Entscheidungsstichwort (Thema)
Kindergeldrechtliche Berücksichtigung des behinderungsbedingten Mehrbedarfs, einer Erwerbsunfähigkeitsrente sowie von Eingliederungshilfe eines volljährigen behinderten Kindes
Leitsatz (redaktionell)
1. Bei der Prüfung, ob ein über 27 Jahre altes, schwerbehindertes, ständig betreuungsbedürftiges Kind (Minderung der Erwerbsfähigkeit 100%), das in einer Werkstatt für Behinderte teilstationär untergebracht ist und ansonsten bei seiner Familie lebt, i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG 1996 außerstande ist, sich selbst zu unterhalten (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 15.10.1999 VI R 183/97, BStBl II 2000, 72), ist neben dem Grundbedarf in Höhe des sozialhilferechtlichen Existenzminimums zusätzlich, sofern kein Einzelnachweis erfolgt, jedenfalls ein behinderungsbedingter Mehrbedarf in Höhe des Pauschbetrages nach § 33b Abs. 3 Satz 3 EStG zu berücksichtigen (siehe auch R 180d Abs. 4 Satz 2 EStR 1998).
2. Zur Berücksichtigung von Eingliederungshilfe nach dem BSHG und Erwerbsunfähigkeitsrente bei der Prüfung des Kindergeldanspruchs für ein volljähriges schwerbehindertes Kind.
Normenkette
EStG § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 3, § 62 Abs. 1; EStR 1998 R 180d Abs. 4 S. 2; BSHG § 39; EStG § 33b Abs. 3 S. 3, § 63 Abs. 1
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Kindergeldberechtigung hinsichtlich des Sohnes des Klägers.
Der am … geborene Sohn … des Klägers ist schwerstbehindert. Aus einem ab 28. Juni 1993 gültigen Schwerbehindertenausweis ergibt sich, dass der Sohn des Klägers ständiger Begleitung bedarf und dass der Grad der Behinderung 100 beträgt. Im Schwerbehindertenausweis sind darüber hinaus die Merkzeichen G, H und RF eingetragen.
Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass der Grad der Behinderung bis zum 31. Dezember 1992 lediglich 50 betragen hat und dass der Sohn des Klägers ab 01. September 1977 bei der … GmbH als Hilfsarbeiter beschäftigt gewesen ist.
Hinsichtlich der Krankengeschichte des Sohnes des Klägers wird auf das mit Schriftsatz des Klägers vom 27. August 1999 vorgelegte nervenfachärztliche Gutachten von Dr. med. … vom 28. Mai 1993 Bezug genommen.
Auf Grund der Kündigung des seinerzeitigen Beschäftigungsverhältnisses mit den… GmbH ist der Sohn des Klägers in der Werkstatt für Behinderte …. teilstationär untergebracht und wird dort beschäftigt. Insoweit erhält er Eingliederungshilfe nach den Vorschriften des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG). Der Tagessatz der Eingliederungshilfe beträgt derzeit 62,79 DM, und betrug 1999 62,04 DM.
Der Sohn des Klägers bezieht Erwerbsunfähigkeitsrente vom Rentenversicherungsträger sowie Arbeitsentgelt aus der Beschäftigung in der Behindertenwerkstatt.
Die Erwerbsunfähigkeitsrente wird seit 01. Juli 1997 bezogen und betrug bis Juni 1998 insgesamt 1.248,55 DM monatlich. Danach betrug sie monatlich insgesamt 1.259,65 DM.
Der Arbeitslohn aus der Beschäftigung im … betrug ab 01. Juli 1997 monatlich 140 DM.
… lebt im Haushalt des Klägers. Dieser wurde durch Beschluss des Amtsgerichts … zum Betreuer seines Sohnes bestellt.
Am 06. Oktober 1998 beantragte der Kläger beim Beklagten Kindergeld. Diesen Antrag lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 16. November 1998 ab, da die maßgeblichen Einkommensgrenzen überschritten seien. Das Einspruchsverfahren ist erfolglos durchgeführt worden.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid vom 16. November 1998 in Gestalt des Einspruchsbescheides vom 09. März 1999 aufzuheben und ab 01. Juli 1997 Kindergeld festzusetzen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er vertritt die Ansicht, dass durch die Gewährung der Eingliederungshilfe für den Sohn des Klägers der behinderungsbedingte Mehrbedarf abgedeckt werde. Der Pauschbetrag für behinderungsbedingten Mehraufwand gemäss § 33 b Abs. 3 EStG werde durch diese Leistungen verbraucht, so dass eine darüber hinausgehende Berücksichtigung des Pauschbetrages nicht in Betracht komme. Zudem verweist der Beklagte darauf, dass die Behinderung des Kindes und die Unfähigkeit, sich selbst zu unterhalten, bereits vor Vollendung des 27. Lebensjahres vorgelegen haben müssten.
Der Berichterstatter hat mit den Beteiligten einen Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage abgehalten. Auf das Terminsprotokoll vom 25. November 1999 wird ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Entscheidung konnte ohne mündliche Verhandlung durch den Berichterstatter ergehen, denn die Beteiligten haben sich hiermit einverstanden erklärt (§§ 79 a Abs. 3, 4; 90 Abs. 2 FGO).
Die Klage ist zulässig und begründet.
Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 S. 1 FGO). Das Kindergeld war in gesetzlicher Höhe festzusetzen (§ 100 Abs. 2 S. 1 FGO).
Der Sohn des Klägers ist als Kind im Sinne von § 62 Abs. 1 S. 2 i.V.m. § 32 Abs. 4 Nr. 3 EStG zu berücksichtigen, denn er ist wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außer Stande, sich selbst zu unterhalten. Die Behinderung des Kindes ergibt sich ohne Weiteres daraus, dass das zuständige Amt für Versorgung und Soziales einen Sc...