rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Verlust der wirtschaftlichen Identität einer GmbH durch Kapitalerhöhung und Einzahlung der Einlage auf ein Konto mit Sollsaldo
Leitsatz (redaktionell)
1. Das Merkmal der wirtschaftlichen Identität in § 8 Abs. 4 S. 1 KStG ist mit tatbestandlichen Vorgaben verknüpft, die aus dem Regelbeispiel des § 8 Abs. 4 S. 2 KStG abzuleiten sind. Die wirtschaftliche Identität einer Körperschaft als Rechtsperson bestimmt sich danach durch den Kreis der Anteilseigner, durch ihren Unternehmensgegenstand und ihr verfügbares Betriebsvermögen.
2. „Überwiegend” neues Betriebsvermögen liegt vor, wenn das zugegangene Aktivvermögen den Bestand des vorher vorhandenen Rest-Aktivvermögens auch nur geringfügig übersteigt. Bei dieser Betrachtung macht es wirtschaftlich keinen Unterschied, ob das Kapital der Gesellschaft dadurch gestärkt wird, dass eine Einzahlung auf ein Bankkonto erfolgt, das einen Habensaldo aufweist (und durch Überweisung von dort dann Verbindlichkeiten getilgt werden) oder ob dieses Konto einen Sollsaldo aufweist, der durch die Einzahlung zurückgeführt wird.
3. Eine Kapitalerhöhung kann zum Verlust der wirtschaftlichen Identität einer GmbH führen, wenn der im Zuge dieser Kapitalerhöhung neu eintretende Gesellschafter aufgrund der im Zusammenhang mit seinem Beitritt getroffenen Vereinbarungen in die Lage versetzt wird, jederzeit gegen Zahlung eines symbolischen Preises die übrigen Gesellschaftsanteile an sich zu bringen, und wenn die Mittelzuführungen im Zuge der Kapitalerhöhung eine wesentliche Entschuldung der Gesellschaft bewirken.
Normenkette
KStG § 8 Abs. 4
Tenor
Die Klage wird als unbegründet abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin auferlegt.
Tatbestand
Der Rechtsstreit wird um die Frage geführt, ob die Klägerin durch die Kapitalerhöhung vom 23. Juni 1998 ihre wirtschaftliche Identität i.S.d. § 8 Abs. 4 KStG verloren hat.
Die Klägerin, eine GmbH, wurde am 2. Mai 1990 gegründet. Ihr Stammkapital i.H.v. 100.000 DM wurde von folgenden Gesellschaftern gehalten:
X-LTDA, Brasilien |
90,0 % (90.000 DM) |
Hr. X, Brasilien (HX) |
8,0 % (8.000 DM) |
Fr. X, Brasilien (FX) |
2,0 % (2.000 DM) |
Der Geschäftsführer der Klägerin war der den Gesellschaftern nicht nahe stehende Ingenieur Y. Unternehmensgegenstand war die Herstellung und der Vertrieb von Textilmaschinen aller Art. Infolge von Verlusten, die von Anfang an eingetreten sind, betrug der vom Beklagten am 1. Oktober 1998 festgestellte verbleibende Verlustabzug zur Körperschaftsteuer auf den 31. Dezember 1997 1.051.334 DM.
Am 23. Juni 1998 wurde eine Kapitalerhöhung auf 900.000 DM beschlossen. Die Z-GmbH übernahm den Erhöhungsbetrag von 800.000 DM. Einzige Gesellschafterin und Geschäftsführerin der Z-GmbH war BC, die Ehefrau des steuerlichen Beraters der Klägerin, CC. Gleichzeitig wurde der Unternehmensgegenstand der Klägerin um die Unternehmensberatung erweitert und ein zweiter Geschäftsführer … bestellt.
Die Z-GmbH handelte nach dem ebenfalls am 23. Juni 1998 notariell beurkundeten „Treuhandvertrag und Kaufangebot” bei der Übernahme der Kapitalerhöhung bezüglich eines Teilgeschäftsanteils von 350.000 DM als Treuhänderin des HX; bezüglich Anteilen i.H.v 450.000 DM handelte die Z-GmbH für sich selbst. HX übernahm die Einzahlungsverpflichtung für den auf die Z-GmbH entfallenden Kapitalanteil (450.000 DM). Als Gegenleistung zahlte die Z-GmbH, an HX 50.000 DM. Zudem räumte HX – auch für die X-LTDA und FX handelnd – der Z-GmbH die Option zum Erwerb der von ihm seit dem 23. Juni 1998 als Treugeber gehaltenen und der übrigen seit dem 2. Mai 1990 von ihm, FX und der X-LTDA gehaltenen Anteile ein. Bemessungsgrundlage für den Kaufpreis war das Eigenkapital der Klägerin abzüglich eines noch vorhandenen Verlustabzuges jeweils im Verhältnis der Anteile. Nach der Kapitalerhöhung waren damit an der Klägerin beteiligt:
X-LTDA |
10,0 % |
(90.000 DM) |
HX |
39,8 % |
(358.000 DM) |
FX |
0,2 % |
(2.000 DM) |
Z-GmbH |
50,0 % |
(450.000 DM) |
In den Folgejahren hat die Klägerin ihren Aufzeichnungen zu Folge in den beiden Unternehmensbereichen folgende Erträge erzielt:
Jahr |
1999 |
2000 |
2001 |
2002 |
2003 |
2004 |
Unternehmensberatung |
DM |
DM |
DM |
EUR |
EUR |
EUR |
Erlöse |
247.043 |
187.619 |
116.861 |
72.560 |
70.355 |
41.937 |
Ausgaben |
78.118 |
69.299 |
11.412 |
29.002 |
57.057 |
66.758 |
Gewinn/Verlust |
168.925 |
118.820 |
105.448 |
43.558 |
13.298 |
-24.821 |
Textilmaschinen |
|
|
|
|
|
|
Erlöse |
267.811 |
1.238.685 |
403.717 |
104.272 |
797 |
140 |
Betriebsausgaben |
167.027 |
1.193.909 |
426.105 |
108.370 |
15.156 |
2.479 |
Gewinn/Verlust |
100.784 |
44.773 |
-22.387 |
-4.098 |
-14.359 |
-2.339 |
Mit Vertrag vom 11. August 2003 hat die X-GmbH von ihrer Kaufoption vom 23. Juni 1998 Gebrauch gemacht und die Geschäftsanteile der übrigen Gesellschafter für 1 EUR übernommen. Zum 31. Dezember 2004 stellte die Klägerin den Handel mit Textilmaschinen ein. Die Klägerin erstellte bis dahin für beide Bereiche getrennte Buchführungen, die beim Jahresabschluss zu einer Gesamtbilanz zusammengefasst wurden. Am 11. Februar 2005 wurde der Unternehmensgegenstand der Klägerin auf die Unternehmensberatung...