rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Ernstliche Zweifel am Vorliegen passiver Einkünfte im Sinne von Art. 22 Abs. 1 Buchst. c DBA-Niederlande in Verbindung mit § 8 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a AStG bei freiberuflicher Tätigkeit einer in Deutschland ansässigen natürlichen Person in einer Betriebsstätte in den Niederlanden
Leitsatz (redaktionell)
1. Es ist ernstlich zweifelhaft, ob eine in Deutschland ansässige natürliche Person, die in einer Betriebsstätte in den Niederlanden freiberufliche Dienstleistungen erbringt, passive Einkünfte im Sinne von Art. 22 Abs. 1 Buchst. c DBA NL in Verbindung mit § 8 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a AStG erzielt.
2. § 8 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a AStG nimmt seinem Wortlaut nach nur solche Dienstleistungen aus den aktiven Tätigkeiten aus, für deren Erbringung sich eine ausländische Gesellschaft einer an ihr beteiligten unbeschränkt steuerpflichtigen Person (oder einer nahestehenden Person) bedient. Eine Ausweitung dieser Ausnahme auf Einkünfte, die ein Einzelunternehmer aus Dienstleistungen in seiner ausländischen Betriebsstätte erzielt, lässt sich dem Wortlaut des § 8 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a AStG auch über den Verweis in Art. 22 Abs. 1 Buchst. c DBA NL nicht zwingend entnehmen. Insbesondere spricht hierfür nicht die Gesetzesbegründung zum Jahressteuergesetz 2010 zur Einfügung des § 20 Abs. 2 Satz 2 AStG.
Normenkette
DBA Niederlande Art. 22 Abs. 1 Buchst. a S. 1, Buchst. b, c; AStG § 1 Abs. 4 S. 1 Nr. 2, Abs. 5, § 8 Abs. 2, 1 Nr. 5 Buchst. a, § 20 Abs. 2; BsGaV § 1; EStG § 34c Abs. 6; FGO § 69 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 1
Tenor
Die Vollziehung des Einkommensteuerbescheides 2017 vom …2019 in der Fassung vom …2020 wird mit Wirkung ab Fälligkeit aufgehoben und bis einen Monat nach Zustellung der Einspruchsentscheidung ausgesetzt.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsgegner.
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten über die Besteuerung von Einkünfte des Antragstellers zu 1. aus einer in den Niederlanden betriebenen …praxis unter Anwendung des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich der Niederlande zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerverkürzung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen (DBA NL) in Verbindung mit dem Außensteuergesetz (AStG).
Die Antragsteller sind verheiratet und wohnen gemeinsam in …. Der Antragsteller zu 1. betreibt in den Niederlanden eine …praxis ohne weitere angestellte ….
Mit niederländischem Steuerbescheid für 2017 vom … wurden für den Antragsteller zu 1. Einkommensteuer in Höhe von … Euro und Beiträge zur Volksversicherung in Höhe von … Euro festgesetzt. Dem lagen ein von dem Antragsteller zu 1. erklärter Gewinn aus der …praxis in Höhe von … Euro und ein daraus ermitteltes zu versteuerndes Einkommen in Höhe von … Euro zugrunde.
Mit Einkommensteuererklärung für 2017 erklärten die Antragsteller gegenüber dem Antragsgegner Einkünfte des Antragstellers zu 1. aus der …praxis in den Niederlanden in Höhe von … Euro. Diese Einkünfte behandelten sie als nach dem DBA NL steuerfreie Einkünfte. Die auf Anforderung des Antragsgegners am … eingereichte Gewinnermittlung nach deutschem Recht weist einen Gewinn in Höhe von … Euro aus. Weitere Einkünfte wurden nicht erklärt.
Nach Schriftverkehr mit den Antragstellern, insbesondere über die Frage einer Aufteilung der Unternehmensgewinne nach der Betriebsstättengewinnaufteilungsverordnung (BsGaV), die Anwendung der Freistellungs- oder Anrechnungsmethode für die niederländischen Einkünfte und den Nachweis der gezahlten niederländischen Steuer, berücksichtigte der Antragsgegner im Einkommensteuerbescheid für 2017 vom … Einkünfte des Antragstellers aus freiberuflicher Tätigkeit in Höhe von … Euro und setzte Einkommensteuer in Höhe von … Euro, Solidaritätszuschlag in Höhe von … Euro und Zinsen in Höhe von … Euro fest. Eine Anrechnung niederländischer Steuern erfolgte nicht.
In demselben Bescheid setzte der Antragsgegner nachträgliche Vorauszahlungen für Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag für 2019 in Höhe von … Euro und … Euro und Vorauszahlungen für Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag für 2020 und für 2021 und weitere Jahre in Höhe von vierteljährlich … Euro und … Euro fest. Bei der Berechnung der Vorauszahlungen wurden niederländische Steuern in Höhe von … Euro angerechnet.
Zur Begründung führte der Antragsgegner aus, der nach den Grundsätzen des DBA NL, des § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 5 AStG und der BsGaV nicht der niederländischen Betriebsstätte zuzuordnende Gewinnanteil, der aus der Erbringung von Personalfunktionen im übrigen Unternehmen (Deutschland) in geringem Umfang resultiere, sei im Wege der Schätzung auf … Euro festgesetzt worden.
Eine Doppelbesteuerung sei vorliegend grundsätzlich durch Anwendung der Anrechnungsmethode nach dem DBA NL i.V.m. § 34c Abs. 6 Einkommensteuergesetz (EStG) zu vermeiden. Der gesetzlich als Option eingeräumte Nachweis sachlicher Gründe, die nach dem DBA NL zu einer anderen Behandlung führen könnten, sei nicht erbracht worden.
Für den Nachweis übe...