rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Kindergeldanspruch bei Bezug von Sozialleistungen. Vorläufigkeit. Kongruenz der Leistungen. Informationspflicht des Sozialleistungsträgers

 

Leitsatz (redaktionell)

1. § 102 Abs. 1 SGB X gilt nur für solche vorläufigen Leistungen, die ihre Grundlage in einer Ungewissheit über die Leistungszuständigkeit des angegangenen Leistungsträgers haben. Die hinreichende Bestimmtheit des Vorläufigkeitsvermerks in dem entsprechenden Bewilligungsbescheid erfordert Angaben dazu, für welches Kind ein Kindergeldanspruch zu prüfen sein könnte.

2. Aus dem Umstand, dass sich der Anspruch nach dem Wortlaut des § 103 Abs. 1 SGB X bzw. § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X gegen den für die entsprechende Leistung zuständigen Leistungsträger richtet und es sich nach dem Gesetzeswortlaut um einen Erstattungsanspruch handelt, erschließt sich, dass die von dem erstattungsberechtigten Leistungsträger erbrachte Leistung und die von dem „zuständigen Leistungsträger” geschuldete Leistung in sachlicher, zeitlicher und persönlicher Hinsicht kongruent sein müssen.

3. Der Sozialleistungsträger muss die Familienkasse über die Gewährung ungekürzter Sozialleistungen informieren, wenn er vermeiden will, dass ein Leistungsempfänger und Kindergeldberechtigter durch Kindergeld einerseits und ungekürzte Sozialleistungen andererseits doppelt begünstigt wird.

 

Normenkette

AO § 37 Abs. 2 S. 1; EStG § 31 S. 3, § 74 Abs. 2; SGB X § 33 Abs. 1, § 102 Abs. 1, § 103 Abs. 1, § 104 Abs. 1 S. 1, § 107 Abs. 1

 

Tenor

Das Verfahren wird eingestellt zum einen in Bezug auf die 120,00 Euro, die die Beklagte mit Bescheid vom 25. Oktober 2018 von dem ursprünglichen Rückforderungsbetrag (3.468,00 Euro) abgesetzt hat, und zum anderen, soweit Streitgegenstand die Rückforderung des für die Monate Mai 2017 bis September 2017 ausgezahlten Kindergeldes in Höhe von 1.920,00 Euro ist.

Der Bescheid der Familienkasse vom 13. April 2018 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 01. August 2018 und des Änderungsbescheides vom 25. Oktober 2018 wird aufgehoben, soweit von der Klägerin ein Betrag von mehr als 2.634,00 Euro zurückgefordert wird.

Die Klägerin hat drei Viertel und die Beklagte ein Viertel der Kosten des Verfahrens zu tragen. Davon ausgenommen sind die der Beigeladenen ggf. entstandenen Aufwendungen, die nicht erstattet werden.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Rückzahlung von Kindergeld für den Zeitraum von Mai 2017 bis September 2017 und von Dezember 2017 bis März 2018.

Die Klägerin ist Mutter des am (…) geborenen Kindes B des am (…) geborenen Kindes C und des am (…) geborenen Kindes D

Die Klägerin beantragte im Dezember 2017 Kindergeld für ihre beiden Söhne C und D. Dabei gab sie an, dass sie bislang – nämlich bis August 2017 – Kindergeld in Rumänien bezogen habe. Ihre Söhne lebten seit dem 15. September 2017 in X.

Mit Schreiben vom 14. Dezember 2017 meldete das Jobcenter bei der Familienkasse Erstattungsansprüche gemäß den §§ 102 ff. des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches an. Dazu teilte das Jobcenter mit, dass die Klägerin mit den mit ihr in der Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen, nämlich D und B seit dem 01. Dezember 2017 Leistungen beziehe. Die Höhe der Leistungen wurde nicht angegeben, allerdings darauf hingewiesen, dass die Auszahlung der Leistungen für den Folgemonat jeweils zum 20. des laufenden Monates erfolgen.

Mit Bescheid vom 15. März 2018 setzte die Familienkasse Kindergeld für beide Söhne der Klägerin – C und D – ab Oktober 2017 fest, brachte das Kindergeld aber mit Rücksicht auf das Erstattungsverlangen des Jobcenters in Bezug auf den Festsetzungszeitraum bis einschließlich April 2018 zunächst nicht zur Auszahlung.

Mit einem zweiten Schreiben vom 15. März 2018 teilte die Familienkasse dem Jobcenter mit, dass der Klägerin für ihre beiden Söhne C und D ab Oktober 2017 Kindergeld in Höhe von insgesamt 384,00 Euro monatlich und ab Januar 2018 in Höhe von insgesamt 388,00 Euro monatlich zustehe. Für das am 08. Juli 2003 geborene Kind B sei kein Antrag gestellt worden. Bis April 2018 errechne sich hieraus ein Gesamtbetrag in Höhe von 2.704,00 Euro. Die Familienkasse verband diese Mitteilung mit der Aufforderung, den Erstattungsanspruch nunmehr hinsichtlich Zahlungszeitraum und Betrag zu konkretisieren und auch die Personen anzugeben, für die eine Erstattung beantragt werde.

Mit Schreiben vom 23. März 2018 konkretisierte das Jobcenter unter Bezugnahme auf die Anspruchsanmeldung vom 14. Dezember 2017 seinen Erstattungsanspruch dahingehend, dass Erstattung gemäß § 102 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches verlangt werde für A und die mit ihr in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen. Die mit A in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Person...

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