Entscheidungsstichwort (Thema)
Kindergeld im Jahr der Beendigung der Berufsausbildung. Kürzungsmonate. Eigene Einkünfte und Bezüge. Abzugsdauer bei zeitlich beschränkter doppelter Haushaltsführung während der Berufsausbildung. Familienleistungsausgleich (Kindergeld)
Leitsatz (redaktionell)
1. Endet die Berufsausbildung eines volljährigen Kindes im Verlaufe eines Kalendermonats, so haben die Voraussetzungen für den Anspruch auf Kindergeld nicht während des gesamten Monats vorgelegen. Der Monat ist mithin ein Kürzungsmonat.
2. In Kürzungsmonaten erzielte eigene Einkünfte und Bezüge des Kindes sind unberücksichtigt zu lassen. Das gilt auch für ein in diesem Monat zugeflossenes Urlaubsgeld, das bei Zufluss in einem Kürzungsmonat keine Sonderzuwendung aus dem Berufsausbildungsverhältnis darstellt.
3. Die Grundsätze der Rechtsprechung zur zeitlich beschränkten doppelten Haushaltsführung sind im Falle einer auf die Dauer des Ausbildungsverhältnissses beschränkten auswärtigen Unterbringung zu Ausbildungszwecken ohne Beachtung der (erst nach Schaffung dieser Rechtsprechung eingeführten) gesetzlichen Beschränkung der Dauer der Abzugsfähigkeit auf zwei Jahre anzuwenden. Die darin liegende Besserstellung Auszubildender gegenüber Arbeitnehmern ist gerechtfertigt, da aufgrund der Besonderheiten des Ausbildungsverhältnisses keine vollständige Gleichstellung mit Arbeitnehmern besteht.
Normenkette
EStG 1997 § 32 Abs. 4 Sätze 2, 5-6, 1 Nr. 2, § 63 Abs. 1 S. 1, § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 5
Nachgehend
Tenor
Der Bescheid vom 1. Dezember 1999 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 18. Januar 2000 wird aufgehoben und Kindergeld für die Tochter A. für Januar bis Juni 1999 gewährt.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.
Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin ist Mutter ihrer im Februar 1980 geborenen Tochter A., die sich in der Zeit vom 1. September 1996 bis zum 9. Juli 1999 in der Berufsausbildung zur Fachangestellten für Bürokommunikation in L. befand.
Sie erhielt im Streitjahr 1999 eine Berufsausbildungsbeihilfe in Höhe von monatlich DM 138 und eine Ausbildungsvergütung für die Monate Januar bis März in Höhe von jeweils DM 1.236,10 sowie ab April in Höhe von DM 1.274,42 zuzüglich vermögenswirksamer Leistungen in Höhe von monatlich DM 26. Zudem erhielt sie im Juli Urlaubsgeld in Höhe von DM 500.
Die Klägerin erhielt für die Tochter A. sowie für zwei weitere Kinder Kindergeld, ab August 1999 hatte der Beklagte die Kindergeldzahlungen für A. auf Hinweis der Klägerin, ihre Tochter habe die Berufsausbildung beendet, eingestellt.
Der Beklagte hob mit Bescheid vom 1. Dezember 1999 die Festsetzung von Kindergeld für die Tochter A. ab Januar 1999 auf und forderte danach für die Monate Januar bis Juli 1999 zuviel gezahltes Kindergeld in Höhe von DM 2.100 zurück, da nach seiner Berechnung die Einkünfte und Bezüge der Tochter A. unter Berücksichtigung der Pauschbeträge die Einkunftsgrenze überschritten. Die Klägerin legte Einspruch ein, soweit der Beklagte Kindergeld für die Monate Januar bis Juni 1999 aufgehoben hatte. Im Einspruchsverfahren machte sie erhöhte Werbungskosten, unter anderem für eine doppelte Haushaltsführung und Fahrtkosten geltend. Der Einspruch blieb ohne Erfolg, da nach Auffassung des Beklagten die Einkünfte und Bezüge bis Juli 1999 über der Einkunftsgrenze lägen.
Die Klägerin hat fristgerecht Klage erhoben. Sie wiederholt und vertieft ihr bisheriges Vorbringen, insbesondere legte sie den von ihrer Tochter im August 1996 abgeschlossenen Mietvertrag sowie den Bescheid über die Festsetzung der Zweitwohnungssteuer vom 18. Juni 1999 vor. Auf die Aufstellung der von ihr geltend gemachten Werbungskosten sowie die Erklärung zu den Werbungskosten eines über 18 Jahre alten Kindes wird Bezug genommen.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid vom 1. Dezember 1999 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 18. Januar 2000 aufzuheben und ihr Kindergeld für ihre Tochter A. für Januar bis Juni 1999 zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig und begründet.
Der Beklagte hat die Festsetzung des Kindergeldes für A. zu Unrecht aufgehoben. Dadurch ist die Klägerin in ihren Rechten verletzt (§ 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung – FGO –). Der Klägerin stand Kindergeld zumindest für den Zeitraum Januar bis Juni 1999 gemäß §§ 62 Abs. 1 Nr. 1; 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 in Verbindung mit § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe a, Sätze 2, 5 und 6 Einkommensteuergesetz – EStG – zu.
Danach wird ein Kind für das Kindergeld berücksichtigt, wenn es das 18. aber noch nicht das 27. Lebensjahr vollendet hat – wie die Tochter A. der Klägerin – und für einen Beruf ausgebildet wird und Einkünfte und Bezüge, die zur Bestreitung des Unterhalts oder der Berufsausbildung bestimmt oder geeignet sind, von nicht mehr als DM 13.020 im Kalenderjahr hat. Der Betrag ermäßigt sich...