Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerpflicht von in Deutschland stationierten und einem NATO-Hauptquartier unterstellten deutschen Soldaten bei Überschreiten der Höchstmenge für den Bezug steuerbegünstigter Zigaretten
Leitsatz (redaktionell)
- Soweit ein deutscher Angehöriger eines einem NATO-Hauptquartier unterstellten inländischen Truppenverbandes steuerbegünstigte Zigaretten über die durch Abkommen, Gesetz, Verwaltungsvereinbarung und Befehle bestimmten Höchstmengen hinaus bezieht, wird die Ware der Zollgutverwendung des Hauptquartiers entnommen und - bei Erfüllung der subjektiven Voraussetzungen - die Zoll-, Tabaksteuer- und Umsatzsteuerschuld des Übernehmers (Erwerbers) begründet.
- Die Festsetzungsfrist für die Abgabenschuld beträgt auch dann 10 Jahre, wenn der Erwerb geringer Mengen nach dem TabStG lediglich eine Ordnungswidrigkeit darstellt, da der Übernehmer hierbei einen Vermögensvorteil durch die nicht strafrechtlich privilegierte Steuerhinterziehung der für die Abgabe der steuerbegünstigten Zigaretten zuständigen Soldaten erlangt, die die Zollbehörden pflichtwidrig über die die erlaubten Mengen überschreitenden Entnahmen in Unkenntnis gelassen haben.
- Die die Mengenbegrenzung für die Abgabe steuerbegünstigter Zigaretten regelnden truppenzollrechtlichen Vorschriften füllen die Blankettnorm des § 370 AO in hinreichend bestimmter Weise aus, so dass dem verfassungsrechtlichen Gesetzesvorbehalt für die Strafbarkeit einer Zuwiderhandlung genügt ist.
- Die gerichtliche Aussetzung der Vollziehung einer durch das Truppenzollrecht geregelten Abgabenschuld richtet sich nach der FGO.
Normenkette
TruppenZG § 1 Abs. 1, § 3 Abs. 1 S. 1, § 4; ZG § 57 Abs. 2 S. 2; TabStG §§ 21, 30a Abs. 1; UStG § 21 Abs. 2; NATO-Truppenstatut Art. XI; Zusatzabkommen zum NATO-Truppenstatut Art. 65; AO §§ 4, 38, 169, 370; GG Art. 103 Abs. 2; FGO § 69; ZK Art. 244 Abs. 2
Streitjahr(e)
1994, 1995, 1996, 1997, 1998, 1999
Tatbestand
I.
Der Antragsteller begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen seine Inanspruchnahme für Tabaksteuer, Zoll und Einfuhrumsatzsteuer durch den Antragsgegner.
Der Antragsteller gehörte als Soldat dem Fernmelderegiment…an,... .
Diese in…stationierte Einheit der Bundeswehr war ein integrierter NATO-Unterstützungsverband, deren Soldaten zum Bezug steuerbegünstigter Waren berechtigt waren. Entsprechend den Bestimmungen des dem Obersten Hauptquartier der Alliierten Mächte Europa (SHAPE) unterstellten Hauptquartiers LANDCENT war die Höchstmenge für den Bezug steuerbegünstigter Zigaretten durch Befehle zunächst auf bis zu 600 Stück und vom 01.09.1998 an auf bis zu 800 Stück im Monat beschränkt. Weiter war in den Befehlen bestimmt, dass der Missbrauch der Vergünstigungen, insbesondere auch der Einkauf über den eigenen Bedarf hinaus, einen strafbaren Verstoß gegen die deutschen Zoll- und Steuergesetze darstelle. Die zum Bezug berechtigten Soldaten wurden über diese Befehle regelmäßig alle drei Monate unterrichtet.
Den Bezug der steuerbegünstigten Waren organisierte seitens der Fernmeldeeinheit das Property Accounting Office (PAO), das für jeden berechtigten Soldaten für die Dauer seiner Berechtigung einen Einkaufsausweis erstellte, mit dem der Soldat die steuerbegünstigten Waren einkaufen durfte. Die Waren wurden als Nichtgemeinschaftswaren durch die Verkaufseinrichtung der britischen Streitkräfte, die NAAFI, geliefert und in Kommission vom PAO verkauft. In diesem Rahmen boten seit 1991 oder 1992 Zigarettenhersteller anlässlich von Werbemaßnahmen Gebinde mit 500 Zigaretten an, von denen nur 400 Zigaretten als Kaufpreis berechnet wurden. Seit Ende 1999 gab es weitere Werbemaßnahmen bestimmter Zigarettenhersteller, bei denen Gebinde mit 1.000 Zigaretten zum Preis von 800 Zigaretten verkauft wurden. Der Bezug von Zigaretten im Rahmen der Werbemaßnahmen wurde vom PAO nur in der Höhe der tatsächlich entrichteten Kaufpreise auf das Monatskontingent angerechnet, sodass die infolge der Werbemaßnahmen unberechnet gebliebenen Zigaretten über die jedem Soldaten zustehende Menge hinaus abgegeben wurden. Die Soldaten des PAO gingen davon aus, dass sämtliche örtlichen Dienstvorgesetzten von dieser Praxis Kenntnis hatten und die Abgabe der die Rationen überschreitenden, nicht berechneten Zigaretten keinen Missbrauch der Abgabenbegünstigung darstellte.
Nach Feststellungen des Antragsgegners aufgrund der Auswertung der vom PAO geführten Unterlagen hatte der Antragsteller in der Zeit 11.01.1994 bis zum 21.06.1999 insgesamt 5.600 unversteuerte Zigaretten über die ihm nach den Befehlen zugeteilte Höchstmenge hinaus bezogen.
Wegen dieser Menge nahm der Antragsgegner den Antragsteller mit Steuerbescheid vom 26.04.2004 für 179,42 EUR Zoll, 416,99 EUR Tabaksteuer und 126,85 EUR Einfuhrumsatzsteuer - EUSt -, zusammen 723,26 EUR in Anspruch.
Dazu führte er aus, nach Art. 16 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Obersten Hauptquartier der Alliierten Mächte, Europa über die besonderen Bedingungen für die Errichtung und den Betrieb interna...