Entscheidungsstichwort (Thema)
Inländischer Wohnsitz. Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten durch Zwischenschaltung von Basisgesellschaften im niedrig besteuernden Ausland
Leitsatz (redaktionell)
1. Ein Wohnsitz i. S. des § 8 AO liegt auch vor, wenn die inländische Wohnung lediglich berufsbedingt bewohnt wird.
2. Die Zwischenschaltung von Basisgesellschaften in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft im niedrig besteuernden Ausland stellt einen Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten dar, wenn für ihre Zwischenschaltung wirtschaftliche oder sonst beachtliche Gründe fehlen. Motive für die Gründung einer Kapitalgesellschaft im Ausland, die keinen Niederschlag in der Realität gefunden haben, sind nicht geeignet, die Annahme der Gründung einer bloßen Basisgesellschaft zu entkräften.
3. Werden durch die Gründung einer Kapitalgesellschaft im niedrig besteuernden Ausland die im Rahmen eines Einzelunternehmens vollzogenen Aktivitäten ins Ausland verlagert, um sie dort als Aktivitäten der Kapitalgesellschaft erscheinen zu lassen, ist es angemessen i. S. des § 42 Satz 2 AO, wenn der Sptfl. als Einzelunternehmer im Inland agiert hätte. Als Rechtsfolge aus dem Vorliegen einer missbräuchlichen Gestaltung sind deshalb sämtliche Aktivitäten der ausländischen Kapitalgesellschaft dem Stpfl. als Einzelunternehmer zuzurechnen.
4. Hier: u.a. auch Umqualifizierung von Lohneinkünften des Stpfl. von der Kapitalgesellschaft in gewerbliche Einkünfte mit der weiteren Folge, dass die Lohneinkünfte keine ausländischen Einkünfte i. S. von § 34c Abs. 1 und § 34d EStG sind und deshalb auch keine Anrechnung der ausländischen Steuer auf die deutsche Einkommensteuer in Betracht kommt.
Normenkette
AO 1977 §§ 8, 42 Sätze 1-2; EStG §§ 34d, 34c Abs. 1
Nachgehend
Tatbestand
Der Rechtsstreit betrifft die Frage, ob der Kläger in den Streitjahren 1982 bis 1984 mit Einkünften aus Gewerbebetrieb im Inland steuerpflichtig war.
Der Kläger, der in den Streitjahren jeweils „Einnahmen aus Provisionsvertretungen” als selbständiger Handelsvertreter erklärte, meldete sich 1980 nach Luxemburg ab und wurde seither vom beklagten Finanzamt nur noch beschränkt zur Einkommensteuer veranlagt. Bereits 1977 wurde eine Firma B AG -künftig: B- mit Sitz in Luxemburg gegründet. Der Kläger, der 94 % der Anteile an der B hielt, fungierte als deren Generalbevollmächtigter. Ursprünglich war nach dem Vortrag des Klägers beabsichtigt, alle Geschäfte der B von Luxemburg aus zu betreiben. Entgegen dieser ursprünglichen Absicht habe sich aber der Firmensitz absatz- und zulieferbedingt auf die Niederlassung in Saarbrücken verlagert (Bp-Akte, Bl. 146).
In der Saarbrücker Niederlassung der B, die trotz entsprechenden Antrags nicht im Handelsregister eingetragen war, wurde in der Zeit vom 6. April bis 7. September 1987 eine Betriebsprüfung durchgeführt. Der Prüfer behandelte die Saarbrücker Filiale als Einzelfirma des Klägers, da sich seiner Ansicht nach die geschäftliche Oberleitung in Saarbrücken befand. Die gesamten geschäftlichen Aktivitäten, die Rechnungslegung, der Zahlungsverkehr und Buchhaltung wurden nach Auffassung des Prüfers von Saarbrücken aus abgewickelt. Der Prüfer traf des weiteren Feststellungen zur Nutzung der Wohnung in Saarbrücken, A-Weg 49. Diese gehört dem Sohn des Klägers. Die dortigen Räumlichkeiten wurden nach Meinung des Prüfers von dem Kläger zum Wohnen genutzt. Nach dem Vortrag des Klägers befand sich dort eine Niederlassung der B.
Der Prüfer und ihm folgend der Beklagte gingen nach Durchführung der Betriebsprüfung von einer unbeschränkten Steuerpflicht des Klägers aus.
Die Feststellungen führten zu einer entsprechenden Änderung der Einkommen-, Umsatz-, Gewerbesteuermess- und Einheitswertbescheide für die Streitjahre 1982 bis 1984. Danach ist der Kläger unbeschränkt einkommensteuerpflichtig. Auch für die sonstigen Steuerarten ging der Beklagte von einer inländischen Steuerpflicht aus. Dabei wurden sämtliche von der B entfalteten Aktivitäten dem Kläger („Einzelunternehmen X”) zugerechnet (Bp-Akte, Bl. 125 ff.).
Gegen sämtliche Bescheide legte der Kläger Einsprüche ein, die mit Einspruchsentscheidung vom 17. Mai 1995 als unbegründet zurückgewiesen wurden (Bl. 20 ff.).
Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner am 19. Juni 1995 erhobenen Klage (Bl. 1).
Der Kläger beantragt,
die angefochtenen Bescheide, alle in Form der Einspruchsentscheidung vom 17. Mai 1995 aufzuheben.
Der Kläger trägt vor, die geschäftliche Oberleitung der B habe sich in Luxemburg befunden. Die Rechnungslegung, der Zahlungsverkehr und Buchhaltung seien von dort aus erfolgt; die B in Luxemburg habe einen eigenen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb unterhalten. So habe die B ein Lager bei der Fa. F unterhalten, von welchem aus Verkäufe getätigt worden seien; auch sei die B als Vermittlerin für diese Firma tätig geworden. Dabei sei die AG selbst aufget...