Entscheidungsstichwort (Thema)
Gewinnabführungsvertrag: Rechtsnatur, Auslegung und nachträgliche Änderung. verunglückte Organschaft. Körperschaftsteuer 2002
Leitsatz (redaktionell)
1. Ein Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag ist nicht als gewöhnlicher Schuldvertrag, sondern als gesellschaftsrechtlicher Organisationsvertrag anzusehen. Es sind die Grundsätze der objektivierten Auslegung anzuwenden.
2. Selbst wenn die Vertragschließenden eine mindestens fünfjährige Laufzeit des anlässlich der Begründung einer körperschaftsteuerlichen Organschaft geschlossenen Gewinnabführungsvertrages gewollt haben, kann der Vertrag nicht gegen seinen klaren Wortlaut dahin ausgelegt werden, dass er auf eine Dauer von mindestens fünf Jahren abgeschlossen war.
3. Fast zwei Jahre nach Vertragsabschluss kann die eindeutige Satzungsbestimmung nicht mehr durch einen klarstellenden Nachtrag, in dem die Beteiligten ihre Absicht bekräftigen, den Vertrag auf mindestens fünf Jahre abschließen zu wollen, rückwirkend geändert werden.
4. Dem allgemeinen Steuerrecht, insbesondere der Vorschrift des § 129 AO kann kein verallgemeinernder Grundsatz entnommen werden, nach dem steuerliche Rechtsfolgen nicht von zufälligen Bearbeitungsfehlern abhängig gemacht werden könnten, sondern allein an wirtschaftliche Sachverhalte anzuknüpfen seien.
Normenkette
KStG 2002 § 14 Nr. 3; AktG § 291; BGB §§ 133, 157; AO 1977 § 129
Nachgehend
BFH (Beschluss vom 09.12.2005; Aktenzeichen I B 111/05) |
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin als Organgesellschaft wollte mit ihrer Muttergesellschaft als Organträgerin eine körperschaftsteuerliche Organschaft vereinbaren. Versehentlich schlossen die Vertragspartner einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag, der schon vor Ablauf von fünf Jahren ohne einen wichtigen Grund gekündigt werden konnte. Streitig ist, ob der geschlossene Gewinnabführungsvertrag dahin ausgelegt werden kann, dass der Gewinnabführungsvertrag auf mindestens fünf Jahre abgeschlossen war.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Das Einkommen der Klägerin ist ihr selbst und nicht der L-KG zuzurechnen. Es wurde keine körperschaftsteuerlich wirksame Organschaft im Sinne der §§ 14, 17 KStG begründet, da der Gewinnabführungsvertrag nicht auf mindestens fünf Jahre abgeschlossen war (§ 14 Nr. 3 KStG 1977).
1) Gemäß §§ 14 Nr. 3 KStG 1977 ist das Einkommen der Organgesellschaft nur dann dem Träger des Unternehmens zuzurechnen, wenn der Gewinnabführungsvertrag auf mindestens fünf Jahre abgeschlossen ist.
Die Mindestlaufzeit muss ausdrücklich in dem Vertrag geregelt sein oder sich anderweitig eindeutig aus dem Vertrag ergeben. Eine solche eindeutige Regelung wird dann angenommen, wenn die Ausübung des ordentlichen Kündigungsrechts erst nach Ablauf des Fünfjahreszeitraums ermöglicht wird, vgl. Gosch Körperschaftsteuergesetz § 14 Anm. 212. Mit dieser Regelung sollen – vom Gesetzgeber als missbräuchlich angesehene – Gestaltungen verhindert werden, bei denen allein aus steuerlichen Gründen eine Organschaft vereinbart wird. Es soll verhindert werden, je nach den konkreten steuerlichen Auswirkungen jährlich wechselnd eine Organschaft einzugehen bzw. aufzuheben. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass bei einer vertraglichen Bindung von mindestens fünf Jahren kaum noch ein Missbrauchsfall angenommen werden kann.
Ob ein Gewinnabführungsvertrag auf mindestens fünf Jahre abgeschlossen ist, entscheidet sich aufgrund der Auslegung des jeweiligen Gewinnabführungsvertrages, für welche allein zivilrechtliche Grundsätze maßgebend sind.
a) Grundsätzlich sind Willenserklärungen und Verträge im Sinne der §§ 133, 157 BGB auszulegen. Dabei ist – worauf die Klägerin zu Recht hinweist – ein übereinstimmender Wille auch dann allein maßgeblich, wenn er im Inhalt der Erklärung keinen oder nur unvollkommenen Ausdruck findet. Diese Grundsätze gelten auch bei der Auslegung beurkundeter Erklärungen. Auch bei diesen Erklärungen kommt es nicht nur auf den Wortlaut an, denn nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, der sich der erkennende Senat anschließt, geht ein übereinstimmender Wille der Parteien dem Vertragswortlaut und jeder anderen Interpretation vor. In diesem Rahmen sind zur Ermittlung des tatsächlich Gewollten auch außerhalb der Erklärung liegende Umstände zu berücksichtigen, soweit sie den tatsächlichen Parteiwillen wiedergeben. In diesem Rahmen ist auch der Zweck der Erklärung sowie das Gesamtverhalten der Beteiligten zu berücksichtigen. Soweit formbedürftige Erklärungen ausgelegt werden, können außerhalb einer Urkunde liegende Umstände nur herangezogen werden, wenn der aus ihnen ermittelte rechtsgeschäftliche Wille in der Urkunde wenigstens andeutungsweise zum Ausdruck kommt. Dies gilt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes allerdings dann nicht, wenn ein Fall der sogenannten irrtümlichen Falschbezeichnung vorliegt. Auch formgebundene Rechtsgeschäfte dür...