Entscheidungsstichwort (Thema)
Ohne gesonderte Berechnung eines zusätzlichen Entgelts den Print-Abonnenten einer Zeitung in den Jahren 2009-2012 eingeräumte Möglichkeit zum Zugang auch zu den E-Paper-Ausgaben als umsatzsteuerlich eigenständige, dem Regelsteuersatz unterliegende Leistung. - Revision eingelegt (Aktenzeichen des BFH: XI R 29/23)
Leitsatz (redaktionell)
1. Stellt der Herausgeber einer Zeitung den Abonnenten der Printausgabe ohne gesondertes Entgelt zusätzlich auch einen elektronischen Zugang zu den E-Paper-Ausgaben zur Verfügung, so erbringt er mit der Lieferung der Print-Ausgaben einerseits sowie der Zurverfügungstellung des Zugangs zum E-Paper zwei eigenständige Leistungen im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG. Die Zurverfügungstellung des E-Paper-Zugangs ist keine unselbständige Nebenleistung zur – dem ermäßigten Steuersatz unterliegenden – Lieferung der Printausgaben, sondern unterliegt als eigenständige Leistung vor Inkrafttreten von § 12 Abs. 2 Nr. 14 UStG in der Fassung des Gesetzes zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften vom 12.12.2019 dem Regelsteuersatz (hier: Streitjahre 2009-2012).
2. Zur Aufteilung des Gesamtpreises des Abonnements für die Bestimmung des auf die Printausgabe bzw. die E-Paper-Ausgabe entfallenden Entgelts.
Normenkette
UStG 2009 § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 3 Abs. 1, §§ 9, 10 Abs. 1, § 12 Abs. 1, 2 Nr. 1; UStG 2009 Anl. 2 Nr. 49; MwStSystRL Art. 2 Abs. 1 Buchst. c, Art. 98; UStG 2019 § 12 Abs. 2 Nr. 14
Tenor
Die Klage wird als unbegründet abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin auferlegt.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin ist eine im Jahr … gegründete Kapitalgesellschaft mit Sitz in …, die bei Klageerhebung noch als … GmbH firmierte. Sie ist Konzernunternehmen der … Unternehmensgegenstand der Klägerin ist unter anderem die Herausgabe von Zeitungen sowie die Vornahme von Verlagsgeschäften aller Art. Sie ist u.a. umsatzsteuerliche Organträgerin zur X-GmbH in … Geschäftsführer sind ….
Die Klägerin gibt die A-Zeitung (AZ), die X-GmbH die B-Zeitung (BZ) heraus, zunächst in der klassischen Printform. Die Abonnement-Preise hierfür lagen monatlich zwischen … EUR (2009) und … EUR (2012) für die AZ bzw. … EUR (2010) und … EUR (2012) für die BZ (Bl. 118, 122). Im Streitzeitraum wurden beide Zeitungen sowohl in Printform, als auch als inhaltsgleiches E-Paper im pdf-Format, und zwar ohne Hyperlinks oder ähnliche Dynamik, allerdings mit Suchfunktion über einen pdf-Reader, herausgegeben. Bereits im Streitjahr 2010 war ein Abonnement nur des E-Papers der AZ für 13,99 EUR/Monat möglich (vgl. Bl. 344). Bis März 2012 führte die Herausgabe der E-Paper nach den geltenden Vorgaben der Informationsgemeinschaft zur Feststellung der Verbreitung von Werbeträgern e.V. (IVW) nicht zu einer Erhöhung der Auflagenzahl (Bl. 28 ff., 116).
Abonnenten der Printausgabe der AZ erhielten vom 1. Januar 2009 bis zum 28. Februar 2012, Abonnenten der Printausgabe der BZ vom 1. Januar 2010 bis (mindestens zum) 31. Dezember 2012 (Bl. 121, siehe auch Rbh Bl. 116) die Möglichkeit des Zugriffs auf das E-Paper ohne weitere Zuzahlung; erforderlich für den Bezug war eine vorherige elektronische Registrierung über die Website der jeweiligen Zeitung (Bl. 29 ff.).
Nach dem 28. Februar 2012 (AZ) bzw. dem 31. Juli 2014 (BZ) mussten die Abonnenten der Printausgaben für das E-Paper eine zusätzliche Zahlung entrichten, die anfänglich bei monatlich 0,99 EUR (Bl. 29), ab November 2014 für die AZ dann bei monatlich 3,99 EUR lag (BP Bl. 86, Rbh Bl. 116); bei der BZ waren es ab dem 1. August 2014 2,99 EUR monatlich. Die umsatzsteuerliche Behandlung in diesen Zeiträumen ist hier nicht streitig.
Die Klägerin unterwarf in dem hier maßgeblichen Zeitraum das Entgelt aus den Print-Abonnements (einschließlich der der Organgesellschaften) dem für Druckerzeugnisse (wie etwa Zeitungen) geltenden ermäßigten Steuersatz von 7 % gem. § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG i.V.m. Anlage 2 zu § 12 UStG. Im Rahmen der Veranlagung wurde dies nicht beanstandet.
Beginnend im … 2014 fand bei der Klägerin eine Betriebsprüfung statt, die sich auch auf die Umsatzsteuer 2009 bis 2012 bezog (BP Bl. 76). Der Prüfer sah in der Zurverfügungstellung eines elektronischen Zugangs zum E-Paper neben dem Print-Abonnement eine eigenständige Leistung, auf die der Regelsteuersatz (19 %) Anwendung finde. Diese Beurteilung sei durch das BMF-Schreiben vom 28. November 2013 bestätigt und gelte für alle noch offenen Fälle. Der Prüfer ging im Schätzweg von einem monatlichen Einzelverkaufspreis von 1,99 EUR aus und nahm anhand der Gesamtanzahl der Print-Abonnements (unabhängig davon, wie viele sich für den E-Paper-Bezug registriert hatten) eine Erhöhung der Umsatzsteuer (19%) betreffend die AZ um … und betreffend die BZ um … vor. Diese Beträge betreffen allein den „Zugang” zum E-Paper für Print-Abonnenten in einem Zeitraum, in dem den Abonnenten für das E-Paper kein gesonderter Preis berechnet ...