Entscheidungsstichwort (Thema)
Erneute Verwirklichung eines Gebührentatbestandes nach der Beiordnung
Leitsatz (redaktionell)
- Anwaltliche Verfahrensgebühren werden auch dann vom Umfang der Prozesskostenhilfe umfasst, wenn der Gebührentatbestand nach der Beiordnung erneut verwirklicht wird.
- Für eine einschränkende Auslegung der den Umfang der Forderungssperre gegenüber dem Mandanten regelnden Vorschrift des § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO in der Weise, dass hierdurch nur anwaltliche Gebühren, die nach der Beiordnung erstmalig verwirklicht werden, erfasst würden, ergeben sich aus dem Wortlaut der Vorschrift keine Anhaltspunkte.
Normenkette
FGO § 142 Abs. 1; ZPO § 122 Abs. 1 Nr. 3; RVG § 45 Abs. 1; VV Nr. 3200
Streitjahr(e)
2006, 2007
Tatbestand
I.
Streitig ist, ob dem Erinnerungsführer ein Anspruch auf Festsetzung der Vergütung aus der Staatskasse nach §§ 45 ff. Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) zusteht.
Der Erinnerungsführer hat am 28.09.2006 Klage für seinen Mandanten erhoben. Nach Akteneinsicht begründete der Erinnerungsführer die Klage mit Schriftsatz vom 30.03.2007, eingegangen beim Finanzgericht am 30.03.2007, und beantragte Prozesskostenhilfe für seinen Mandanten.
Mit Beschluss vom 02.08.2007 gewährte der Senat die beantragte Prozesskostenhilfe ab dem Tage der Stellung des Antrags und ordnete den Einspruchsführer seinem Mandanten zur vorläufigen unentgeltlichen Wahrnehmung seiner Rechte zu.
Mit Schriftsatz vom 16.08.2007 bat der Einspruchsführer um Festsetzung der folgenden Gebühren:
Gegenstandwert: 5.544,00 EUR |
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1,30 Verfahrensgebühr gemäß §§ 2 Abs. 2, 13 RVG i. V. m. Nr. 3100 VV RVG |
292,50 EUR |
Auslagenpauschale Nr. 7002 VV RVG |
20,00 EUR |
Summe |
312,50 EUR |
19 % Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG |
59,38 EUR |
Rechnungsbetrag |
371,88 EUR |
Der Einspruchsführer wurde vom Finanzgericht darauf hingewiesen, dass eine Festsetzung von Vergütungsansprüchen nur wegen solcher Vergütungsansprüche zulässig sei, die für eine Tätigkeit während des Beitreibungszeitraums neu entstanden seien. Eine Tätigkeit, für die die gesetzliche Vergütung eines Anwalts ohne Prozesskostenhilfe bereits entstanden sei, könne auch dann nicht aus der Staatskasse festgesetzt werden, wenn sie im Beiordnungszeitraum fortgesetzt werde. Voraussetzung sei, dass die Gebühr im Beitreibungszeitraum nach dem RVG zusätzlich entstehe. Vorliegend sei bereits vor Bewilligung der Prozesskostenhilfe und Beiordnung die Verfahrensgebühr gemäß VV Nr. 3200 RVG angefallen, denn der Einspruchsführer sei für seinen Mandanten nicht nur im Prozesskostenhilfeverfahren, sondern von Beginn an auch im Klageverfahren aufgetreten. Die hierfür vor der Beiordnung bereits angefallene Verfahrensgebühr sei daher von der Beiordnung nicht umfasst. Ergänzend wurde auf die Ausführungen im Beschluss des 4. Senats vom 25.07.1997 zum Verfahren 4 Ko 14/95 KF hingewiesen.
Der Erinnerungsführer erwiderte, dass die Verfahrensgebühr für den gesamten Zeitraum des Verfahrens gelte. Im Regelfall entstehe die Verfahrensgebühr nach der Entgegennahme der ersten Information nach Erteilung des Auftrags durch den Mandanten. Es komme dabei nicht darauf an, wann sich der Anwalt bei Gericht bestellt habe. Mit der geäußerten Auffassung des Gerichts ließen sich somit alle Festsetzungsanträge hinsichtlich einer Verfahrensgebühr abschmettern. Zwar sei der zeitliche Rahmen der Gewährung von PKH und der Beiordnung deshalb von Bedeutung, weil der beigeordnete Anwalt eine Vergütung für all diejenigen Gebührentatbestände erhalte, die er nach Bewilligung der PKH und nach erfolgter Beiordnung sowie vor dem Ende der Wirkungsdauer verwirklicht habe. Allerdings sei zu beachten, dass auch eine wiederholte Erfüllung der Voraussetzungen eines Gebührentatbestandes nach wirksamer Beiordnung den Anspruch gegen die Staatskasse entstehen lasse. Die Entscheidung des Finanzgerichts Düsseldorf im Verfahren 4 Ko 14/95 KF betreffe den Fall, dass der erinnerungsführende Rechtsanwalt gemäß § 126 ZPO sein eigenes Beitreibungsrecht gegen die unterlegene Partei geltend gemacht habe. Dieses eigene Beitreibungsrecht umfasse die volle gesetzliche Vergütung, soweit nicht die eigene Partei oder die Staatskasse bereits gezahlt hätten. So sei der oben angegebenen Entscheidung auch zweifelsfrei zu entnehmen, dass der Rechtsanwalt richtigerweise die PKH-Gebühren einschließlich der Verfahrensgebühr (Prozessgebühr § 31 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO) aus der Staatskasse erhalten habe, jedoch nunmehr gemäß § 126 ZPO im eigenen Namen die bereits vor Beiordnung entstandene volle Wahlanwaltsgebühr gegen den unterlegenen Prozessgegner beitreiben wolle.
Er (der Erinnerungsführer) habe keinen Antrag nach § 126 ZPO gestellt und verlange auch keine Wahlanwaltsgebühr, sondern bitte lediglich um einen PKH-Vergütungsvorschuss aus der Staatskasse. Dieser umfasse selbstverständlich auch die Verfahrensgebühr, da diese im gesamten Verfahren, also auch nach der Beiordnung anfalle.
Mit Beschluss vom 25.09.2007 wurde der Antrag auf Festsetzung der Vergütung aus der Staatskasse gemäß §§ 45 ff. RVG ab...