Entscheidungsstichwort (Thema)
Investitionszulage 1993
Tenor
Der Bescheid vom 03.11.1995 und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung vom 29.04.1996 werden aufgehoben. Der Beklagte wird verpflichtet, die Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin abwenden, sofern die Klägerin nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Beschluß:
Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
Gründe
Gegenstand des Unternehmens der Klägerin ist die Erbringung von Dienstleistungen, insbesondere die Glas-, Gebäude- und Fassadenreinigung. Die mit jeweils 50 % an der Klägerin beteiligten Gesellschafter Rolf und Olaf A… gründeten die Klägerin mit Gesellschaftsvertrag vom 01.01.1993. Rolf A… brachte hierzu sein bisheriges Einzelunternehmen, die „X… Glas- und Gebäudereinigung”, mit allen zum 31.12.1992 bestehenden Aktiva und Passiva in die Gesellschaft ein.
Nachdem die Klägerin am 02.08.1994 beim Beklagten ihre einheitliche und gesonderte Erklärung zur Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für die Einkommensbesteuerung und die Gewerbesteuererklärung für das Kalenderjahr 1993 eingereicht hatte, übersandte der Beklagte der Klägerin am 18.08.1994 einen Fragebogen nebst Anschreiben betreffend die Anmeldung einer Gesellschaft. Das Anschreiben enthält in Klammern den Zusatz „Ummeldung Einzelunternehmen in GbR”.
Der Investitionszulageantrag für das Kalenderjahr 1993, mit dem eine Investitionszulage in Höhe von 14.096,00 DM beantragt wurde, trägt die Unterschrift des alleinvertretungsberechtigen Gesellschafters Otto A…. Als Anspruchsberechtigter ist in Zeile 2 des Zulageantrags Rolf A… genannt. In Zeile 38 des Antrags mit der Überschrift „nur bei Personengesellschaften” ist die Angabe angekreuzt, daß im Zeitpunkt des Investitionsabschlusses mehr als die Hälfte der Anteile unmittelbar natürlichen Personen mit Haupt- oder Familienwohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt am 09.11.1989 in der ehemaligen DDR zuzurechnen sind. Die Zeilen 43 – 46 des Antrags enthalten als ergänzende Angaben bei Personengesellschaften die Namen und Adressen der im Wirtschaftsjahr unmittelbar beteiligten natürlichen Personen Rolf und Olaf A… sowie deren Beteiligungsverhältnisse.
Der Beklagte lehnte mit Bescheid vom 03.11.1995 den Erlaß eines Investitionszulagebescheides ab. Zur Begründung führte er aus, durch den eingereichten Zulageantrag könne kein Zulageverfahren für die Klägerin begonnen werden, weil im Antragsformular ausdrücklich Rolf A… als Anspruchsberechtigter genannt sei und ein fristgemäßer Antrag für die Klägerin nicht vorliege.
Der Einspruch der Klägerin blieb erfolglos. Zur Begründung seiner Einspruchsentscheidung führte der Beklagte u.a. aus, der Zulageantrag könne nicht in einen Antrag der Klägerin umgedeutet werden. Der Beklagte könne vielmehr darauf vertrauen, daß Investitionszulageanträge vollständig ausgefüllt seien.
Mit ihrer daraufhin eingelegten Klage macht die Klägerin geltend, sie habe den Investitionszulageantrag nicht für Rolf A… stellen wollen. Dies ergebe sich aus den Zeilen 38 ff des Antrags. Die Angabe von Rolf A… als Anspruchsberechtigten in der Zeile 2 des Antrags sei deshalb umzudeuten. Das Bestehen der GbR sei dem Finanzamt zumindest seit dem 02.08.1994 bekannt. Dies zeige auch das Schreiben des Beklagten vom 18.08.1994. Die Angabe des Rolf A. als Anspruchsberechtigten in Zeile 2 des Zulageantrags sei irrtümlich – in Anlehnung an den Investitionszulageantrag 1992 – erfolgt.
Der Beklagte habe seine Fürsorgepflicht verletzt, indem er sie, die Klägerin, nicht zur Stellungnahme und zur Berichtigung des Zulageantrags aufgefordert habe.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid vom 03.11.1995 und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung vom 29.04.1996 aufzuheben sowie den Beklagten zu verpflichten, die Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden, und die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen, hilfsweise die Revision zuzulassen.
Zur Begründung wiederholt er im wesentlichen sein Vorbringen in der Einspruchsentscheidung.
Die zulässige Klage ist begründet.
Die Ablehnung des Erlasses eines Investitionszulagebescheides für das Kalenderjahr 1993 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 101 Satz 1 Finanzgerichtsordnung – FGO –). Die Klägerin hat dem Grunde nach Anspruch auf Investitionszulage, denn sie hat formwirksam und innerhalb der Frist des § 6 Abs. 1 Investitionszulagengesetz 1993 – InvZulG – einen Investitionszulageantrag für 1993 gestellt. Es kann insofern dahinstehen, ob der Beklagte seine Fürsorgepflicht verletzt hat, indem er die Klägerin nicht zur Stellungnahme und zur Berichtigung des Zulagea...