Entscheidungsstichwort (Thema)
Stelle für Altenpflegeausbildungsumlage (SFA) als wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb und Zweckbetrieb eines der Förderung der Altenhilfe und Pflege dienenden gemeinnützigen Vereins
Leitsatz (redaktionell)
1. Soll ein als gemeinnützig anerkannter Verein nach seiner Satzung u. a. die Altenhilfe und Pflege fördern und übernimmt er gegen Einnahmen in Form pauschaler Verwaltungskostenerstattungen aufgrund öffentlich-rechtlicher Beleihung die Funktion als Stelle für die Altenpflegeausbildungsumlage (SFA), so wird mit der Tätigkeit als SFA ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb begründet, der die Vorausssetzungen des § 65 AO für einen nicht steuerpflichtigen Zweckbetrieb erfüllen kann.
2. Für die Annahme eines Zweckbetriebs ist es unschädlich, dass die Aufgaben auf Grund einer Beleihung ausgeübt werden, so dass es durchaus möglich ist, dass eine gemeinnützige Körperschaft zugleich mit ihrem Satzungszweck auch öffentlich-rechtlich tätig wird und ihre Verpflichtung gegenüber der beleihenden Körperschaft erfüllt (vgl. BFH-Urteil v. 21.04.2022, V R 26/20, BStBl II 2022, 599).
3. Die Tätigkeit als Stelle für die Altenpflegeausbildungsumlage, die im Wesentlichen so gestaltet ist, dass Trägern der praktischen Ausbildung in Altenpflegehilfeberufen die Ausbildungsvergütungen in pauschalierter Form nebst Arbeitgeberanteilen zur Sozialversicherung erstattet werden und dass die Mittel, die für diese Erstattungen (und die der SFA zustehenden Verwaltungskosten) erforderlich sind, als Ausgleichsbeträge von den (Pflege-)Einrichtungen erhoben werden, soll dazu dienen, einen Mangel an Ausbildungsplätzen zu verhindern, und dient damit unmittelbar dem Zweck „Förderung der Altenhilfe und Pflege”.
4. Wettbewerbsverzerrungen i. S. v. § 65 Nr. 3 AO zu nicht begünstigten Personen sind ausgeschlossen, wenn es im Zuständigkeitsbereich der SFA für die Organisation und Durchführung des Kostenumlageverfahrens in der Altenpflegehilfeausbildung keine andere Stelle und damit keinen Konkurrenten gibt, zu dem die SFA in Wettbewerb treten könnte.
Normenkette
AO § 14 Sätze 1-2, §§ 51, 65 Nrn. 1-3, § 66; KStG § 4 Abs. 3, § 5 Abs. 1 Nr. 9 S. 1, Abs. 1 S. 2; GewStG § 3 Nr. 6
Tenor
1. Unter Änderung der Bescheide über Körperschaftsteuer für 2012, 2013 und 2015 bis 2017 sowie der Bescheide über den Gewerbesteuermessbetrag für 2012 bis 2017 – alle vom … und in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom … 2021 – wird die Körperschaftsteuer für 2012, 2013 und 2015 bis 2017 sowie der Gewerbesteuermessbetrag für 2012 bis 2017 jeweils auf null Euro festgesetzt.
2. Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.
3. Der Gerichtsbescheid ist – soweit er als Urteil wirkt – hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs des Klägers abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Tatbestand
Der Kläger ist ein … gegründeter eingetragener Verein, der nach § … seiner ursprünglichen Satzung vom … den Zweck hatte, die Pflege in ambulanten, teilstationären und stationären Einrichtungen … zu fördern (vgl. Dok Bl. 2). Auf Grundlage dieses Satzungszwecks ist er als gemeinnützig anerkannt; der letzte Freistellungsbescheid für die Kalenderjahre 2009-2011 datiert auf den … (KSt Bd. II Bl. 48).
§ 4 der Satzung vom … weist Folgendes aus:
„§ 4 Aufgaben des Vereins
1. Beratung und Vertretung seiner Mitglieder bei der Wahrnehmung der Aufgaben nach dem Pflegeversicherungsgesetz bei Verhandlungen mit Kranken-und Pflegekassen, staatlichen, überregionalen und kommunalen Stellen bezüglich des Pflegeversicherungsgesetzes und anderer gesetzlicher Regelungen, die sich auf das Pflegeversicherungsgesetz beziehen oder mit ihm in Zusammenhang stehen.
2. Die Zusammenarbeit und den Erfahrungsaustausch seiner Mitglieder untereinander zu fördern und zu koordinieren.
3. Die Belange der Pflegeeinrichtungen bei der Vorbereitung und Durchführung von Gesetzen und Verordnungen wahrzunehmen.
4. Zusammenarbeit mit der ….
5. Zusammenarbeit mit der ….
6. Beratung und Betreuung seiner Mitglieder in Angelegenheiten dieser Satzung.”
Die Mitgliederversammlung des Klägers hat … den Satzungszweck wie folgt geändert: Neuer Zweck des Vereins ist die Förderung der Altenhilfe und Pflege …. In § 4 der Satzung (Aufgaben des Vereins) wurde zusätzlich aufgenommen: Behandlung grundsätzlicher Fragen der Altenhilfe und Pflege sowie der Umsetzung von Perspektiven zur Zukunft der Altenhilfe und Pflege, soweit diese die gemeinsamen Belange der Mitglieder betreffen, Öffentlichkeitsarbeit, Förderung und Entwicklung der pflegerischen Aus-, Fort- und Weiterbildung. In Abs. 2 wurde neu eingefügt: Der Verein kann zur Erfüllung seines Zwecks auch mit der Wahrnehmung öffentlich-rechtlicher Aufgaben (zum Beispiel mit der Übernahme der Funktion der zuständigen Stelle Altenpflegeausbildungsumlage gemäß der Verordnung über die Einführung einer Umlage in der Altenpflegeausbildung)...