Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerhinterziehung und Festsetzungsverjährung bei verfassungswidrigen Steuern (hier: Vermögensteuer, Zinsbesteuerung)
Leitsatz (redaktionell)
- Unabhängig von der Strafbarkeit einer vorsätzlichen Verkürzung der Vermögensteuer als Steuerhinterziehung steht die Verfassungswidrigkeit des bis zum 31.12.1996 weiter anwendbaren VStG der Verlängerung der Festsetzungsfrist für die verkürzte Steuer auf 10 Jahre nicht entgegen.
- Nachdem der Gesetzgeber ab 1993 eine verfassungskonforme Neuregelung der Zinsbesteuerung getroffen hat und deshalb die vom BVerfG für deren Verfassungswidrigkeit genannte Bedingung nicht eingetreten ist, stellt die vorsätzliche Verkürzung von Einkommensteuer auf Zinsen in den Jahren 1990 und 1991 eine Steuerhinterziehung mit der Folge der Verlängerung der Festsetzungsfrist auf 10 Jahre dar.
Normenkette
AO § 169 Abs. 2 S. 2 2. HS, § 370 Abs. 1; StGB § 2 Abs. 3; EStG 1990 § 20 Abs. 1 Nr. 7; VStG § 10 Nr. 1
Tatbestand
Streitig ist die Berechtigung des Antragsgegners, im Jahre 1999 geänderte Vermögensteuerbescheide auf den 01.01.1986 bis 01.01.1994 zu erlassen sowie Kapitaleinkünfte im Rahmen der Einkommensteuerfestsetzungen 1986 bis 1996 zu besteuern.
Die Antragsteller sind Eheleute, die in den Streitjahren zusammen zur Einkommensteuer und Vermögensteuer veranlagt wurden. Der 1925 geborene Antragsteller war in den Streitjahren Geschäftsführer der "X"-GmbH & Co KG in "A". Die Antragstellerin ist als Kommanditistin an der Gesellschaft beteiligt. Neben den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit erzielte der Antragsteller in den Streitjahren u.a. Einkünfte aus Kapitalvermögen. Diese stammten u.a. aus einem der KG gewährten Darlehen, aus Sparguthaben und aus Wertpapieren. Aufgrund der abgegebenen Einkommensteuer- und Vermögensteuererklärungen veranlagte der Antragsgegner die Antragsteller zunächst erklärungsgemäß zur Einkommensteuer und Vermögensteuer.
Am 9. Juli 1996 leitete das Finanzamt für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung ein Steuerstrafverfahren gegen die Antragsteller ein. Die Einleitung gab die Steuerfahndungsstelle am 17. Februar 1997 gegenüber den Antragstellern bekannt. Die Ermittlungsergebnisse, die im Bericht vom 17. März 1999 zusammengefasst sind, wertete der Antragsgegner in der Folgezeit aus und erließ am 14. Juli 1999 geänderte Einkommensteuerbescheide für 1984 und für 1986 bis 1996, am 15. Juli 1999 einen geänderten Vermögensteuerbescheid auf den 01.01.1992, am 22. Juli 1999 geänderte Vermögensteuerbescheide auf den 01.01.1986, 01.01.1987, 01.01.1989, 01.01.1990, 01.01.1993 und 01.01.1994 sowie am 8. Oktober 1999 einen geänderten Vermögensteuerbescheid auf den 01.01.1990. Über die dagegen eingelegten Einsprüche hat der Antragsgegner bislang noch nicht entschieden.
Zusammen mit der Einspruchseinlegung beantragten die Antragsteller mit Schreiben vom 5. August 1999 die Aussetzung der Vollziehung der geänderten Vermögensteuerbescheide für die Veranlagungszeiträume 1986 bis 1990 und 1992 bis 1994 sowie die Aussetzung der Vollziehung der geänderten Einkommensteuerbescheide 1990, 1991 und 1993 bis 1996 und mit weiterem Schreiben vom 3. November 1999 die Aussetzung der Vollziehung des geänderten Vermögensteuerbescheides auf den 01.01.1991. Mit Verfügungen vom 20. Januar 2000 lehnte der Antragsgegner die begehrte Aussetzung der Vollziehung ab. Den Einspruch vom 14. Februar 2000 gegen diese Ablehnung wies er mit Einspruchsentscheidung vom 17. Februar 2000 als unbegründet zurück.
Mit ihrem bei Gericht gestellten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung vom 9. Februar 2000 begehren die Antragsteller die Aussetzung der Vollziehung der Einkommensteuerbescheide für 1984 und für 1986 bis 1996 sowie der Vermögensteuerbescheide 1986 bis 1994 gem. § 69 Abs. 3 i.V.m. § 69 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Zur Begründung tragen sie unter Bezugnahme auf ihre an den Antragsgegner gerichteten Schreiben vom 5. August 1999 im Wesentlichen vor, der Antrag sei zulässig, weil die gestellten Anträge auf Aussetzung der Vollziehung vom Antragsgegner mit Schreiben vom 20. Januar 2000 abgelehnt worden seien und auch Vollstreckung drohe. Die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Vermögensteueränderungsbescheide sei ernstlich zweifelhaft, da 1999 bereits die Festsetzungsverjährung eingetreten gewesen sei. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) habe mit Beschluss vom 22. Juni 1995 die Vermögensteuer in den Streitjahren für verfassungswidrig erklärt. Eine strafbare Steuerhinterziehung liege demnach nicht vor. Das Landgericht (LG) München II habe entschieden, dass seit dem 01.01.1997 die Vermögensteuerhinterziehung auch für Veranlagungszeiträume vor 1997 nicht mehr möglich sei. Damit sei eine auf fünf bzw. zehn Jahre verlängerte Festsetzungsfrist ausgeschlossen.
Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung der Einkommensteuerbescheide richte sich gegen die Erfassung von Zinseinkünften des Antragstellers. Das BVerfG habe die Besteuerung der Zinseinkünfte für die Jahre 1981 bis 1992 für verfassungswid...