Entscheidungsstichwort (Thema)
Verpflichtung zur Änderung einer unrichtigen gerichtlichen Streitwertfestsetzung von Amts wegen. Streitwert einer Untätigkeitsklage
Leitsatz (redaktionell)
1. Von einem Beteiligten erhobene Einwendungen gegen eine gerichtliche Streitwertfestsetzung sind als Antrag auf Änderung nach § 63 Abs. 3 Satz 1 des Gerichtskostengesetzes (GKG) zu verstehen.
2. Trotz der Formulierung des § 63 Abs. 3 Satz 1 GKG als „Kann-Bestimmung” handelt es sich nicht um eine Ermessensvorschrift, sondern das Gericht ist verpflichtet, den Streitwertbeschluss zu ändern, wenn er mit der Prozessrechtslage nicht übereinstimmt; das Verbot der Schlechterstellung gilt hier nicht. Gegenstand der „Kann-Regelung” ist insoweit allein die Bestimmung der Zuständigkeit für die vorzunehmende Änderung. Die Unrichtigkeit einer Wertfestsetzung berechtigt das Prozessgericht deshalb unter anderem auch dann zur Änderung, wenn sie darauf beruht, dass das Gericht bei der Festsetzung wesentliche Gesichtspunkte übersehen hat oder nach erfolgter Festsetzung neue Gesichtspunkte zutage treten.
3. Der Streitwert im Falle einer Untätigkeitsklage ist mit 10 % des streitigen Steuerbetrages anzunehmen, wenn die Klage (abweichend vom Inhalt des § 46 Abs. 1 FGO) nur auf das Tätigwerden der beklagten Behörde gerichtet ist. Ist die Untätigkeitsklage demgegenüber entsprechend der Ausgestaltung des § 46 Abs. 1 FGO darauf gerichtet, dass das angerufene Finanzgericht selbst in der Sache entscheidet, ist der streitige Steuerbetrag in voller Höhe als Streitwert in Ansatz zu bringen.
Normenkette
GKG § 63 Abs. 3 Sätze 1-2, § 52 Abs. 1-3; FGO § 46 Abs. 1, § 79a Abs. 1 Nr. 4
Tenor
Die Festsetzung des Streitwertes in dem Beschluss vom 23. Juni 2009 wird dahingehend geändert, dass der Streitwert für das Verfahren 2.032,80 Euro beträgt.
Tatbestand
I.
Mit Bescheid vom 06. Dezember 2005 hob die Beklagte die Festsetzung des Kindergeldes für ein Kind mit Wirkung ab Januar 2006 auf. Die Beklagte ließ den dagegen gerichteten, fristgerecht erhobenen Einspruch zunächst unbeantwortet. Der Kläger erhob am 14. Februar 2008 bei dem Sozialgericht S. Untätigkeitsklage, die das Sozialgericht S. mit Beschluss vom 03. März 2008 an das Finanzgericht verwiesen hat. Im Rahmen dieser Klage wurde ein Klageantrag nicht ausdrücklich formuliert bzw. angekündigt. Zur Klagebegründung schilderte der Kläger den Ablauf des Verwaltungs- und Einspruchsverfahrens und die von ihm unternommenen Bemühungen, das Einspruchsverfahren voranzutreiben. Im Verlaufe des finanzgerichtlichen Verfahrens half die Beklagte dem Begehren zunächst durch Festsetzung des Kindergeldes für das Jahr 2006 ab. Auf Nachfrage des Gerichts, ob im Hinblick auf diese Reaktion der Beklagten eine verfahrensbeendende Prozesserklärung abgegeben werde, teilte der Bevollmächtigte des Klägers mit, dass dies nicht möglich sei, weil für das Jahr 2007 noch keine Nachzahlung erfolgt sei. In der Folgezeit legte der Kläger die zur Prüfung des für 2007 geltend gemachten Anspruches erforderlichen Erklärungen und Belege vor. Nach entsprechender Prüfung setzte die Beklagte sodann auch Kindergeld für 2007 fest. Danach erklärten die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt.
Der Berichterstatter bestimmte mit Beschluss vom 23. Juni 2009, dass die Beklagte die Kosten des in der Hauptsache erledigten Verfahrens zu tragen habe, und setzte den Streitwert für das Verfahren auf (24 Monate a 154,00 Euro =) 3.696,00 Euro fest.
Die Beklagte legte dem Gericht mit Schriftsatz vom 08. Juli 2009 dar, dass ihrer Auffassung zufolge entsprechend der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes lediglich 10 v.H. der letztlich streitigen Summe als Streitwert anzunehmen sei, weil lediglich eine Untätigkeitsklage vorgelegen habe. Der hierzu angehörte Kläger vertritt die Auffassung, dass die Streitwertfestsetzung nicht zu beanstanden sei. Es sei nicht einzusehen, dass das Fehlverhalten der Beklagten durch eine Verminderung des Streitwertes honoriert werde. Abgesehen davon, dass sich die Beklagte zur Begründung ihrer Rüge auf etwa 40 Jahre alte Entscheidungen berufe, werde eine Streitwertreduzierung mutmaßlich Anreizwirkung haben, das bisherige Fehlverhalten – die Untätigkeit – in vergleichbaren Fällen auch weiterhin beizubehalten.
Entscheidungsgründe
II.
1. Das Gericht wertet die von der Beklagten erhobenen Einwände gegen die erfolgte Festsetzung des Streitwertes als Anregung, den festgesetzten Streitwert von Amts wegen zu ändern.
2. Die Änderung der mit Beschluss vom 23. Juni 2009 vorgenommenen Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 3 des Gerichtskostengesetzes (GKG) in Verbindung mit § 79 a Abs. 1 Nr. 4 der Finanzgerichtsordnung (FGO).
Nach § 63 Abs. 3 Satz 1 GKG kann das Gericht die von ihm getroffene Entscheidung über den Streitwert von Amts wegen ändern. Dabei ist die in § 63 Abs. 3 Satz 2 GKG geregelte Frist – deren Einhaltung im vorliegenden Verfahren zweifelsfrei ist – zu beachten.
Trotz der Formulierung des § 63 Abs. 3 Satz 1 GKG a...