Entscheidungsstichwort (Thema)

Eintragung von Kinderfreibeträgen als offenbare Unrichtigkeit. Aussetzung der Vollziehung betr. Einkommensteuer 1991

 

Leitsatz (amtlich)

Es ist nicht ernstlich zweifelhaft, dass eine offenbare Unrichtigkeit i. S. des § 129 AO vorliegt, wenn durch entsprechende Eintragungen in der Eingabewertleiste des Mantelbogens durch den Veranlagungsbeamten im Einkommensteuerbescheid 1,5 Kinderfreibeträge berücksichtigt worden sind, obwohl die Angaben zur persönlichen Situation in der Steuererklärung „geschieden, 1 Kind” enthalten.

 

Normenkette

AO 1977 § 129; FGO § 69 Abs. 2

 

Tenor

Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des Einkommensteuerbescheides 1991 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden der Antragstellerin auferlegt.

Die Entscheidung ergeht endgültig.

 

Tatbestand

I.

Die Antragstellerin – Astin. – ist geschieden und hat einen Sohn im Alter von sechs Jahren. Sie reichte die Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 1991 am 7. Februar 1992 beim Antragsgegner – Ag. – ein. Die Erklärung enthielt u. a. die erwähnten persönlichen Daten.

Der Ag. erließ am 22. April 1992 einen Einkommensteuerbescheid für 1991, der einen Kinderfreibetrag von 3.024 DM und einen (halben) Kinderfreibetrag von 1.512 DM berücksichtigte. Die Eingabewertleiste des Mantelbogens zur Steuererklärung weist in Zeile 11 (KFB 1) und in Zeile 24 (KFB 0,5) jeweils den Eintrag einer Ziffer 1 aus. Im Zuge einer Geschäftsprüfung kam es zur Aufdeckung dieses Sachverhalts. Der Ag. erließ daraufhin am 8. Dezember 1992 einen geänderten Einkommensteuerbescheid, der nunmehr nur noch einen (halben) Kinderfreibetrag von 1.512 DM berücksichtigte. Der Bescheid stützt sich auf § 129 AbgabenordnungAO –.

Gegen diesen Bescheid legte die Astin. am 21. Dezember 1992 Einspruch ein, den der Ag. mit Entscheidung vom 27. Mai 1993 als unbegründet zurückwies.

Am 25. Juni 1993 erhob die Astin. Klage, die beim Finanzgericht unter dem Geschäftszeichen 1 K 125/93 geführt wird.

Am 27. Juli 1993 beantragte die Astin. beim Ag. die Aussetzung der Vollziehung des angefochtenen Bescheides. Diese lehnte der Ag. mit Bescheid vom 2. August 1993 ab.

Mit Schreiben vom 5. August 1993, beim Finanzgericht am 11. August 1993 eingegangen, beantragt die Astin. (Bl. 1),

die Vollziehung des Einkommensteuerbescheides für 1991 vom 8. Dezember 1992 auszusetzen.

Sie macht geltend, der Bescheid vom 22. April 1992 habe keine offenbare Unrichtigkeit enthalten. Dieser Bescheid sei zudem bestandskräftig.

Im übrigen führe die sofortige Vollziehung des Bescheides zu einer unbilligen Härte, da sie, die Astin., ihr gesamtes Einkommen für den Lebensunterhalt der Familie benötige.

Der Ag. beantragt (sinngemäß),

den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung zurückzuweisen.

Er verweist auf seine Einspruchsentscheidung. Es liege sehr wohl eine offenbare Unrichtigkeit vor, da ein Fehler in der Rechtsanwendung auszuschließen sei. Eine Korrektur sei nach § 129 AO auch nach Eintritt der Bestandskraft möglich.

Eine unbillige Härte liege aufgrund der Einkommensverhältnisse der Astin. nicht vor.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und die beigezogenen Verwaltungsakten verwiesen.

 

Entscheidungsgründe

II.

1. Die Aussetzung der Vollziehung soll erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige und nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte (§ 69 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung – FGO –).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs – BFH –, der sich der erkennende Senat bisher immer angeschlossen hat, bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines angefochtenen Steuerbescheides dann, wenn eine summarische Prüfung ergibt, daß neben den für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Umstände zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfrage oder Unklarheit in der Beurteilung der Tatfragen bewirken. Dabei brauchen die für die Unrechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes sprechenden Bedenken nicht zu überwiegen, d. h. ein Erfolg des Steuerpflichtigen braucht nicht wahrscheinlicher zu sein als ein Mißerfolg (BFH – Beschlüsse vom 30. Juni 1967 III B 21/66, BStBl. III 1967, 533; vom 28. November 1974 V B 52/73, BStBl. II 1975, 239).

Eine unbillige Härte im Sinne des § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO liegt nach der Rechtsprechung des BFH vor, wenn durch die sofortige Vollziehung dem Steuerpflichtigen Nachteile drohen würden, die über die eigentliche Zahlung hinausgehen und nicht oder nur schwer wiedergutzumachen sind, oder wenn gar die wirtschaftliche Existenz des Steuerpflichtigen gefährdet wäre.

2. Der Senat hat keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des im Streit stehenden Bescheides. Auch kann er keine unbillige Härte im sofortigen Vollzug erkennen.

2.1. Nach § 129 Satz 1 AO kann die Finanzbehörde Schreibfehler, Rechenfehler und ähnli...

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