Entscheidungsstichwort (Thema)
Anfechtbarkeit eines zweiten Kindergeldbescheids für denselben Zeitraum trotz Bestandskraft des „Erstbescheids”
Leitsatz (redaktionell)
Hat die Familienkasse durch einen bestandskräftig gewordenen Bescheid die Festsetzung von Kindergeld abgelehnt, entscheidet sie aber nach erneuter Sachaufklärung und Anforderung von Unterlagen später vollumfänglich neu über den streitigen Zeitraum und stellt sie durch den Erlass eines weiteren Ablehungsbescheids klar, dass sie erneut in der Sache über die Voraussetzungen der Kindergeldgewährung entscheiden wollte, so ist dieser „Zweitbescheid” ein selbständig anfechtbarer neuer Verwaltungsakt. Die Bestandskraft des Erstbescheids steht dem nicht entgegen.
Normenkette
EStG § 70; AO 1977 §§ 118, 172, 348, 351
Tenor
Unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 20. August 2004 wird der Bescheid vom 23. März 2004 dahingehend geändert, dass Kindergeld für den Sohn A… für den Zeitraum März 2001 bis Mai 2001 gewährt wird.
Bis zur mündlichen Verhandlung werden die Kosten des Verfahrens zu 80% der Klägerin und zu 20% der Beklagten auferlegt. Ab der mündlichen Verhandlung trägt die Beklagte die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten für die Klägerin vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Tatbestand
Die Klägerin ist Mutter ihres im Januar 1980 geborenen Sohnes A…
Mit Bescheid vom 25. März 2003 lehnte die Beklagte die Festsetzung des Kindergeldes für A… für den Zeitraum Februar 2001 bis März 2002 ab. Der hiergegen erhobene Einspruch hatte keinen Erfolg. Gegen die Einspruchsentscheidung vom 22. April 2003 hat die Klägerin keine Klage erhoben. Sie ist bestandskräftig geworden.
Mit im Januar 2004 bei der Beklagten eingegangenem Antrag begehrte die Klägerin, erneut über den Zeitraum Februar 2001 bis März 2002 zu entscheiden. Sie gab an, ihr Sohn habe die ursprüngliche Lehre aufgrund eines schweren Verkehrsunfalls abbrechen müssen. Ab November 2000 habe er sich um einen neuen Ausbildungsplatz bemüht. Vom 18. Juni 2001 bis Februar 2002 habe er eine ABM-Stelle mit einer Wochenarbeitszeit von 40 Stunden innegehabt. Zuvor sei er arbeitslos gemeldet gewesen.
Die Beklagte teilte im Februar 2004 mit, dass der Sohn der Klägerin nur als ausbildungsplatzsuchendes Kind berücksichtigt werden könne und forderte die Klägerin auf, entsprechende Nachweise vorzulegen. Die Klägerin legte daraufhin eine Bewerbung aus März 2001 vor.
Mit Bescheid vom 23. März 2004 lehnte die Beklagte die Festsetzung des Kindergeldes für den Zeitraum Februar 2001 bis März 2002 erneut ab. Die Klägerin legte hiergegen Einspruch ein und beschwerte sich über die Art der Bearbeitung. Daraufhin erhielt sie eine detaillierte Stellungnahme der Beklagten mit der Aufforderung, weitere Bewerbungsunterlagen vorzulegen.
Die Klägerin reichte insgesamt vier Bestätigungen von Firmen zu den Akten, danach hat sich ihr Sohn A… zumindest in den Monaten April und Mai 2001 um einen Ausbildungsplatz bemüht, zwei der Firmen bestätigten lediglich, dass sich A… im Jahr 2001 bei ihnen beworben habe. Mit Einspruchsentscheidung vom 20. August 2004 wurde der Einspruch als unbegründet zurückgewiesen. Zur Begründung gab die Beklagte an, der ablehnende Bescheid vom 25. März 2003 sei bestandskräftig geworden, da bereits über den gleichen Zeitraum entschieden worden sei.
Die Klägerin hat fristgerecht Klage erhoben. Sie wiederholt und vertieft ihr bisheriges Vorbringen. In der mündlichen Verhandlung schränkte die Klägerin ihr Klagebegehren auf den Zeitraum März bis Mai 2001 ein.
Die Klägerin beantragt,
unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 20. August 2004 den Bescheid vom 23. März 2004 dahingehend zu ändern, dass Kindergeld für den Sohn A… für den Zeitraum März bis Mai 2001 gewährt wird.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig und begründet.
Die Beklagte hat die Festsetzung des Kindergeldes für das Kind A… für den Zeitraum März bis Mai 2001 zu Unrecht abgelehnt. Dadurch ist die Klägerin in ihren Rechten verletzt, § 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung – FGO –.
Für den streitigen Zeitraum ist das Kind A… als ausbildungsplatzsuchendes Kind gemäß § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe c Einkommensteuergesetz – EStG – für das Kindergeld zu berücksichtigen. Dies ist zwischen den Beteiligten unstreitig.
Anders als die Beklagte meint steht der – ursprüngliche – ablehnende und bestandskräftig gewordene Bescheid vom 25. März 2003 einer Berücksichtigung von A… für das Kindergeld nicht entgegen. Dies wäre nur dann der Fall, wenn es sich bei dem vorliegend angefochtenen Bescheid vom 23. März 2004 um einen schlichten wiederholenden Verwaltungsakt gehandelt hätte, der keine eigenständige Regelung im Sinne des § 118 Abgabenordnung – AO – zum Gegenstand seiner Entscheidung gehabt hätte. Dazu wäre erfor...