Umqualifizierung einer Witwenrente in eine Unfallrente

Ist wegen rückwirkender Zubilligung einer Rente der Anspruch auf eine bisher gewährte Sozialleistung ganz oder teilweise weggefallen und steht dem Leistenden deswegen gegenüber dem Rentenversicherungsträger ein Erstattungsanspruch zu, sind die bisher gezahlten Sozialleistungen in Höhe dieses Erstattungsanspruchs als Rentenzahlungen anzusehen.

Die Rente gilt in dieser Höhe im Zeitpunkt der Zahlung der ursprünglichen Sozialleistungen als dem Leistungsempfänger zugeflossen. Das Finanzamt wird in diesem Fall die Steuerbescheide nach § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO (rückwirkendes Ereignis) ändern.

Rückforderung von Renten oder anderer Leistungen

Werden Renten oder andere Leistungen zurückgefordert, sind sie nach Auffassung der Finanzverwaltung (BMF, Schreiben v. 7.12.2011, IV C 3 - S 2257 - c/10/10005 :003) aber im Kalenderjahr der Rückzahlung von den entsprechenden Leistungen abzuziehen. Übersteigt in einem Kalenderjahr der zurückgezahlte Betrag den Betrag der zugeflossenen Leistungen, sei der übersteigende Betrag als negativer Betrag in der Rentenbezugsmitteilung anzugeben.

Fall des FG Düsseldorf: Umqualifizierung einer Witwenrente

In diesem Zusammenhang hatte das FG Düsseldorf über folgenden Fall zu entscheiden:

Der Klägerin wurde zunächst eine Witwenrente bewilligt, welche im Streitjahr 2020 der Besteuerung unterworfen wurde. Später wurde ihr von der Berufsgenossenschaft rückwirkend für die Zeit ab dem 31.12.2018 eine Rente aus der Unfallversicherung gewährt.

Die Rentenversicherung hatte daraufhin der Klägerin mitgeteilt, dass die Rente aus der Unfallversicherung auf die Witwenrente anzurechnen sei, der Bescheid der Rentenversicherung über die Höhe der Rente mit Wirkung für die Zukunft, d. h. den Beginn der laufenden Zahlungen aus der Unfallrente, im Fall der Klägerin zum 1.1.2021 aufgehoben werde und die bisherigen Zahlungen mit Ablauf des Monats Dezember 2020 eingestellt werden.

Für die Zeit vom 31.12.2018 bis zum 31.12.2020 gelte gegenüber der Klägerin allerdings die Erfüllungsfiktion von § 107 SGB X. Nach dieser Vorschrift seien die Leistungen der Rentenversicherung so zu behandeln, als wenn es sich um Zahlungen der Berufsgenossenschaft gehandelt habe. De-wegen seien die in dieser Zeit von der Rentenversicherung zu hoch geleisteten Zahlungen nicht von der Klägerin zurückzufordern, sondern es werde gem. § 103 SGB X Erstattung gegenüber der Berufsgenossenschaft geltend gemacht.

Unfallrente steuerfrei

Im Gegensatz zur Witwenrente ist eine Unfallrente nach § 3 Nr. 1a EStG steuerfrei. Die Klägerin begehrte daher die Änderung des Steuerbescheids 2020 nach § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO.

Finanzamt sieht kein rückwirkendes Ereignis

Das Finanzamt war aber der Auffassung, dass die Änderung des Rechtsgrundes der Rentenzahlung kein rückwirkendes Ereignis ist, sondern für Rentenzahlungen das Zu- und Abflussprinzip gilt, weshalb die im Jahr 2021 erfolgte Verrechnung der Rentenversicherung ihrer gegen die Klägerin bestehenden Rückzahlungsansprüche mit den Nachzahlungsansprüchen aus ihrer Unfallrente als im VZ 2021 zu berücksichtigende Rückzahlung anzusehen ist.

Soweit der Rückzahlungsbetrag im Jahr 2021 die in diesem Jahr zugeflossenen Rentenzahlungen übersteige, sei ein etwa entstehender Negativbetrag bei der Einkünfteermittlung zu berücksichtigen.

FG Düsseldorf entscheidet zugunsten der Klägerin

Dies sieht das FG Düsseldorf aber anders (Urteil v. 15.9.2022, 12 K 2702/21 E). Soweit der Rentenversicherung ein Erstattungsanspruch nach § 103 SGB X gegen die Berufsgenossenschaft zusteht, seien die bisher als Rentenzahlungen erfassten Zuwendungen als nach § 3 Nr. 1a EStG steuerfreie Zahlungen der Berufsgenossenschaft aus der gesetzlichen Unfallversicherung anzusehen.

Nach § 107 SGB X trete mit Entstehung des Erstattungsanspruches aus § 103 SGB X des Sozialversicherungsträgers, der geleistet hat, eine Erfüllungsfiktion dergestalt ein, dass die erbrachte Leistung als Leistung des anderen, zur Leistung verpflichteten Sozialversicherungsträgers, gilt. Der Erstattungsanspruch entstehe mit Bekanntgabe des leistungsgewährenden Bescheids des erstattungspflichtigen Leistungsträgers an den Leistungsberechtigten.

Kraft der Erfüllungsfiktion gelte der Sozialleistungsanspruch des Berechtigten sowohl faktisch wie rechtlich als erfüllt. Der Berechtigte darf die Leistung behalten. Der Sozialversicherungsträger, der gezahlt hat, habe keinen Anspruch auf Rückforderung gegen den Leistungsempfänger, denn der Leistungsausgleich finde nach den §§ 102 bis 107 SGB X allein zwischen den beteiligten Sozialversicherungsträgern statt.

Die davon abweichende Annahme des Finanzamts, die Klägerin habe im Jahr 2021 durch Verrechnung der Rentenversicherung Leistungen zurück gewährt, berücksichtige nicht die sich aus den Vorschriften des SGB X ergebende Rechtslage, nämlich dass sie gegenüber der Rentenversicherung zu keiner Rückzahlung verpflichtet war. Ihr Anspruch für die Jahre 2019 und 2020 auf Leistungen aus der Unfallrente sei durch die in den Vorjahren erfolgten Zahlungen der Witwenrente erfüllt und damit erloschen.

Entscheidung ist rechtskräftig  

Das FG hatte die Revision zugelassen. Mittlerweile ist die Entscheidung aber rechtskräftig. In vergleichbaren Fällen sollte sich auf die Entscheidung des FG Düsseldorf bezogen werden.


Schlagworte zum Thema:  Witwenrente, Rente, Einkommensteuer