Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesamtschuldnerische Hinzuziehung des Warenerwerbers gem. § 57 Abs. 2 Satz 2 ZG. Wissenmüssen von der Hinterziehung von Branntweinmonopolabgaben. Zollrecht
Leitsatz (redaktionell)
1. Der Erwerber einer vorschriftswidrig in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbrachten Ware ist zur Erfüllung der Zollschuld gesamtschuldnerisch gem. § 57 Abs. 2 Satz 2 ZG hinzuzuziehen, wenn er hätte wissen müssen, dass die von ihm erworbene Ware vorschriftswidrig in das Zollgebiet verbracht worden ist. Das Wissenmüssen von der Zollguteigenschaft einer Ware muss sich zweifelsfrei, jedenfalls aber bei vernünftiger Abwägung aller für und wider sprechenden Umstände, aus den Umständen des Falles und der Persönlichkeit des Erwerbers, insbesondere seinen persönlichen Kenntnissen und Fähigkeiten ergeben.
2. Der Abnehmer geschmuggelter Spirituosen aus Italien wird nicht weiterer Zollschuldner, weil er nicht wissen musste, dass der Lieferant für die von ihm gelieferten hochsteuerbaren Spirituosen nicht ordnungsgemäß Eingangsabgaben entrichtet hat, wenn die Preisdifferenzen des Lieferanten zum Einkaufspreis der anderen Anbieter der Bundesrepublik lediglich in der Größenordnung zwischen 8 % und 18 % liegen.
Normenkette
ZG § 57 Abs. 2 S. 2; EWGV 1031/88 Art. 3 Abs. 2 Buchst. a; EWGV 2144/87 Art. 2 Abs. 1 Buchst. b; BranntwMonG
Tenor
Der Steuerbescheid vom 19.06.1992 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 04.11.1999 wird aufgehoben.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Mit ihrer Klage wendet sich die Klägerin dagegen, dass sie vom Beklagten als (weitere) Rechtsnachfolgerin ihres Vaters, A. K., zu Eingangsabgaben in Höhe von DM 821.697,10 herangezogen wird. Es treffe nicht zu, daß ihr Vater, A. K., als Abnehmer geschmuggelter Spirituosen aus Italien weiterer Zollschuldner geworden sei, weil er habe wissen müssen, dass der Lieferant Z. für die von ihm gelieferten hochsteuerbaren Spirituosen im Zeitraum 1987 bis 1990 nicht ordnungsgemäß Eingangsabgaben entrichtet habe.
Im einzelnen:
Die Große Strafkammer des Landgerichts B hat mit Urteil vom 20.07.1996 zwei Arbeitnehmer der Firma Z. und mit Urteil vom 15.10.1997 den Inhaber der Firma Z. unter anderem wegen gemeinschaftlicher Steuerhinterziehung gem. § 370 AO verurteilt. Dem lag im wesentlichen das Ermittlungsergebnis des Zollfahndungsamts Bremen vom 15.07.1992 (Strafakte Z. Bl. 59 ff) zugrunde, auf das Bezug genommen wird (§ 105 Abs. 3 FGO). Das Gericht sah es als erwiesen an, dass die Angeklagten in den Jahren 1987 bis April 1990 Schmuggelfahrten nach Italien und zurück mit einem Lkw durchgeführt hatten, um überwiegend Spirituosen, aber auch Lebensmittel aus Italien in die Bundesrepublik einzuführen, ohne diese zu verzollen, um dieselben in der Bundesrepublik unter dem Preis anderer Anbieter verkaufen zu können. Dazu wurden zunächst hochsteuerbare Spirituosen in einem jedermann frei zugänglichen Warenhaus erworben und in den Lkw geladen. Dann wurden Waren zugeladen, die bei der italienischen Versandzollstelle zum gemeinschaftlichen Versandverfahren (gVV) angemeldet wurden. Von Italien wurde die gesamte Ladung nach Bremen transportiert und dort bei der Abfertigungsstelle Hohetor das Versandverfahren durch Gestellung abgeschlossen. Anschließend wurden die Waren der Firma Z. überlassen. Bei der sich anschließenden Zollabfertigung wurden ausschließlich die Waren durch die Firma Z. angemeldet, die zuvor im gVV eingeführt worden waren.
Die im Rahmen des Ermittlungsverfahrens gegen die Firma Z. ausgewerteten Unterlagen ergaben, dass A. K. zu einem der Hauptabnehmer von italienischen Spirituosen, die von der Firma Z. eingeschmuggelt worden waren, gehört hat.
Der Einkauf belief sich nach dem Ermittlungsergebnis des Zollfahndungsamtes B (Beiakte K. Bl. 4)
1987 |
auf |
91.843,61 DM |
1988 |
auf |
295.235,70 DM |
1989 |
auf |
434.073,39 DM |
1990 |
auf |
463.499,92 DM |
Im wesentlichen handelte es sich um hochsteuerbare italienische Spirituosen der Marken Campari Bitter, Sambuca Molinari, Fernet Branca sowie verschiedene Grappa Arten; wegen der Einzelheiten wird auf den Antrag des Zollfahndungsamtes Bremen auf Anordnung der Durchsuchung der Geschäftsräume der Firma A. K. (Bl. 38 ff der Strafakten Z.) sowie auf den Beweismittelband III und Beiheft I Bezug genommen, § 105 Abs. 3 FGO.
Am 18.06.1991 leitete das Zollfahndungsamt B das Strafverfahren gegen A. K. ein (Bl. 42 der Strafakten A. K. / Sonderband I ENr. 189/91, Bl. 42). Dieses Strafverfahren wurde eingestellt, nachdem A. K. am 07.11.1991 verstorben war.
Aufgrund des Ergebnisses der Ermittlungen im Steuerstrafverfahren gegen A. K. vom 30.03.1992 (Beiakte K. Bl. 1 ff), auf das gem. § 105 Abs. 3 FGO Bezug genommen wird, erließ der Beklagte gegen die Ehefrau des Klägers als dessen Rechtsnachfolgerin unter dem 19.06.1992 einen Steuerbescheid, in dem er Eingangsabgaben wie folgt festsetzte:
Monopolausgleich |
DM 575.913,40 |
Zoll |
DM 88.019,40 |
Einfuhrumsatzsteuer |
DM 157.764,30 |
Eingangsabgaben insgesamt |
DM 821.6... |