rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Mehrere Fehler der Zollbehörde bei der Bearbeitung einer auf Anrechnung einer Ware auf ein Windhund-Kontingent gerichteten Zollanmeldung als schwerwiegendes und zur Erstattung der Einfuhrabgaben berechtigendes Fehlverhalten der Zollbehörde im Sinne von Art. 239 Abs. 1, Abs. 2. Anstrich ZK in Verbindung mit Art. 899 Abs. 2 ZK-DVO
Leitsatz (redaktionell)
1. Wurde mit einer Zollanmeldung einer Inhaberin einer Bewilligung zum Zolllagerverfahren, wonach Waren des Zolllagers durch Anschreibung ohne zollamtliche Mitwirkung in den zollrechtlich freien Verkehr überführt werden dürfen, die Anrechnung auf ein „Windhund-Kontingent” beantragt, das tatsächlich erst einen Tag später vollständig erschöpft war, wurde aber eine unzutreffende Codierung für die Ware eingetragen (hier: Eintrag der Codierung 100 statt Codierung 120 im Feld 29 des Vordrucks 0415), und hat das Hauptzollamt gleichwohl erst fünf Tage später, und damit nach dem Zeitpunkt der vollständigen Kontingenterschöpfung, eine Korrekturempfehlung ausgesprochen und zudem eine Kontingentsmeldung mit einem unrichtigen, nach dem Tag der Kontingentsausschöpfung liegenden Datum erstellt, so kann eine Erstattung der infolge der Nichtanwendung des Windhundkontingents entstandenen Einfuhrabgaben weder auf Art. 236 Abs. 1 ZK in Verbindung mit Art. 889 Abs. 1 Unterabsatz 1 1. Anstrich ZK-DVO noch auf Art. 236 Abs. 1 ZK in Verbindung mit Art. 889 Abs. 1 Unterabsatz 2 ZK-DVO gestützt werden; schließlich kann eine Erstattung auch nicht auf Art. 236 Abs. 1 ZK in Verbindung mit Art. 220 Abs. 2 ZK gestützt werden. Es handelt sich jedoch um einen besonderen Fall im Sinne des Art. 239 Abs. 1 2. Anstrich ZK in Verbindung mit Art. 899 Abs. 2 ZK-DVO, der sich aus Umständen ergibt, die nicht auf betrügerische Absicht oder offensichtliche Fahrlässigkeit der Zollanmelderin zurückzuführen sind.
2. Besondere Umstände im Sinne des Art. 239 Abs. 1 2. Anstrich ZK liegen vor, wenn sich ein Wirtschaftsteilnehmer in einer Lage befindet, die gegenüber derjenigen anderer Wirtschaftsteilnehmer, die die gleiche Tätigkeit ausüben, außergewöhnlich ist oder wenn es angesichts des Verhältnisses zwischen dem Wirtschaftsteilnehmer und der Verwaltung unbillig wäre, den Wirtschaftsteilnehmer einen Schaden tragen zu lassen, den er bei rechtem Gang der Dinge nicht erlitten hätte. Im Rahmen dieser Billigkeitserwägungen ist schwerwiegendes Fehlverhalten von Zollbehörden der Mitgliedstaaten zu berücksichtigen (im Streitfall: mehrere Fehler der Zollbehörde – u.a. durch verspätete Antragsbearbeitung, verspäteten Hinweis auf die unrichtige Codierung, unzutreffendes Angebot einer Änderung der Zollanmeldung nach Übersendung eines Korrekturschreibens, Angabe eines falschen Datums auf Ziehungsmeldungen als insgesamt „schwerwiegendes Fehlverhalten” der Zollbehörde).
Normenkette
ZK Art. 220 Abs. 2, Art. 236 Abs. 1, Art. 239 Abs. 1; ZKDV Art. 308a, 889 Abs. 1-2
Tenor
Der Bescheid vom 10. Juli 2014 und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung vom 12. Dezember 2016 werden aufgehoben und der Beklagte verpflichtet, der Klägerin die mit Bescheid vom 05. Februar 2013 festgesetzten Einfuhrabgaben (Zölle) anteilig nach einer Quote von 76,14277 % und damit in Höhe von … EUR und die mit weiterem Bescheid vom 05. Februar 2013 festgesetzten Einfuhrabgaben (Zölle) ebenfalls anteilig nach einer Quote von 76,14277 % und damit in Höhe von … EUR zu erstatten.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren war notwendig.
Die Entscheidung ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i. H. von 110 v. H. des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, falls nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit i. H. von 110 v. H. des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Erstattung von Einfuhrabgaben (Zölle).
Die Klägerin ist Inhaberin einer Bewilligung zum Zolllagerverfahren, mit der ihr gleichzeitig gestattet worden war, die Waren des Zolllagers durch Anschreibung ohne zollamtliche Mitwirkung in den zollrechtlich freien Verkehr zu überführen. Für die in den zollrechtlich freien Verkehr übergeführten Waren hatte die Klägerin zum streitgegenständlichen Zeitpunkt jeweils für einen Kalendermonat eine ergänzende Zollanmeldung (Vordruck 0415) mit Selbstberechnung der Einfuhrabgaben abzugeben.
Am Mittwoch, den 02. Januar 2013, gab die Klägerin zwei ergänzende Zollanmeldungen mit der Absicht ab, die im Abrechnungszeitraum aus dem Zolllager entnommenen Waren auf das Kontingent Nr. 09.2639 anrechnen zu lassen. Die Anschreibung in der Buchführung war jeweils am 01. Januar 2013 erfolgt. Beide Zollanmeldungen wurden mit einer vorgehefteten Kurzmitteilung – versehen mit dem Briefkopf der Klägerin – übermittelt. Auf diesen war jeweils „Anbei die Zahlungsanmeldung A-00…/13 zur Anrechnung auf das Kontingent Nr. 09.2639...