Entscheidungsstichwort (Thema)
Einstweilige Anordnung
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Finanzverwaltung darf im Verlaufe eines schwebenden gerichtlichen Verfahrens wegen Aussetzung der Vollziehung eines Steuerbescheides nur dann wegen des streitigen Steueranspruchs vollstrecken, wenn ansonsten die Vollstreckung vereitelt würde oder wenn sich das Vollstreckungsverfahren bereits über einen längeren Zeitraum hinzieht und ein Ende nicht abzusehen ist.
2. Der Steuerpflichtige kann dieses Recht auf ungestörte Durchführung des Aussetzungsverfahrens im Wege einer einstweiligen Anordnung geltend machen. Das Gericht kann in diesem Verfahren die Vollstreckung mit sofortiger Wirkung einstellen und die während des Aussetzungsverfahrens vorgenommenen Vollstreckungshandlungen aufheben.
Normenkette
FGO §§ 69, 114
Gründe
I.
Die Antragstellerin -Astin.- hat am 20. Dezember 1999 einen Antrag auf Aussetzung bzw. Aufhebung der Vollziehung der Vorauszahlungsbescheide zur Körperschaftsteuer 1999 und 2000 sowie zum Gewerbsteuermessbescheid 1999 beim Finanzgericht gestellt (Gz. 1 V 388/99). Unstreitig hat der Antragsgegner – AG – wegen der vorgenannten Vorauszahlungen bereits vollstreckt und beabsichtigt zudem, dies auch während des schwebenden Antragsverfahrens 1 V 388/99 bei sich bietender Gelegenheit zu tun (s. Bl. 10 f).
Am 20. Dezember 1999 stellte die Astin. beim Finanzgericht den Antrag (Bl. 1),
das Finanzgericht möge – notfalls gegen entsprechende Sicherheitsleistung – anordnen, dass der AG bis zur Entscheidung des ADV-Verfahrens 1 V 388/99 keine weiteren Vollstreckungsmaßnahmen aus den streitigen Steuerbescheiden durchführen darf, und außerdem die bisher daraus getroffenen Vollstreckungsmaßnahmen aufzuheben.
Zur Begründung trägt sie im wesentlichen vor, die Aktivitäten des AG in dieser Sache seien schon allein deshalb unrechtmäßig, weil er unzuständig sei (Bl. 2-5, 103 ff., 107, 109 ff.).
Die Gewinnschätzungen des AG seien mit 2.226.301 DM auf der Grundlage eines Umsatzes von 5.858.688 DM total übersetzt (Bl. 5 f). Die betriebswirtschaftliche Auswertung – bwA – des steuerlichen Beraters der Astin. – der renommierten R AG, S – ermittelte ein vorläufiges Ergebnis vor Steuern i.H.v. 18.170 DM.
Zum Beschluss des Senats vom 26. November 1999 1 V 345/99 sei zu erklären, es handele sich bei den Firmen B, Z und G nicht um sog. „Scheinfirmen”. Dies ergebe sich aus den vorgelegten bzw. noch vorzulegenden Dokumentationen. Die beiden letztgenannten Firmen würden nicht durch die Familie Y oder ihr nahestehende Personen beherrscht (Bl. 6 f., 13 ff., 106 f.). Rein zufällig hätten beide Firmen ihre Büroräume im gleichen Bürohochhaus im Zentrum von A (Bl. 8). In der Fa. B seien Familienangehörige wahrscheinlich Minderheitsgesellschafter, was in der Kürze der Zeit bisher noch nicht habe geklärt werden können (Bl. 7 f.). Die Astin. sei wegen einer wirtschaftlichen Betriebsführung, nicht zur Vermeidung der intensiven steuerlichen Beobachtung gegründet worden (Bl. 8 ff.)
Durch die ständigen Überpfändungen des AG werde das Unternehmen der Astin., dessen Umsatzerwartungen für das Jahr 2000 bei 6,0 bis 8,0 Millionen DM liegen würden, zerschlagen (Bl. 46 ff.).
Möglicherweise sei die Zwangsvollstreckung auch nach Maßgabe der §§ 88, 89 Insolvenzordnung – InsO – sofort einzustellen (Bl. 63 ff.).
Der AG beantragt (Bl. 78),
- den Antrag auf Erlass einer einstweilige Anordnung auf Untersagung künftiger Vollstreckungshandlungen als unbegründet zurückzuweisen und
- den Antrag auf Aufhebung der bereits durchgeführten Vollstreckungsmaßnahmen als unzulässig zu verwerfen.
Der AG sei für die getroffenen Maßnahmen nach §§ 20, 26 AO zuständig (Bl. 70 f.).
Die Aufhebung der bereits vollzogenen Vollstreckungsmaßnahmen könne nicht durch einstweilige Anordnung, sondern nur durch ein Verfahren nach § 69 Abs. 3 Satz 2 FGO bewirkt werden (Bt. 71 f.)
Die Vollstreckungsmaßnahmen seinen notwendige Sicherungsmaßnahmen i.S.d. § 277 AO. Bei den Zahlungen an die türkischen Subunternehmer habe es sich offensichtlich um Geldtransfers zugunsten von I H Y und H Y gehandelt (Bl. 73 f.). Die Fa. G sei bei der R G nicht bekannt, so dass insofern auch keine Rechnungsbelege existieren dürften. Trotz ausdrücklicher Aufforderung habe sich die Astin. geweigert, ihre Buchführungsunterlagen, die sich im Besitz von I H Y befinden würden, der Steuerfahndung vorzulegen (Bl. 74 f., 76).
Die Abwicklung der Geschäfte und die Preisgestaltung erfolge zwischen der Astin. und den türkischen Subunternehmern – mögen sie existieren oder nicht – nicht wie unter fremden Dritten und werde nicht durch das Entsendegesetz gedeckt (Bl. 75 f.). Die Schätzung des AG habe sich an der vorliegenden bwA orientiert, jedoch ohne Berücksichtigung von Fremdleistungen i. H. v. annähernd 3.000.000 DM (Bl. 76).
Die Fahrzeuge, die sich nach der bwA nicht mehr im Eigentum der Astin. befinden würden, seien in Wirklichkeit nach Angaben der Steuerberatung nicht veräußert worden (Bl. 77).
§ 88 InsO greife nicht ein, weil über das Vermögen der Astin. da...