Entscheidungsstichwort (Thema)

Verschulden an der Einhaltung der Einspruchsfrist nach Urlaubsrückkehr. Einkommensteuer 1989

 

Leitsatz (amtlich)

Ein Steuerpflichtiger war nicht ohne Verschulden an der Einhaltung der Einspruchsfrist gehindert gewesen, wenn ihm nach der Rückkehr aus dem Urlaub noch 9 Tage Zeit zur Einlegung des Einspruchs gegen einen Steuerbescheid zur Verfügung standen.

 

Normenkette

AO 1977 § 110 Abs. 1

 

Tenor

Die Klage wird als unbegründet abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden den Klägern auferlegt.

 

Tatbestand

Die Kläger sind türkische Staatsangehörige. Sie wohnen zumindest seit 1987 in Deutschland. Der Kläger ist als Arbeitnehmer beschäftigt, die Klägerin erzielt Einkünfte aus Gewerbebetrieb (Herstellung türkischer Süßwaren). Die Steuererklärungen der Kläger werden seit dem Streitjahr 1989 von einem Steuerberatungsbüro erstellt.

Über dieses Büro reichten die Kläger am 10. Januar 1991 ihre Steuererklärungen, u. a. die Einkommensteuererklärung nebst Gewinnermittlung für den Betrieb der Klägerin, beim beklagten Finanzamt ein. Dem beigefügten Inventarverzeichnis war der Kauf eines neuen Backofens zu entnehmen, den die Klägerin (degressiv) mit 50 % abschreiben wollte. Im Einkommensteuerbescheid vom 2. Juli 1991 berücksichtigte der Beklagte lediglich eine 10 %-ige lineare Abschreibung. In einer Anlage zum Bescheid war auf diese Änderung hingewiesen.

Am 9. August 1991 ging beim Finanzamt der von ihren Steuerberatern verfaßte Einspruch der Kläger vom selben Tag ein. Mit Schreiben vom 26. August 1991 begründeten die Kläger ihren Einspruch unter Einreichung einer berichtigten Gewinnermittlung. Gleichzeitig beantragten sie, ihnen wegen der Versäumung der Einspruchsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 110 AbgabenordnungAO – zu gewähren. Zur Begründung führten sie an, sie hätten sich von 14. Juni bis 27. Juli 1991 in Urlaub in der Türkei befunden. Der Steuerbescheid sei ihnen während ihrer Abwesenheit zugegangen.

Mit Entscheidung vom 22. Oktober 1991, den Klägern am 24. Oktober 1991 zugestellt, verwarf der Beklagte den Einspruch als unzulässig.

Am 4. November 1991 ging beim Finanzgericht der Schriftsatz der Kläger vom 31. Oktober 1991 ein, mit dem sie Klage erhoben.

Die Kläger beantragen (sinngemäß),

unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 22. Oktober 1991 den Beklagten für verpflichtet zu erklären, über ihren Einspruch erneut zu entscheiden, ohne von dessen Verfristung auszugehen.

Die Kläger tragen vor, sie seien ohne Verschulden an der Einhaltung der Einspruchsfrist gehindert gewesen. Zwischen der Urlaubsrückkehr am 27. Juli 1991 und dem Ablauf der Einspruchsfrist (5. August 1991) habe nicht ausreichend Zeit zum Tätigwerden bestanden, zumal sie als ausländische Staatsbürger mit dem deutschen Steuerrecht nicht vertraut seien. Sie hätten also Kontakt zu ihrem Steuerberater aufnehmen müssen.

Auch sei des weiteren dem Steuerbescheid nicht zu entnehmen gewesen, warum der Beklagte von den Erklärungsangaben abgewichen sei.

Der Beklagte beantragt unter Hinweis auf seine Einspruchsentscheidung sinngemäß,

die Klage abzuweisen.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und die beigezogenen Verwaltungsakten verwiesen.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Der Beklagte hat zu Recht den Einspruch der Kläger als unzulässig verworfen und dem Antrag auf Wiedereinsetzung gemäß § 110 AO berechtigterweise nicht entsprochen.

Unstreitig war der Einspruch der Kläger gegen den Einkommensteuerbescheid 1989 verfristet, da die Einspruchsfrist am 5. August 1991 ablief.

Die Versäumung der Einspruchsfrist hätte nur dann einer sachlichen Bescheidung des Einspruchsbegehrens nicht entgegengestanden, wenn die Kläger ohne Verschulden an der Einhaltung der Frist gehindert gewesen wären (§ 110 Abs. 1 AO). Dies ist nach Meinung des Senats nicht der Fall.

Denn den Klägern standen nach Rückkehr aus dem Urlaub noch 9 Tage Zeit zur Einlegung des Einspruchs zur Verfügung. Diese Zeitspanne sieht der Senat als ausreichend an, um gegen den Steuerbescheid – zumindest aus Fristwahrungsgründen – Einspruch einzulegen (vgl. dazu allgemein Bundesfinanzhof – BFH –, Urteil vom 5. November 1987 IV R 354/84, BFH/NV 1988, 614; Urteil vom 11. Dezember 1986 IV R 184/84, BStBl. II 1987, 303; FG Baden-Württemberg, Urteil vom 20. Januar 1988 XII K 343/87, EFG 1988, 451). Diesen Einspruch hätten die Kläger später noch ohne weiteres begründen können.

Dem steht der Umstand, daß die Kläger als ausländische Mitbürger mit dem deutschen Steuerrecht nicht vertraut sind, nicht entgegen. Denn die Kläger konnten der dem Bescheid beigefügten Rechtsbehelfsbelehrung ohne weiteres entnehmen, daß die Einspruchsfrist einen Monat beträgt, gerechnet von der Bekanntgabe, deren Details im speziellen noch einmal erläutert werden. Des weiteren tragen die Kläger selbst vor, sie hätten um die Einhaltung von Rechtsbehelfsfristen im allgemeinen gewußt. Von daher war es ihnen zuzumuten, in der ihnen verbliebenen Zeit von 9 Tage...

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