Entscheidungsstichwort (Thema)
Berechtigung des Finanzamts zur Schätzung von Besteuerungsgrundlagen bei mangelnder Mitwirkung des Steuerpflichtigen. Höhe der Schätzung. Einkommensteuer 1992 bis 1995
Leitsatz (amtlich)
1. Das Finanzamt ist zur Schätzung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung berechtigt, wenn der Steuerpflichtige ohne rechtfertigenden Grund keinerlei schriftliche Vereinbarungen oder sonstige Unterlagen zum Nachweis der von ihm behaupteten, lebensfremden und ungewöhnlichen Umstände vorlegt, aus denen sich einerseits erheblich geringere als die vertraglich vereinbarten Mieteinnahmen aus einem Objekt, und andererseits der Erwerb des Eigentums an einem anderen Objekt „nur zum Schein” mit der Folge der Zurechnung der Einkünfte bei Dritten ergeben könnte.
2. Die Schätzung ist rechtmäßig, wenn sie keine Anhaltspunkte für eine unzulässige Strafschätzung erkennen lässt, die Höhe der geschätzten Einnahmen sich im ortsüblichen Bereich bewegt und im Rahmen der Schätzung auch Werbungskosten in angemessener Höhe berücksichtigt werden.
Normenkette
AO 1977 § 162 Abs. 1 Sätze 1-2, Abs. 2 S. 1
Tenor
Unter Änderung der Einkommensteuerbescheide vom 6. Februar 1997 in Form der Einspruchsentscheidung vom 15. Mai 1999 wird dem Beklagten aufgegeben, die Einkommensteuer für 1992 bis 1995 unter Berücksichtigung von Werbungskosten des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von jeweils 4.080 DM für 1992 und 1993 und jeweils 5.050 DM für 1994 und 1995 sowie von Sonderausgaben in Höhe von 18.000 DM je Streitjahr neu zu berechnen.
Im Übrigen wird die Klage als unbegründet abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Kläger auferlegt.
Tatbestand
Der Kläger wird zusammen mit seiner Ehefrau, einer Hausfrau, zur Einkommensteuer veranlagt. Er erzielte in den Streitjahren 1992 bis 1995 als Diplom-Handelslehrer Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Außerdem war er Eigentümer der nicht selbst genutzten Hausgrundstücke in U., F.-straße 18 und S., P.-straße 37 (Bl. 10 f., 40).
Die Eheleute erklärten in ihren Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit des Klägers. Hierzu machten sie keine Werbungskosten geltend. Als Sonderausgaben erklärten sie lediglich gezahlte Kirchensteuer (ESt 92-95).
Durch Bescheide vom 6. Februar 1997 setzte der Beklagte die Einkommensteuer für 1992 bis 1995 fest, indem er den Einkommensteuererklärungen der Eheleute im Wesentlichen folgte. Dabei berücksichtigte er jeweils den Arbeitnehmer-Werbungskostenpauschbetrag von 2.000 DM, die tatsächlichen Kirchensteuerzahlungen und die Vorsorgepauschale. Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erfasste er nicht (ESt 92-95).
Nachdem der Kläger seine Einsprüche gegen diese Bescheide (Bl. 3 Rb) mehr als vier Jahre nicht begründet hatte, teilte ihm der Beklagte unter Hinweis auf eine beabsichtigte Verböserung durch Schreiben vom 10. April 2001 mit, dass und mit welchem zusätzlichen Ansatz geschätzter Einkünfte des Klägers aus Vermietung und Verpachtung er die Einsprüche für die Streitjahre zurückzuweisen gedenke (Bl. 9 FG, 7, 8 Rb) und setzte, da der Kläger seine Einsprüche aufrechterhielt, durch Einspruchsentscheidung vom 15. Mai 2001 die Einkommensteuer für 1992 bis 1995 dementsprechend höher fest (Bl. 8 ff.).
Am 11. Juni 2001 hat der Kläger Klage erhoben.
Nach Setzung von Ausschlussfristen gemäß § 79b Abs. 1 und 79b Abs. 2 Finanzgerichtsordnung – FGO – durch den Senatsvorsitzenden (Bl. 5, 36, 50), auf die der Kläger entgegnete, er könne wegen seiner schweren Diabetes und einer gegen ihn laufenden Fahndungsprüfung die entsprechenden Beträge und Nachweisunterlagen zu den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung mangels vollständig verfügbarer Unterlagen nur lückenhaft zusammenstellen (Bl. 25, 29, 32, 39 41, 53), hat der Senat der Klage durch Gerichtsbescheid vom 19. Juli 2002, zugestellt am 23. Juli 2002 (Bl. 74), insoweit stattgegeben, als der Beklagte im Klageverfahren die Berücksichtigung von Werbungskosten des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit und Sonderausgaben der Eheleute zugestanden hat. Hinsichtlich der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung bestätigte der Gerichtsbescheid die Schätzung des Beklagten.
Am 23. August 2002 hat der Kläger Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt.
In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger dem Ansatz der vom Beklagten bislang zugestandenen Werbungskosten und Sonderausgaben zugestimmt. Er beantragt,
unter Änderung der Bescheide vom 6. Februar 1997, sämtlich in Form der Einspruchsentscheidung vom 15. Mai 2001, die Einkommensteuer für 1992 bis 1995 unter Berücksichtigung von Werbungskosten aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe jeweils von 4.840 DM für 1992 und 1993 und 5.050 DM für 1994 und 1995, von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung in Höhe der in der mündlichen Verhandlung eingereichten Aufstellung sowie von Sonderausgaben in Höhe von jeweils 18.000 DM für 1992 bis 1995 festzusetzen.
Bezüglich der allein noch streitbefangenen Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung kö...