Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufwandsentschädigungen für die Tätigkeit als ehrenamtlicher Bürgermeister sind steuerpflichtig. Beachtung von Verwaltungsanweisungen durch die Finanzgerichte. Einkommensteuer 1995–1997
Leitsatz (redaktionell)
1. Zahlungen, die ein ehrenamtlicher Bürgermeister aus der Kasse des Gemeindeverbandes als Aufwandsentschädigung erhält, sind nicht nach § 3 Nr. 12 EStG steuerbefreit, wenn sie – auch – für Verdienstausfall oder Zeitverlust gewährt worden sind und den erwachsenen Aufwand offenbar überstiegen haben.
2. Verwaltungsanweisungen (hier: Abschn. 13 Abs. 4 Satz 10 LStR 1996), die auf einer zutreffenden Verwaltungserfahrung beruhende Schätzungen beinhalten, sind aus Gründen der Gleichbehandlung auch von den Finanzgerichten zu beachten, solange sie nicht im Einzelfall zu einer offensichtlich unzutreffenden Besteuerung führen.
Normenkette
EStG 1990 § 3 Nr. 12 S. 2; EStG 1997 § 3 Nr. 12 S. 2; GG Art. 3 Abs. 1; LStR 1996 Abschn. 13 Abs. 4 S. 10
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Kläger.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Frage der Steuerfreiheit von Aufwandsentschädigungen aus dem Bereich der Kommunalverwaltung.
Die Kläger werden vom Beklagten zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Die Einkommensteuerbescheide auf Grund der Steuererklärungen für die Jahre 1995 und 1996 ergingen am 23. Dezember 1996.
Der Kläger ist hauptberuflich bei der Verwaltungsgemeinschaft … als Leiter des Ordnungsamtes angestellt, die Klägerin ist als Lehrerin tätig. Außerdem erzielt der Kläger Einkünfte aus Gewerbebetrieb als staatlich geprüfter Kastrierer. Der Kläger ist auch ehrenamtlicher Bürgermeister der Gemeinde … und erhält eine Aufwandsentschädigung für diese Nebentätigkeit. Im Jahre 1995 hat er insoweit unversteuert 7.000 DM, im Jahre 1996 10.080 DM und im Jahre 1997 13.200 DM erhalten. Letzteres wurde der Veranlagungsdienststelle des Beklagten auf Grund einer Prüfungsmitteilung vom 16. Juni 1998 im Rahmen einer Lohnsteuer-Außenprüfung des Beklagten selbst bekannt. Daraufhin erließ der Beklagte für die Jahre 1995 und 1996 geänderte Einkommensteuerbescheide unter dem 28. Juli 1998; für das Jahr 1997 erließ der Beklagte unter Berücksichtigung der Aufwandsentschädigung erstmalig einen Einkommensteuerbescheid am 31. Juli 1998. Der Beklagte legte unter Anwendung eines Erlasses des Finanzministeriums des Landes Sachsen-Anhalt jeweils einen Freibetrag in Höhe von 6.300 DM zu Grunde. Folglich wurden für die Streitjahre von den Aufwandsentschädigungen 700 DM (1995), 3.780 DM (1996) und 6.900 DM (1997) als steuerpflichtig behandelt, und zwar wurden diese Beträge in den Bescheiden als „sonstige Einkünfte” ausgewiesen. Das Einspruchsverfahren verlief erfolglos.
Mit der Klage machen die Kläger weiterhin geltend, dass die erhaltenen Aufwandsentschädigungen vollen Umfangs steuerfrei seien. Die Zahlungen seien keine Entschädigung für Verdienstausfall, Zeitverlust oder Haftungsrisiko, sondern Auslagenersatz, der steuerlich als Werbungskosten oder Betriebsausgabe abzugsfähig wäre. Die Aufwandsentschädigungen dienten im Streitfall nach Ansicht der Kläger dazu, um Aufwendungen für Telefon, Kfz-Betriebskosten einschließlich Reparaturen sowie erhöhte Abschreibungen des privaten Pkw, Erhaltungsaufwendungen für das Arbeitszimmer/Bürgerbüro, Repräsentationen, Fachliteratur und Reisekosten sowie Auslagen für (Ausschuss-)Sitzungen abzugelten. Eine Kontrolle der Angemessenheit erfolge in Anlehnung an kommunale Verordnungen durch die Gemeindevertretung der Gemeinde
Die Kläger beantragen sinngemäß,
die Einkommensteuerbescheide 1995 und 1996 vom 28. Juli 1998 und den Einkommensteuerbescheid 1997 vom 31. Juli 1998, jeweils in der Fassung des Einspruchsbescheides vom 18. Mai 1999, abzuändern und die Einkommensteuer 1995 auf 7.576,32 Euro, die Einkommensteuer 1996 auf 7.158,09 Euro und die Einkommensteuer 1997 auf 7.999,67 Euro festzusetzen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er ist der Ansicht, dass sich aus einem Gemeinderatsbeschluss der Gemeinde … keine Direktive für die Steuerverwaltung ergebe. Es könne daher nicht so sein, dass die Kommunalverwaltung mit steuerlicher Befreiungswirkung eine Aufwandsentschädigung ohne Nachweisverpflichtung an das einzelne Ratsmitglied zahle. Die Kläger hätten es als praktisch nicht mehr durchführbar abgelehnt, die tatsächlichen Aufwendungen als Betriebsausgaben gegenzurechnen. Auch könne eine entsprechende Bescheinigung der Verwaltungsgemeinschaft über die angebliche Steuerfreiheit der Zahlungen nicht als verbindliche Zusage zu Lasten der Finanzverwaltung wirken.
Dass die Aufwandsentschädigungen, soweit sie die Pauschbeträge überschritten hätten, versehentlich als sonstige Einkünfte behandelt worden seien und nicht als Einkünfte aus selbständiger Arbeit, sei ohne steuerliche Auswirkungen.
Dem Senat hat die vom Beklagten für die Kläger geführte Einkommensteuerakte vorgelegen.
Entscheidungsgründe
Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung über die Klage entsc...