rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Verstoß gegen Treu und Glauben durch Kindergeldrückforderung nach zu langem Zuwarten der Familienkasse
Leitsatz (redaktionell)
1. Ein auf Überschreiten der Einkünfte- und Bezügegrenze gestützter Kindergeld-Rückforderungsbescheid verstößt gegen Treu und Glauben, wenn der Familienkasse unmittelbar nach Ablauf des Jahres alle Angaben zu den Einkünften und Bezügen des volljährigen, in Ausbildung befindlichen Kindes vorlagen, bis zur endgültigen Rückforderung aber drei Jahre vergangen sind und die Familienkasse zwischenzeitlich, z.B. durch ausdrückliche Weitergewährung vom Kindergeld in den Folgejahren, eine Vertrauenssituation beim Kindergeldempfänger geschaffen hat, die diesen bei objektiver Betrachtung eine Rückforderung nicht mehr erwarten ließ.
2. Ein aufgrund des Studiums auswärts untergebrachtes Kind kann hinsichtlich der Kosten der auswärtigen Unterkunft keinen ausbildungsbedingten Mehrbedarf geltend machen.
Normenkette
AO § 37 Abs. 2; EStG § 70 Abs. 4, § 32 Abs. 4 S. 2; EstG § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. a; EStG § 32 Abs. 4 S. 3; BGB § 242; EStG § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1
Nachgehend
Tenor
Der Rückforderungsbescheid vom 13. Februar 2003 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 12. März 2003 wird aufgehoben.
Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.
Tatbestand
Der Kläger ist der Stiefvater des im Oktober 1975 geborenen Kindes A…, die im Streitjahr 1999 in L.… im 3. Semester Erziehungswissenschaften und im 4. Semester Soziologie studierte. Bereits Anfang 1999 hatte der Kläger dem Beklagten mitgeteilt, dass das Studium seiner Tochter voraussichtlich bis zum Jahr 2002 andauern würde.
Der Beklagte hatte für das Jahr 1999 Kindergeld ohne schriftlichen Bescheid nach § 70 Abs. 1 Einkommensteuergesetz – EStG – festgesetzt. Im April 2000 reichte der Kläger die Erklärung zu den Einkünften und Bezügen eines über 18 Jahre alten Kindes zu den Akten. Danach erzielte die Tochter des Klägers Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von DM 20.690. Der Erklärung beigefügt war eine Aufstellung über die von dem Kläger geltend gemachten Werbungskosten. Unter anderem machte der Kläger Aufwendungen für eine doppelte Haushaltsführung in Höhe von insgesamt DM 6.945 geltend.
Im November 2000 verfügte der Beklagte die Weitergewährung von Kindergeld für das Kind A…. Die Anweisung zur Zahlung des Kindergeldes erfolgte ausweislich eines handschriftlichen Vermerks des Beklagten auf der Änderungsverfügung vom 4. Juni 2002 bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres der Tochter des Klägers. Im September 2001 forderte der Beklagte einen Nachweis über die Einkünfte des Kindes A… für die Jahre 1999 und 2000, worauf der Kläger für das Jahr 1999 den Einkommensteuerbescheid 1999 für das Kind A… zu den Akten reichte. In der Folgezeit forderte der Beklagte den Kläger auf, Unterlagen für das Jahr 2000 einzureichen. Diesen Forderungen kam der Kläger jeweils nach.
Mit Bescheid vom 13. Februar 2003 hob der Beklagte die Festsetzung des Kindergeldes für das Kind A… gemäß § 70 Abs. 4 EStG ab Januar 1999 auf, da nach seiner Auffassung die Einkunftsgrenze überschritten sei. Er begründete dies damit, dass die Aufwendungen für eine zeitlich begrenzte doppelte Haushaltsführung nicht anzuerkennen seien, da die Mietkosten zu den Kosten der allgemeinen Lebensführung gehörten. Der Beklagte forderte danach überzahltes Kindergeld für den Zeitraum Januar 1999 bis Dezember 1999 in Höhe von EUR 1.533,88 zurück. Der hiergegen eingelegte Einspruch blieb ohne Erfolg. Der Beklagte begründete seine Entscheidung damit, dass bei einer Ausbildung, die nicht von vornherein auf die Dauer von drei Jahren befristet sei, Mietaufwendungen im Rahmen der doppelten Haushaltsführung nicht berücksichtigt werden könnten.
Der Kläger hat fristgerecht Klage erhoben. Er trägt im Wesentlichen vor, er habe dem Beklagten im April 2000 alle erforderlichen Unterlagen eingereicht. Bereits Anfang 1999 habe der Beklagte sogar Kenntnis davon gehabt, dass die Ausbildung seiner Tochter insgesamt länger als drei Jahre dauern würde. Erst nach einem Zeitraum von drei Jahren habe der Beklagte das Kindergeld zurückgefordert, ohne dass ihm zuvor ein Hinweis erteilt worden wäre, dass das Kindergeld zu Unrecht gezahlt worden sei. Er habe auf die Richtigkeit und Endgültigkeit der Zahlung vertraut.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid vom 13. Februar 2003 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 12. März 2003 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig und begründet.
Der Beklagte hat das Kindergeld für den Zeitraum Januar 1999 bis Dezember 1999 in Höhe von EUR 1.533,88 zu Unrecht von dem Kläger zurückgefordert. Der Kläger ist dadurch in seinen Rechten verletzt, § 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung – FGO –.
Zwar hat der Kläger gemäß §§ 62 Abs. 1 Nr. 1, 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 in Verbindung mit § 32 Abs. 4 ...