Entscheidungsstichwort (Thema)
Lohnsteuerhaftung des GmbH-Geschäftsführers bei Auszahlung der ungekürzten Löhne trotz Krise der GmbH. Pfändungs- und Überweisungsverfügung und Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens. Haftung für Lohnsteuerrückstände und steuerliche Nebenleistungen
Leitsatz (redaktionell)
1. Ist bereits bei Auszahlung der Löhne deutlich, dass die Mittel der finanziell angeschlagenen GmbH zur Bezahlung der Lohn- und Lohnkirchensteuer zum Fälligkeitszeitpunkt nicht zur Verfügung stehen werden, darf der Geschäftsführer die Löhne nur gekürzt als Vorschuss oder Teilbetrag auszahlen, so dass er aus den übrig bleibenden Beträgen die entsprechenden Lohnsteuern an das Finanzamt (FA) abführen kann. Zahlt er die Löhne trotzdem voll aus und kann die betreffende Lohnsteuer entgegen den Erwartungen des Geschäftsführers später doch nicht mehr ans FA abgeführt werden, haftet er für den Steuerausfall.
2. Der Erlass eines Haftungsbescheids ist in dem unter 1. geschilderten Fall auch dann nicht ermessensfehlerhaft, wenn das FA zunächst wegen der Lohnsteuerforderungen eine Pfändungs- und Einziehungsverfügung erlassen hatte, diese aber mangels Guthabens auf dem Geschäftskonto der GmbH erfolglos geblieben war und nach Antrag auf Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens über das Vermögen der GmbH durch einen anderen Gläubiger noch Gelder auf dem Geschäftskonto der GmbH eingingen. Denn die Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens führt zur Anordnung der vorläufigen Einstellung aller anderen Vollstreckungsmaßnahmen, so das das FA entgegen der Auffassung des Haftungsschuldners nicht die anschließend auf dem GmbH-Konto eingehenden Gelder einziehen konnte.
Normenkette
AO § 69 S. 1, § 34 Abs. 1, § 191 Abs. 1, § 219; GmbHG § 35 Abs. 1; GesO § 2 Abs. 4; AO § 5
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.
Tatbestand
Der Kläger gründete zusammen mit Herrn … am 17. Februar 1997 die GmbH – nachfolgend GmbH. Sowohl der Kläger als auch Herr … waren alleinvertretungsberechtigte Geschäftsführer der GmbH.
Diese hatte im Februar 1998 beim Beklagten Steuerrückstände in Höhe von 60.105,16 DM. Daher erließ der Beklagte am 05. Februar 1998 eine Pfändungs- und Einziehungsverfügung in Höhe von 60.449,16 DM in bezug auf das Konto der GmbH bei der … – und stellte diese der … am 09. Februar 1998 und der GmbH am 11. Februar 1998 zu. Die … sperrte daraufhin das Konto und teilte dem Beklagten am 18. Februar 1998 mit, dass kein Guthaben bestehe. Das Konto wies zu diesem Zeitpunkt eine Forderung der Bank in Höhe von 8,27 DM aus.
Mit Beschluss vom 23. Februar 1998 setzte das Amtsgericht Halle-Saalkreis den Rechtsanwalt … als Gutachter über die Zahlungsfähigkeit der GmbH ein und ordnete die Einstellung aller anderweitigen Vollstreckungsmaßnahmen gegen die GmbH an. Am folgenden Tag gingen Zahlungen in Höhe von insgesamt 34.002,08 DM auf dem Konto der GmbH bei der … ein. Eine weitere Zahlung erfolgte am 19. März 1998 in Höhe von 2.780,– DM. Am 24. März 1998 belief sich das Guthaben auf 36.773,81 DM. Mit Beschluss vom 07. April 1998 ordnete das Amtsgericht Halle-Saalkreis Sequestration über das Vermögen der GmbH an. Als Sequestor wurde Rechtsanwalt … bestellt. Dieser zog am 21. April 1998 ein Guthaben in Höhe von 36.704,52 DM von dem Konto der GmbH ein. Am 04. Mai 1998 wurde das Gesamtvollstreckungsverfahren über das Vermögen der GmbH eröffnet.
Mit Schreiben vom 21. April 1998 erließ der Beklagte gegen den Kläger – ebenso gegen Herrn … – einen Haftungsbescheid in Höhe von 44.802,37 DM. Die Haftungssumme setzte sich aus rückständiger Lohnsteuer, Solidaritätszuschlägen und Lohnkirchensteuer für die Monate September bis Februar 1998 in Höhe von 42.953,37 DM nebst Säumniszuschlägen in Höhe von 1.679,– DM und Verspätungszuschlag zur Lohnsteuer in Höhe von 170,– DM zusammen. Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 28. April 1998 Einspruch ein und trug zur Begründung vor, der Beklagte habe das auf dem Konto der GmbH befindliche Guthaben von ca. 36.000,– DM nicht eingezogen. Mit Bescheid vom 10. Mai 1999 wies der Beklagte den Einspruch zurück, da die Voraussetzungen des § 69 Abgabenordnung – AO – für eine Haftungsinanspruchnahme des Klägers vorlägen. Die Kontenpfändung sei ergebnislos verlaufen, da bereits zum Zeitpunkt der Gutschrift des Betrages bei der … aufgrund des beantragten Gesamtvollstreckungsverfahrens anderweitige Vollstreckungsmaßnahmen vorläufig einzustellen gewesen seien.
Hiergegen richtet sich die Klage vom 02. Juni 1999.
Mit Schreiben vom 26. Juni 2000 reichte der Insolvenzverwalter berechtigte Lohnsteueranmeldungen für den Zeitraum Januar bis April 1998 ein, weil keine Lohnzahlungen an die Beschäftigten im Jahre 1998 mehr erfolgt seien. Da die Lohnsteuervoranmeldungen daraufhin auf 0,– DM herabgesetzt worden sind, hat der Beklagte am 27. November 2002 einen Teilrücknahmebescheid erlassen, mit dem die Haftung wegen Lohnsteuer. Solidaritätszuschlag, evangelischer Lohnkirchensteuer und Säumniszus...