rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Anerkennung von Kirchensteuer als Sonderausgabe im Jahr der wirtschaftlichen Belastung
Leitsatz (redaktionell)
Ein Kirchensteuer-Erstattungsüberhang in einem Folgejahr stellt kein rückwirkendes Ereignis in Bezug auf den Sonderausgabenabzug des Verausgabungsjahres dar, wenn der Erstattungsüberhang vor Ergehen des bestandskräftigen Steuerbescheides für das Verausgabungsjahr entstanden ist.
Normenkette
EStG § 10 Abs. 1 Nr. 4; AO § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2
Tatbestand
I.
Die Antragsteller werden als Eheleute für die Jahre 1996, 1997 und 1999 zusammen und für das Jahr 1998 getrennt zur Einkommensteuer veranlagt.
Bei der Veranlagung zur Einkommensteuer 1999 waren folgende römisch-katholische Kirchensteuerzahlungen und -Erstattungen im Jahr 1999 (alle Angaben in DM) zu berücksichtigen, die die Antragsteller auch in ihrer Steuererklärung insgesamt zutreffend angegeben hatten:
in 1999 gezahlte KiSt lt. Lohnsteuerkarte: |
+ 49.580,53 |
KiSt-Nachzahlung 1996 (lt. Bescheid vom 11.06.1999) |
+ 12.934,98 |
Summe KiSt-Nachzahlungen |
62.515,51 |
KiSt-Erstattung für 1996 (lt. Bescheid vom 27.05.1999) |
- 36.781,74 |
KiSt-Erstattungen für 1997 (lt. Bescheiden vom 27.05.1999 und vom 11.06.1999) = 6.805,26 DM + 17.943,12 DM |
- 24.748,38 |
KiSt-Erstattung Antragsteller für 1998 (Bescheid vom 25.05.1999) |
- 46.248,62 |
Summe KiSt-Erstattungen |
107.778,74 |
Erstattungsüberhang |
45.263,23 |
Im Rahmen des Einkommensteuerbescheids für 1999 vom 3.08.2000 berücksichtigte der Antragsgegner -das Finanzamt- die gezahlten Kirchensteuern wegen des Erstattungsüberhangs nicht als Sonderausgaben i. S. d. § 10 Abs. 1 Nr. 4 EStG. Darüber hinaus unternahm das Finanzamt zunächst nichts. In der Folgezeit ergingen mehrere Änderungsbescheide wegen Einkommensteuer 1996, 1997 und 1998, in denen die als Sonderausgaben berücksichtigten Kirchensteuern unverändert blieben.
Im Rahmen einer landesweiten Überprüfung wurden im Herbst 2003 alle Fälle des Veranlagungszeitraums 1999 mit einem Kirchensteuererstattungsüberhang von mehr als 10.000 DM aufgegriffen. Infolgedessen erließ das Finanzamt am 8.12.2003 jeweils gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Abgabenordnung 1977 -AO- Einkommensteuer-Änderungsbescheide für 1996 und 1997 gegenüber beiden Antragstellern und für 1998 gegenüber dem Antragsteller. Hierin verteilte es den Erstattungsüberhang aus 1999 (45.263 DM) in der Weise, dass es jeweils die als Sonderausgaben berücksichtigten Kirchensteuerzahlungen minderte, und zwar für 1996 um 15.447 DM, für 1997 um 10.393 DM und für 1998 um 19.422 DM. Die Änderungsbescheide führten zu Nachzahlungen von insgesamt 5.538,84 EUR (für 1996), 3.720,53 EUR (für 1997) und 4.267,79 EUR (für 1998).
Gegen diese Bescheide erhoben die Antragsteller fristgerecht Einspruch und beantragten beim Finanzamt die Aussetzung der Vollziehung. Zur Begründung führten sie an, es liege kein rückwirkendes Ereignis im Sinne des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO vor. Die Kirchensteuererstattungen seien in 1999 erfolgt; nach dem Zuflussprinzip (§ 11 EStG) seien die Sonderausgaben in 1999 um die Erstattungen zu kürzen, nicht jedoch bestandskräftige Veranlagungen der Vorjahre zu ändern.
Das Finanzamt lehnte die Aussetzung der Vollziehung ab (vgl. die Weisung der OFD Düsseldorf im Schreiben vom 7.11.2003 S 2221 A -St 222, Tz. 4). Zur Begründung schloss es sich dem Beschluss des 11. Senats des FG Düsseldorf vom 7. Juli 2003 11 V 3056/03 A (E) an: Aus dem in § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG verwendeten Begriff „Aufwendungen” folge, dass nur solche Ausgaben als Sonderausgaben abziehbar seien, durch die der Steuerpflichtige endgültig wirtschaftlich belastet sei (vgl. BFH-Urteil vom 26.06.1996 X R 73/94, BStBl II 1996, 646). Werden Ausgaben in einem späteren Jahr erstattet, liege keine endgültige wirtschaftliche Belastung und in Höhe der Erstattung somit keine Aufwendung i.S. des § 10 Abs.1 Satz 1 EStG vor. Die Erstattung sei daher an sich durch die Kürzung des Sonderausgabenabzugs im Zahlungsjahr zu berücksichtigen. Dies hätte aber bei den in der Regel jährlich wiederkehrenden Sonderausgaben -wie der Kirchensteuer- zur Folge, dass zahllose Veranlagungen bei zum Teil nur geringfügigen Erstattungen zu ändern wären. Aus Gründen der Praktikabilität und der Rechtskontinuität habe es der Bundesfinanzhof -BFH- deshalb als gerechtfertigt angesehen, dass Erstattungen von Sonderausgaben ausnahmsweise im Erstattungsjahr und nicht steuersystematisch richtig im Zahlungsjahr zu verrechnen seien (vgl. BFH-Urteil vom 26.06.1996 X R 73/94, BStBl II 1996, 646; vom 28.05.1998 XR 7/96, BStBl II 1999, 95 und vom 18.05.2000 IV R 28/98, BFH/NV 2001, 238). Eine Ausnahme von der steuersystematisch richtigen Korrektur im Zahlungsjahr habe der BFH aber in zwei Fällen als nicht hinnehmbar angesehen, da die Steuerpflichtigen in diesen beiden Fällen ungerechtfertigte Steuervorteile erlangen könnten. Eine Kürzung der gezahlten Sonderausgaben sei im Zahlungsjahr vorzunehmen, soweit der Steuerpflichtige willkürliche, die voraussichtliche Schuld weit übe...