Entscheidungsstichwort (Thema)
Kein Entzug aus innergemeinschaftlichem Steueraussetzungsverfahren bei objektiver Nichtberechtigung des Beziehers, Branntwein unter Steueraussetzung zu beziehen
Leitsatz (redaktionell)
Für die Entstehung der Branntweinsteuer durch Entzug aus dem innergemeinschaftlichen Steueraussetzungsverfahren kommt es auf das Vorliegen der objektiven Voraussetzungen für die wirksame Verfahrenseröffnung (Berechtigung von Versender und Empfänger) und nicht auf die subjektiven Vorstellungen der Beteiligten an. Fehlt es an diesen Voraussetzungen, werden die verbrauchsteuerpflichtigen Waren im freien Verkehr versandt.
Normenkette
BranntwMonG § 141 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 143 Abs. 1 Sätze 1, 3, Abs. 4 Nr. 1, § 144 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 S. 2; RL (EWG) Nr. 92/12 Art. 15 Abs. 1, Art. 16 Abs. 1 S. 2
Tatbestand
Die Klägerin, eine griechische Brennerei, versandte an D mit begleitendem Verwaltungsdokument Nr. 107 vom 2. Dezember 1994 18.000 Flaschen Branntwein ('Branntwein') zu je 0,7 l mit 38 Vol % Alkohol von Griechenland in die Bundesrepublik Deutschland. Die Lieferung sollte im innergemeinschaftlichen Steuerversandverfahren unter Steueraussetzung erfolgen. Da die Klägerin bisher mit D noch nicht zusammengearbeitet hatte, zog sie zuvor folgende Erkundigungen über den Empfänger ein: Mit Telefax vom 30. November 1994 ging ihr eine - an D gerichtete - Bescheinigung des Finanzamts M vom 1. März 1994 ein, in der diesem bestätigt wurde, dass er umsatzsteuerrechtlich geführt werde. Die Bescheinigung nimmt ferner Bezug auf die Umsatzsteuernummer: „...” und die Verbrauchsteuernummer: „...” des D. Auf Nachfrage bestätigte das griechische Finanzministerium der Klägerin mit Schreiben 1. Dezember 1994 die Umsatzsteuernummer des D. Bei der Übergabe des Branntweins in Griechenland an das beauftrage Transportunternehmen erhielt die Klägerin 19.800,- DM in bar.
Tatsächlich war der Empfänger D zum Bezug des Branntweins unter Steueraussetzung nicht berechtigt, denn er war weder Inhaber eines Steuerlagers noch berechtigter Empfänger. Die auf der Bescheinigung des Finanzamts M vom 1. März 1994 befindliche Verbrauchsteuernummer wurde nachträglich durch D eingetragen, die Lieferung bei der Bestimmungszollstelle nicht gestellt und das sog. „Drittstück” des begleitenden Verwaltungsdokuments der Klägerin nicht übersandt.
Durch mittlerweile rechtskräftiges Urteil des Amtsgerichts B vom 4. Mai 1999 -…- wurde u. a. D wegen gemeinschaftlich begangener Steuerhinterziehung in fünf Fällen, wobei es in einem Fall beim Versuch blieb, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt, wobei die Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Ausweislich der Urteilsbegründung stellte das Gericht folgenden Sachverhalt fest:
„Obwohl keiner der Angeklagten gemäß § 141 des Branntweinmonopolgesetzes dazu berechtigt war, branntweinhaltige Erzeugnisse aus anderen EG-Staaten unter Steueraussetzung einzuführen, bezog zumindest der Angeklagte D in der Zeit vom 28.03.1994 bis zum 02.08.1995 mit dem anderweitig verfolgten Stathopoulus sowie Konstantinidis teilweise unter Verwendung einer fiktiven Verbrauchsteuernummer, aus Griechenland sechs Lkw-Ladungen unversteuerten 'Branntwein', um anschließend keine Steueranmeldung vorzunehmen und den 'Branntwein' gewinnbringend zu verkaufen. Zu diesem Zweck hatte der Angeklagte D eigens die Einzelfirma „D, Im- und Export, Einzelhandel mit Lebensmitteln und Spirituosen”, , angemeldet. Hinsichtlich der sechs Lkw-Ladungen kam es zu folgenden Steuerverkürzungen:
...3. Im November 1994 122.094,00 DM... In der Hauptverhandlung waren die Angeklagten in vollem Umfang geständig ...”.
Mit Bescheid vom 14. August 1998 setzte der Beklagte unter Hinweis auf die bestehende Gesamtschuld mit weiteren namentlich bezeichneten Schuldnern 122.094,00 DM Branntweinsteuer gegen die Klägerin fest und führte zur Begründung an, dass der Branntwein durch die Inbesitznahme dem Steueraussetzungsverfahren entzogen worden und sie auch Schuldnerin der Steuer geworden sei. Der Bescheid wurde der Klägerin am 10. März 1999 zugestellt.
Dagegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 30. März 1999 Einspruch ein, den der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 7. Juni 2000 - zugestellt am 12. Februar 2001 - zurückwies.
Am 9. März 2001 hat die Klägerin Klage erhoben und zur Begründung ausgeführt: Sie sei nicht Steuerschuldnerin hinsichtlich der Ware geworden. Insbesondere habe sie alles zur Überprüfung der Empfangsberechtigung des D getan. So habe sie die vom Finanzamt M dem D zugewiesene Umsatzsteuernummer durch das griechische Finanzministerium überprüfen lassen. Auf die Bestätigung des Finanzministeriums habe sie vertrauen können, auch habe sie keinen Anlass gehabt, die Angaben anzuzweifeln. Die tatsächlichen Absichten des D seien ihr völlig unbekannt gewesen, sie habe die Ware daher gutgläubig übersandt. Im Übrigen sei die Steuerfestsetzung aber auch gemäß § 169 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) verjährt. Der Beklagte könne sich in dies...