rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Freiberuflichkeit oder Gewerbesteuerpflicht einer Labor-Ärzte-GbR; tatsächliche Verständigung nur über streitige Sachverhalte zulässig
Leitsatz (redaktionell)
1. Ein Angehöriger eines freien Berufs i.S. von § 18 Abs.1 Sätze 1 und 2, der sich der Mithilfe fachlich vorgebildeter Arbeitskräfte bedient, wird nur dann "eigenverantwortlich" und damit freiberuflich tätig, wenn nach dem Gesamtbild der Leistungserbringung -wie es sich bei objektiver Betrachtung ohne Berücksichtigung außersteuerlicher, insbesondere berufs- und haftungsrechtlicher Regelungen darstellt- die Leistung als persönliche und individuelle Arbeitsleistung des Freiberuflers zu qualifizieren ist, wenn also das einzelne Arbeitsergebnis auf seiner Arbeitsleistung beruht und durch seinen Leistungsbeitrag als sein Arbeitsprodukt gekennzeichnet ist.
2. Ein Werk bzw. eine Leistung des Angehörigen eines freien Berufs ist danach nicht freiberuflich, wenn sie (nur) als unter Mitwirkung des Angehörigen des freien Berufs zustandegekommene Leistung einer Büro-/Betriebsorganisation anzusehen ist (Ausführungen zu Sinn und Zweck, zur Entstehungsgeschichte sowie zur grammatikalischen Auslegung von § 18 Abs.1 Nr.1 Satz 3 EStG).
3. Eine Laborärzte-GbR ist gewerblich tätig, wenn der einzelne Laborarzt auf die von Fachkräften durchgeführten Laboranalysen im Durchschnitt 1 Minute für einen "einfachen" Fall und um die zwei Minuten für einen "nicht" einfachen Fall aufwendet und sich seine Tätigkeit zumeist auf die -die Untersuchungsergebnisse regelmäßig bestätigende- Abschlusskontrolle sowie das Unterschreiben des Berichts beschränkt.
4. Eine tatsächliche Verständigung ist nur über Sachfragen, nicht aber über Rechtsfolgen eines Sachverhalts zulässig. Das Gesetz verleiht weder dem FA noch dem Steuerpflichtigen die Rechtsmacht, den gesetzlichen Steueranspruch durch gemeinsame Vereinbarung gestaltend zu verändern oder aufzuheben.
Normenkette
EStG § 18 Abs. 1 Nr. 1 Sätze 3, 2, 1; GewStG § 2 Abs. 1 S. 2; EStG § 15 Abs. 2 S. 1; AO 1977 § 88; BGB § 242; AO 1977 § 85
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin, eine GbR, deren Gesellschafter Laborärzte sind, die ihre laborärztliche Tätigkeit in gesellschaftlicher Verbundenheit in der Klägerin ausgeübt haben, für die Streitjahre (1989–1993) der Gewerbesteuer unterliegt, oder ob die Gesellschafter – wie die Klägerin meint – mit ihrer Tätigkeit Einkünfte aus selbstständiger Arbeit als Laborärzte erzielt haben.
Gesellschafter sind:
- Laborarzt
- Laborärztin
- Laborarzt
- Laborarzt
- Laborarzt
Die GbR bestand bereits seit 1982 zwischen den Gesellschaftern zu 1 bis 3 (BpB 1985 Seite 3 Tz 9). Im Streitzeitraum traten ihr mit Wirkung zum 01.01.1991 der Gesellschafter zu 4 und mit Wirkung vom 01.01.1992 der Gesellschafter zu 5 bei.
Wegen der gesellschaftsvertraglichen Vereinbarungen wird auf die Verträge vom 05.06.1981 (Anlage 1 zur Klagbegründung; GA I 56), vom 04.09.1990 (Anlage 2 zur Klagbegründung; GA 66) und vom 29.11.1991 (Anlage 3 zur Klagbegründung; GA 75) Bezug genommen.
Der Gesellschafter zu 4 war für die Klägerin vor seinem Eintritt als Gesellschafter am 01.01.1991 bereits seit dem 01.11.1989 als „Partner auf Probe” im Angestelltenverhältnis tätig (GA II 10/11).
Die in dieser Zeit vom Gesellschafter zu 4 bearbeiteten Befunde unterschrieb er. Die damaligen Gesellschafter legten die Grundzüge der Organisation seines Tätigkeitsbereiches und der Durchführung seiner Arbeit fest. Sie überwachten die Beachtung dieser Vorgaben und entschieden in schwierigen Fällen über die Befundung (GA II 12). Dieser Gesellschafter hatte bei Aufnahme seiner Tätigkeit noch keine Kassenarztzulassung als Facharzt für Laboratoriumsmedizin. Voraussetzung für die Zulassung war eine mindestens 6-monatige Tätigkeit in einer Laborarztpraxis. Die Zulassung wurde während der Zeit seiner Angestelltentätigkeit erteilt (GA II 11).
Die Klägerin betrieb ihr Labor bis Ende September 1993 in gemieteten Räumen, die seit dem 01.05.1992 im Eigentum der Gesellschafter zu 1 und 2 standen (BpB 85 Tz. 7) mit einer Nutzfläche von ca. 1000 qm (GA I 30) und seit dem 01.10.1993 in einem gemieteten Neubau mit einer Fläche von 4000 qm, von denen ca. 1500 qm untervermietet sind (Anlage 1 zum BpB 95 Seite 1; GA I 30).
Die laborärztliche Tätigkeit der Gesellschafter der Klägerin umfaßt im wesentlichen folgende Aufgabenstellungen:
Leitung des Laboratoriums
- Planung und Entwicklung der Untersuchungsprogramme
- Planung, Aufstellung, Pflege und Ersatz der Geräte
- Bestimmung und Planung der Anschaffung der Reagenzmittel
- Organisation des Betriebsablaufs, Entwicklung und Pflege der allgemeinen Anweisungen an das Personal
- Planung der Anschaffung der PC-Hard- und Software
- Entwicklung und Pflege von Textbausteinen für die Befundung
- Anstellung, Einweisung, Anleitung und Überwachung des nichtärztlichen Personals
Untersuchung und Befundung
konsiliarische ärztliche Tätigkeiten ...