rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Schlechterstellung eingetragener Lebenspartner gegenüber Ehegatten beim Lohnsteuerabzug. Einstweiliger Rechtsschutz durch Aussetzung der Vollziehung
Leitsatz (redaktionell)
1. An der Rechtmäßigkeit der Ungleichbehandlung von Ehegatten einerseits und eingetragenen Lebenspartnern andererseits im Hinblick auf die Zusammenveranlagung und den vorhergehenden Lohnsteuerabzug anhand von Steuerklassen im Einkommensteuerrecht bestehen ernstliche Zweifel.
2. Bei Ablehnung der Änderung der Lohnsteuerklasse von eingetragenen Lebenspartnern ist der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des ablehnenden Bescheides nach § 69 Abs. 3 FGO – und nicht der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 114 FGO – die statthafte Rechtsschutzform des einstweiligen Rechtsschutzes.
3. Der Antrag eines Lebenspartners, der selbst keinen Arbeitslohn bezieht, auf Änderung seiner Lohnsteuerklasse von I nach V ist unzulässig.
Normenkette
EStG §§ 38b, 26 Abs. 1 S. 2, § 26b; GG Art. 3 Abs. 1; FGO § 69 Abs. 3, 2 S. 2, § 114
Tenor
Der hinsichtlich des Antragstellers zu 1. ergangene Bescheid über den Wechsel der Steuerklasse vom 16. November 2011 wird insoweit von der Vollziehung ausgesetzt, dass ab dem 01. Januar 2012 bis zum Abschluss des Einspruchsverfahrens, spätestens aber bis 1 Monat nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung, beim Antragsteller zu 1. vorläufig die Lohnsteuerklasse III berücksichtigt wird.
Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
Der Antragsgegner hat die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers zu 1. zu tragen. Der Antragsteller zu 2. hat seine eigenen außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen. Die Gerichtskosten haben der Antragsteller zu 2. sowie der Antragsgegner jeweils zu Hälfte zu tragen.
Die Beschwerde wird zugelassen.
Tatbestand
I
Die Antragsteller als Partner einer eingetragenen Lebenspartnerschaft begehren im Wege der Aussetzung der Vollziehung eine vorläufige Änderung der Lohnsteuerklassen für das Jahr 2012 in die ausweislich des Gesetzeswortlautes des § 38 b des Einkommensteuergesetzes (EStG) nur für verheiratete Steuerpflichtige mögliche Kombination III und V.
Die Antragsteller sind am 15. November 2011 vor dem Standesamt D. eine Lebenspartnerschaft nach dem Lebenspartnerschaftsgesetz (LPartG) eingegangen, die im Lebenspartnerschaftsregister eingetragen wurde. Beide Antragsteller leben nicht dauernd getrennt und sind unbeschränkt einkommensteuerpflichtig. Lediglich der Antragsteller zu 1. bezog im Jahr 2011 Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit.
Ebenfalls am 15. November 2011 beantragten die Antragsteller beim Antragsgegner die Änderung der Lohnsteuerklassen auf der Lohnsteuerkarte für den Antragsteller zu 1. von I in III und für den Antragsteller zu 2. von I in V.
Diese Anträge lehnte der Antragsgegner mit Bescheiden vom 16. November 2011 mit der Begründung ab, dass die jetzige Rechtslage für die Veranlagung von eingetragenen Lebenspartnern nur die Einzelveranlagung und somit den Grundtarif vorsehe.
Hiergegen legten die Antragsteller mit Schreiben vom 06. Dezember 2011 Einspruch ein, über den der Antragsgegner noch nicht entschieden hat. Gleichzeitig beantragten sie, die Vollziehung der Ablehnung der Änderung der Steuerklassen aufzuheben. Zur Begründung trugen sie im wesentlichen vor, dass § 38 b EStG, der die Lohnsteuerklassen regele, im Hinblick auf den Familienstand der Lebenspartnerschaft lückenhaft sei, weil dort der Familienstand „verpartnert” nicht geregelt sei, die Antragsteller aber weder ledig seien noch verheiratet. Die Antragsteller als eingetragene Lebenspartner müssten im Ergebnis aber nicht wie ledige, sondern vielmehr wie verheiratete Steuerpflichtige behandelt werden, da die Lebenspartnerschaft in einkommensteuerlicher Hinsicht eher einer Ehe entspreche. Dies ergebe sich aus den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 07. Juli 2009 zur betrieblichen Hinterbliebenenversorgung für die Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes (1 BvR 1164/07, BVerfGE 124, 199) sowie vom 21. Juli 2010 zur Verfassungswidrigkeit der Ungleichbehandlung von Ehe und eingetragener Lebenspartnerschaft im Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz (1 BvR 611/07, 1 BvR 2464/07, BVerfGE 126, 400). Dort habe das BVerfG ausgeführt, wann und unter welchen Voraussetzungen Ehepartner im Verhältnis zu Lebenspartnern begünstigt werden dürfen. In diesem Zusammenhang sei zu beachten, dass das geltende Einkommensteuerrecht im Unterschied zur früheren Regelung die Privilegierung der Ehe nicht vom Vorhandensein gemeinsamer Kinder abhängig mache.
Mit Bescheiden vom 21. Dezember 2011 lehnte der Antragsgegner die Anträge auf Aussetzung der Vollziehung ab. Hiergegen legten die Antragsteller mit Schreiben vom 03. Januar 2012 Einspruch ein, über den der Antragsgegner noch nicht entschieden hat.
Am 03. Januar 2012 suchten die Antragssteller um Aussetzung der Vollziehung durch das Gericht nach. Zur Begründung, auf welche hinsichtlich der Einzel...