Entscheidungsstichwort (Thema)
Übernahme der vom Verpächter von Energienetzen geschuldeten, vom Pächter übernommenen Konzessionsabgaben für die Nutzung öffentlicher Wege und Plätze als umsatzsteuerpflichtiges Entgelt für die Verpachtung der Energienetze. Rechtsschutzbedürfnis für Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des Folgebescheids (hier: Nachzahlungszinsen nach § 233a AO)
Leitsatz (redaktionell)
1. Im Verfahren der Aussetzung der Vollziehung: Hat die Steuerpflichtige ihr Gas- und Elektrizitätsverteilnetz nebst den den Netzen zuzuordnenden Grundstücken an eine Pächterin verpachtet sowie selbst hinsichtlich der Nutzung der öffentlichen Wege und Plätze durch die Verlegung und auch den Betrieb der Energienetze Konzessionsverträge mit der Kommune als Eigentümerin der betreffenden Flächen geschlossen, nach denen die Steuerpflichtige als Gegenleistung für die Flächennutzung an die Kommune jährlich zu zahlende Konzessionsabgaben zu zahlen hat, und muss die Pächterin als Nebenpflicht zum Pachtvertrag auch diese Konzessionsabgaben übernehmen, so gehören die von der Pächterin unmittelbar an die Kommune gezahlten Konzessionsabgaben zum umsatzsteuerbaren und umsatzsteuerpflichtigen Entgelt der Steuerpflichtigen für die Verpachtung der Energienetze.
2. § 48 EnWG schafft keine gesetzliche Anspruchsgrundlage bzw. Zahlungsverpflichtung. Gem. der Legaldefinition des § 48 Abs. 3 EnWG ist Schuldner der Konzessionsabgabe das Energieversorgungsunternehmen, dem das Wegerecht nach § 48 Abs. 1 EnWG eingeräumt wurde. Die Zahlungspflicht knüpft daher an das zivilrechtliche Vertragsverhältnis an. Konzessionsabgaben sind nur zu zahlen, soweit sie auch vereinbart worden sind.
3. Ist die sich aus dem Grundlagenbescheid ergebende Steuerschuld bereits getilgt und kommt deshalb ein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des Grundlagenbescheides (hier: Umsatzsteuerbescheide) nicht in Betracht, ist ausnahmsweise ein Rechtsschutzbedürfnis für den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung eines Nachzahlungszinsbescheids als Folgebescheid zu bejahen, weil der Steuerpflichtige anderenfalls überhaupt keinen vorläufigen Rechtsschutz gegen die steuerlichen Auswirkungen des Grundlagenbescheids erlangen könnte (vgl. BFH-Urteil v. 29.10.1987, VIII R 413/83, BFHE 151, 319, BStBl II 1988, 240; BFH-Beschluss v. 31.1.1968, I B 49/67, BFHE 91, 347, BStBl II 1968, 350; a.A. FG Köln, Beschluss v. 29.01.2018, 15 V 3279/17, EFG 2018, 527). Von dem Steuerpflichtigen kann dann auch nicht verlangt werden, zur Erreichung der Aussetzung der Vollziehung des Folgebescheides ggf. zunächst die Aufhebung der Vollziehung des Grundlagenbescheides zu beantragen. Dies gilt jedenfalls, wenn, wie vorliegend, die Grundlagenbescheide (noch) angefochten sind und (von der Tilgung des offenen Nachzahlungsbetrages abgesehen) eine Aussetzung der Vollziehung grundsätzlich in Betracht käme.
Normenkette
FGO § 40 Abs. 2, § 69 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 1, Abs. 7; AO § 233a Abs. 5 S. 1; UStG § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 10 Abs. 1 Sätze 1-2, 6; MwStSystRL Art. 2 Abs. 1, Art. 73, 79 Abs. 1 Buchst. c; EnWG §§ 46, 48 Abs. 1, 3
Tenor
Die Bescheide über Zinsen zur Umsatzsteuer für 2015 und 2016 vom 8. Januar 2019 werden in folgender Höhe von der Vollziehung ausgesetzt:
- Zinsen zur Umsatzsteuer für 2015 i.H.v. EUR,
- Zinsen zur Umsatzsteuer für 2016 i.H.v. EUR,
Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
Die Aussetzung der Vollziehung ist befristet bis zum rechtskräftigen Abschluss des jeweiligen Einspruchsverfahrens, längstens aber bis zum Ablauf eines Monats nach Bekanntgabe der jeweiligen Einspruchsentscheidung.
Die Kosten des Verfahrens hat die Antragstellerin zu tragen.
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten sich um die umsatzsteuerrechtliche Behandlung von Nebenleistungen zu einem zwischen der Antragstellerin (Verpächterin) und der B GmbH (Pächterin) geschlossenen Pachtvertrag über Anlagevermögen, insbesondere über die Frage, ob die Erstattung der von der Antragstellerin an die Stadt Z gezahlten Konzessionsabgabe für die Nutzung von Wegen und Plätzen zum Zwecke des Netzbetriebes durch die B GmbH der Umsatzsteuer unterliegt.
Die Antragstellerin ist Eigentümerin eines Gas- und Elektrizitätsverteilnetzes nebst Informations- und Leittechnik sowie Komponenten des Mess- und Zählwesens im Stadtgebiet von Z.
Sie hatte hinsichtlich der Nutzung der öffentlichen Wege und Plätze durch die Verlegung und auch den Betrieb (den die Antragstellerin zum damaligen Zeitpunkt noch selbst durchführte) der Energienetze Konzessionsverträge mit der Stadt Z als Eigentümerin der betreffenden Flächen geschlossen, nach denen die Antragstellerin als Gegenleistung für die Flächennutzung an die Stadt eine jährlich zu zahlende Konzessionsabgabe zahlt, die sich nach den Höchstsätzen der Konzessionsabgabenverordnung (KAV) bemessen sollte, mithin an die tatsächlich erfolgten Strom- bzw. Gaslieferungen gekoppelt war.
Wegen der durch § 7 des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) vom 7. Juli 2005 angeordneten rechtlichen Entflechtung sog. vertikal integrierter Ener...