Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundbesitzbewertung für Zwecke der Schenkungssteuer
Leitsatz (redaktionell)
Die Veräußerung des zu bewertenden Grundstücks in zeitlicher Nähe zum Bewertungsstichtag (hier: im Zuge einer mittelbaren Grundstücksschenkung) kann einen geeigneten Vergleichspreis i.S.v. § 183 Abs. 1 BewG darstellen, wenn der Verkaufspreis im gewöhnlichen Geschäftsverkehr erzielt und nicht durch besondere persönliche Verhältnisse, die in der Person des Steuerpflichtigen begründet sind, beeinflusst wurde.
Die zu Gunsten des Steuerpflichtigen in § 198 BewG eröffnete Möglichkeit, einen niedrigeren gemeinen Wert nachzuweisen, schließt es nicht aus, auch im typisierenden Vergleichswertverfahren des § 183 BewG einen zeitnahen Verkaufspreis zugrunde zu legen.
Normenkette
BewG § 9 Abs. 2 S. 1, §§ 177, 182 Abs. 2 Nr. 3, § 183 Abs. 1 S. 1, § 198
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Anwendung des Vergleichswertverfahrens bei der Grundbesitzbewertung für Zwecke der Schenkungssteuer.
Die Beigeladene erhielt aufgrund eines Schenkungsvertrages vom 27.03.2017 von ihrem Vater, dem Kläger, einen Betrag i.H.v. 920.000 € zuzüglich Notarkosten und Gerichtskosten sowie der anfallenden Grunderwerbsteuer für den Erwerb eines Grundstücks in Z-Stadt, Flur 1 Flurstücke 2 und 3, eingetragen im Grundbuch des Amtsgerichts Y-Stadt…Blatt…und…schenkweise zugewandt. Die Beigeladene erwarb das entsprechende Grundstück von C und D aufgrund eines Kaufvertrages vom 00.03.2017 zum Kaufpreis von 920.000 €. Laut Kaufvertrag waren in diesem Betrag 45.000 € für mitverkauftes Inventar enthalten. Die auf die Schenkung entfallende Schenkungssteuer sollte laut Vertrag der Kläger übernehmen.
Aufgrund dessen fragte die Erbschafts- und Schenkungssteuerstelle des Finanzamtes X-Stadt durch Schreiben vom 14.09.2017 den Grundbesitzwert für das oben genannte Grundstück für Zwecke der Schenkungssteuer beim Beklagten an. In ihrer Erklärung zur Feststellung des Bedarfswerts gingen der Kläger und die Beigeladene von einer Ermittlung des Grundbesitzwertes im Sachwertverfahren aus.
Der Beklagte stellte durch Bescheid vom 17.9.2019 einen Grundbesitzwert i.H.v. 920.000 € auf den 16.6.2017 im Vergleichswertverfahren fest. Der Kläger legte durch Schreiben vom 14.10.2019 Einspruch ein. Zur Begründung machte er geltend, dass kein Vergleichspreis vorliege. Bei mittelbaren Grundstücksschenkungen sei der Grundbesitzwert gemäß § 12 des Erbschaftsteuergesetzes anzusetzen. Dieser könne im Streitfall nicht aufgrund des Vergleichswertverfahrens bestimmt werden. Das Gesetz verlange hierzu gemäß § 183 Abs. 1 des Bewertungsgesetzes - BewG - Kaufpreise einer Mehrzahl „von Grundstücken“ nicht hingegen, den eines einzelnen Grundstücks. Ein einzelner Verkaufspreis könne sich nur im Rahmen des § 198 BewG zu Gunsten des Steuerpflichtigen auswirken.
Der Beklagte wies den Einspruch des Klägers durch Einspruchsentscheidung vom 29.11.2019 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er aus, dass keine Vielzahl von Vergleichsgrundstücken erforderlich sei, wenn als Vergleichswert der Kaufpreis für das zu bewertende Grundstück selbst herangezogen werden könne.
Der Kläger hat durch Schreiben vom 20.12.2019 Klage erhoben.
Zur Begründung trägt er vor, dass mangels geeigneter Vergleichswerte das Sachwertverfahren zur Bewertung einschlägig sei. Dies ergebe sich bereits aus dem Wortlaut von § 183 Abs. 1 BewG, wonach Kaufpreise einer Mehrzahl von Grundstücken, die hinsichtlich der ihren Wert beeinflussenden Merkmale mit dem zu bewertenden Grundstück hinreichend übereinstimmen (Vergleichsgrundstücke) heranzuziehen seien. Das Vergleichswertverfahren fuße auf der Annahme, dass aus der Kenntnis von Kaufpreisen vergleichbarer Objekte unter Rückgriff auf statistische Methoden eine Prognose über den wahrscheinlichsten Marktpreis einer Immobilie getroffen werden könne. Anwendungsvoraussetzung sei daher eine ausreichende Anzahl von geeigneten Verkaufspreisen. Hiervon sei nach der Literatur erst dann auszugehen, wenn ein Stichprobenumfang von 30 vergleichbaren Objekten mathematisch-statistisch nachgewiesen sei. Der tatsächliche Kaufpreis als alleiniger Vergleichswert bilde nicht die Marktsituation ab. Das im Streitfall mittelbar erworbene Grundstück könne daher allein nicht genügen, um einen allgemein am Markt erzielbaren Preis zu ermitteln. Bei dem Vergleichswertverfahren handele es sich um eine typisierende Wertermittlung. Grundlage seien nach der Gesetzesbegründung die von den Gutachterausschüssen mitgeteilten Vergleichspreise. Nachrangig könne auf die in der Finanzverwaltung vorliegenden Unterlagen zu vergleichbaren Kauffällen zurückgegriffen werden. Dafür spreche auch die Regelung in § 183 Abs. 3 BewG, die den Wert beeinflussende Besonderheiten privatrechtlicher und öffentlich-rechtlicher Art bei der Bewertung ausklammere.
Soweit der Gesetzgeber gewollt hätte, dass der Kaufpreis für das zu bewertende Grundstück selbst als Bewertungsmaßstab hinzugezogen werden könne, hätte er dies ausdrücklich in das...