person im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthaltsort hat, so entspricht es der Sicherungsfunktion des § 43 EStG, in diesen Zweifelsfällen den Kapitalertragsteuerabzug vorzunehmen.
Normenkette
EStG § 20 Abs. 1 Nr. 7, § 43 Abs. 1 S. 1 Nr. 7b, § 44a; AO § 37 Abs. 2
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Erstattung von im Jahr 2000 einbehaltener Kapitalertragsteuer auf Einkünfte des Klägers aus Kapitalvermögen.
Der am xxx in R. geborene Kläger ist unbekannten Aufenthaltes. Bis 1962 wohnte er in B. Er wird seit ca. 42 Jahren erfolglos vom Landeskriminalamt xxx gesucht. Vom Landgericht B. wurde ein internationaler Haftbefehl auf den Kläger ausgestellt. Er ist dringend verdächtig, im Jahr 1941 als SS-Lagerarzt des früheren Konzentrationslagers xxx zahlreiche Häftlinge durch Herzinjektionen ermordet zu haben. (...)
Für den Kläger wurde wiederholt, zuletzt am 3. Mai 2001, ein Abwesenheitspfleger zur Verwaltung des Vermögens, soweit es sich im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland befindet, bestellt. Der Kläger verfügt über umfangreiches Kapitalvermögen in der Bundesrepublik, das von dem Abwesenheitspfleger auf Konten bei der X-Bank angelegt worden ist. Die X-Bank behielt für das Jahr 2000 von den Kapitalerträgen Zinsabschlagsteuer sowie Solidaritätszuschlag in Höhe von insgesamt 20.790,40 DM (10.629,96 Euro) ein und führte diese ab. Der Prozessbevollmächtigte des Abwesenheitspflegers beantragte beim Beklagten erfolglos die Erstattung der einbehaltenen Steuern.
Der Beklagte lehnte die Erstattung mit Bescheid vom 21. August 2001 ab und bezog sich zur Begründung auf das Urteil des Finanzgerichts Berlin zum Aktenzeichen 3 K 3226/00 vom 8. Juni 2001.
Seine ablehnende Einspruchsentscheidung vom 25. September 2001 begründete der Beklagte damit, dass bei inländischen Kapitalerträgen im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 7 Einkommensteuergesetz -EStG- die Einkommensteuer durch den Steuerabzug vom Kapitalertrag nach § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 b EStG erhoben werde. Die Voraussetzungen für eine Abstandnahme vom Steuerabzug, z.B. nach § 44 a EStG lägen nicht vor, weil der Kläger weder eine beschränkte noch eine unbeschränkte Steuerpflicht nachgewiesen habe. Aus der bislang erfolglosen Strafverfolgung könne nicht geschlossen werden, dass der Kläger sich nicht im Inland aufhalte. Der Kläger trage jedoch die Feststellungslast für solche Tatsachen, die Steuerbefreiungen und Steuerermäßigungen begründeten oder einen Steueranspruch aufheben oder einschränken würden. Er habe daher die Voraussetzungen für die Erstattung des gezahlten Zinsabschlages nachzuweisen.
Mit der hiergegen erhobenen Klage macht der Abwesenheitspfleger geltend, dass der Kläger als Steuerausländer anzusehen sei, da mit hinreichender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden könne, dass der Kläger im Inland weder einen Wohnsitz noch seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort habe. Zudem habe der Kläger gemäß § 1921 Bürgerliches Gesetzbuch -BGB- auch für das Besteuerungsverfahren als lebend zu gelten. Der Beklagte sei bis zum Veranlagungszeitraum 1998 davon ausgegangen, dass der Kläger keinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland gehabt habe und habe deshalb die einbehaltenen Steuern antragsgemäß erstattet. Sollte der Kläger sich im Inland aufhalten, müsste er jederzeit mit seiner Ergreifung durch die Strafverfolgungsbehörden rechnen, was durch das Zeugnis des zuständigen Mitarbeiters der Staatsanwaltschaft xxx bewiesen werden könne. (...) Der Kläger habe beim Finanzamt xxx die Veranlagung zur Einkommensteuer für die Jahre 1999 bis 2001 beantragt. Dies habe das Finanzamt xxx (zur Steuernummer xxx) mit der Begründung abgelehnt, dass im Falle des Klägers weder die Voraussetzungen nach § 8 Abgabenordnung -AO- noch die nach § 9 AO gegeben seien. Inzwischen sei der Rechtsstreit beim Finanzgericht Berlin unter dem Aktenzeichen 9 K 9318/02 anhängig. Würden das vorliegende Verfahren und der Rechtsstreit unter dem Aktenzeichen 9 K 9318/02 zu unterschiedlichen Ergebnissen führen, widerspräche dies den Regeln logischen Denkens, denn der Kläger könne sich nur entweder im Inland oder im Ausland aufhalten. Es werde da her beantragt, die Steuerakten des Finanzamts xxx zur Steuer-Nummer xxx beizuziehen. Zudem erhebe er Protest gegen die Beweislast. Der Kläger sei bekanntlich nicht deutscher Staatsbürger. Die Frage des Aufenthalts des Klägers sei auch Gegenstand der Verfahren des Finanzgerichts Berlins zu den Aktenzeichen V 329/87 und III 283/83 gewesen...