Vergütungsanspruch beigeordneter Rechtsanwälte

Der beigeordnete Rechtsanwalt hat grundsätzlich auch ohne ausdrückliche gesetzliche Regelung einen Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse.

Enthält das Gesetz keine ausdrückliche Regelung über die Vergütung eines beigeordneten Rechtsanwalts, richtet sich dessen Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse nach der Auffangregelung des § 45 Abs. 3 Satz 1 RVG. Dies hat das AG Stuttgart im Fall der Beiordnung eines Rechtsanwalts in einer Ausländersache entschieden.

Beiordnung eines Anwalts bei Abschiebehaft und Ausreisegewahrsam obligatorisch

Im konkreten Fall wurde einem zur Sicherung seiner Abschiebung in Sicherungshaft genommenen Pakistaner ein Rechtsanwalt als anwaltlicher Vertreter nach § 62d AufenthG beigeordnet. Nach § 62d AufenthG ist dem in Abschiebungshaft genommenen Ausländer zwingend ein Rechtsanwalt beizuordnen, der den Betroffenen angesichts des erheblichen Eingriffs in seine Freiheitsrechte in die Lage versetzen soll, seine Rechte in einer für ihn fremden Verfahrensordnung effektiv wahrzunehmen.

Beigeordneter Anwalt beantragte Vergütung aus der Staatskasse

Der bevollmächtigte Anwalt beantragte darauf die Festsetzung einer Verfahrensgebühr nach Nr. 6300 VV RVG, einer Terminsgebühr gem. Nr. 6301 VV RVG und einer Post- und Telekommunikationspauschale nach Nr. 7002 VV RVG in Höhe von insgesamt 556,92 EUR. Die Urkundsbeamte setzte die Gebühr antragsgemäß fest.

Bezirksrevisor legte Erinnerung ein

Der Bezirksrevisor erhob gegen die Festsetzung Erinnerung mit der Begründung, das Gesetz sehe für die Beiordnung nach § 62d AufenthG keine Gebühr zulasten der Staatskasse vor. Es handele sich um eine Regelungslücke, auf die der Rechtsausschuss des Bundesrates in seiner Stellungnahme zur Gesetzesvorlage ausdrücklich hingewiesen habe. Der Gesetzgeber habe hierauf bewusst nicht reagiert, sodass die Regelungslücke hinzunehmen sei.

Spezialgesetzliche Vergütungsregelung bei Beiordnung für Abschiebehaft fehlt

Die Argumentation des Bezirksrevisors überzeugte das mit der Erinnerung befasste AG nicht. Zwar fehle es tatsächlich an einer spezialgesetzlichen Regelung hinsichtlich der Vergütung von nach § 62d AufenthG beigeordneten Rechtsanwälten, jedoch sei eine solche Regelung nicht erforderlich. In diesen Fällen greife ohne weiteres die Auffangnorm des § 45 Abs. 3 RVG.

Keine Beiordnung ohne Gebührenanspruch

Die seitens des Bezirksrevisors offensichtlich vertretene Auslegung, dass ein beigeordneter Anwalt seine Vergütungsansprüche selbst bei seinem Mandanten geltend machen müsse, sei dem deutschen Recht fremd. In zahlreichen anderen Vorschriften der Beiordnung – so der Beiordnung in familiengerichtlichen Angelegenheiten gem. § 78 FamFG oder der Beiordnung in einem strafrechtlichen Wiederaufnahmeverfahren gem. § 364b StPO – sei anerkannt, dass die Vergütung sich in Ermangelung einer spezialrechtlichen Vorschrift nach § 45 Abs. 3 RVG richtet. Dies gilt nach der Entscheidung des AG auch für die Beiordnung im Rahmen einer Abschiebehaft.

Beiordnung ohne Gebührenanspruch wäre lebensfremd

Darüber hinaus erscheint dem Gericht die Annahme, ein vom Gericht zwingend beizuordnender Rechtsanwalt würde ein Mandat ohne gesetzlichen Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse übernehmen, lebensfremd. Soweit eine Ausnahme für den Notanwalt nach § 78b ZPO (Rechtsuchender findet in einem Anwaltsprozess keinen zu seiner Vertretung bereiten Rechtsanwalt) vertreten wird, ist dieser Fall nicht vergleichbar, da der Notanwalt sein Tätigwerden nach § 78c ZPO von der Zahlung eines Vorschusses abhängig machen kann.

Gebührenanspruch des beigeordneten Anwalts gegen die Staatskasse

Im Ergebnis folgt damit der Anspruch des beigeordneten Anwalts auf Vergütung der erbrachten Tätigkeit nach der Entscheidung des AG aus § 45 Abs. 3 RVG, der Anspruch auf Erstattung der geltend gemachten Auslagen aus § 46 Abs. 1 RVG. Der Erinnerung des Bezirksrevisors gegen die Kostenfestsetzung des Rechtspflegers blieb damit der Erfolg versagt.

(AG Stuttgart, Beschluss v. 10.7.2024, 527 XIV 271/24)