Entscheidungsstichwort (Thema)
Pflichtenkreis des Zolllagerinhabers und des Hauptverpflichteten
Leitsatz (redaktionell)
- Waren, die der Verfahrensinhaber zur Wiederausfuhr oder zum Versandverfahren angemeldet und seinem Zolllager ohne Nämlichkeitssicherung durch zollamtliche Beschau oder Zollverschluss entnommen hat, gelten als der zollamtlichen Überwachung entzogen, wenn nicht festgestellt werden kann, dass sie tatsächlich in das Bestimmungsland im Außengebiet gelangt sind.
- Dabei ist für die Zollschuldnerschaft des Verfahrensinhabers unerheblich, ob Zugang und Kontrolle der Zollbehörde bereits während des Zolllagerverfahrens oder während des sich anschließenden Versandverfahrens entfallen sind.
- Konformitätsbescheinigungen der Zollbehörden, die ohne Beschau der konkreten Warenbeschaffenheit ausgestellt wurden, begründen keinen Vertrauensschutz.
- Im Hinblick auf die Verlängerung der Festsetzungsfrist aufgrund der vorsätzlichen Entziehung aus der zollamtlichen Überwachung durch einen Dritten kann sich der Zolllagerinhaber nicht durch den bloßen Hinweis in der Rechnung exkulpieren, dass der Käufer die Ware in ein Drittland auszuführen habe. Vielmehr muss er für einen Zollverschluss oder gleichwertige Sicherungsmaßnahmen sorgen, wenn er die Waren nicht selbst zur Ausfuhr oder zum Versand stellt.
Normenkette
ZK Art. 4 Nrn. 15a, 15c, 16b, 16c, Art. 37 Abs. 1 S. 1, Abs. 2, Art. 71 Abs. 2, Art. 89 Abs. 1, Art. 91 Abs. 1, Art. 96 Abs. 1a, 1b, 2, Art. 101 Abs. 1a, 1b, Art. 203 Abs. 1, 3 4. Anstrich, Art. 220 Abs. 2b, Art. 221 Abs. 3; UStG § 21 Abs. 2; AO § 169 Abs. 2 Sätze 2, 3 2. Halbsatz, § 370 Abs. 1 Nr. 2
Streitjahr(e)
1995
Nachgehend
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob für vier einzelne Entnahmen aus dem der Klägerin am 06.10.1995 bewilligten Zolllager Einfuhrabgaben (Zoll und Einfuhrumsatzsteuer - EUSt -) in der Person der Klägerin entstanden sind.
Die Klägerin ließ zu ihrem Zolllager von Oktober bis Dezember 1995 Speichermodule der Unterposition 8473 3010 der Kombinierten Nomenklatur - KN - abfertigen.
Die Klägerin hatte den überwiegenden Teil der von ihr zum Zolllager abgefertigten Speichermodule und sämtliche in diesem Verfahren streitgegenständlichen Speichermodule einer A Gesellschaft für…mbH (A GmbH) verkauft. Diese Gesellschaft, die auch unter A I GmbH, A F GmbH und A GmbH auftrat, gehörte wie auch die B, Istanbul, neben weiteren Firmen zu einer Firmengruppe. Geschäftsführerin der A Gesellschaft für mbH und der B war die Ehefrau eines (C). C wiederum führte faktisch die Geschäfte dieser und weiterer Firmen, von denen nur die B in einem Drittland ihren Sitz hatte.
Die A GmbH und die B handelten in großem Umfang mit PCs und Teilen für PCs, insbesondere Arbeitsspeichermodulen. Nur an die B wurden PC-Teile ausgeführt.
C und seine Ehefrau sind seit Juni 1996 flüchtig.
Ermittlungen des Zollfahndungsamts ..., die wegen Unstimmigkeiten bei Ein- und Ausfuhrgeschäften aufgenommen wurden, führten zu einem Rechtshilfeersuchen an die türkischen Zollbehörden u.a. hinsichtlich der in diesem Verfahren streitigen Sendungen. Zur Beantwortung dieses Ersuchens übersandten die türkischen Zollbehörden als Ergebnis ihrer Ermittlungen u.a. 37 Zollanmeldungen nebst Belegen der B.
Daraus und aus weiteren Ermittlungen schloss das Zollfahndungsamt ..., dass u.a. C einen Teil der Waren, von denen er angeben ließ, sie seien in die Türkei ausgeführt worden, tatsächlich nicht ausgeführt hat.
Das Ergebnis der Ermittlungen fasste das Zollfahndungsamt…im Schlussbericht vom 05.07.2000 zusammen.
Zwischen den Beteiligten sind die zollrechtlichen Folgerungen aus folgenden Vorgängen streitig:
1. Mit Rechnung vom 13.10.1995 verkaufte die Klägerin der A GmbH
1.000 4Mx32 SIMM Module zu 452,00 US$/Stück
452.000,00 US$
2.000 1Mx32 SIMM Module zu 116,50 US$/Stück
233.000,00 US$.
In der Rechnung wies sie daraufhin, dass die Ware nur für Exportzwecke in die Türkei bestimmt sei und dass sich die A GmbH verpflichte, sich durch ihren Spediteur die Ausfuhr bescheinigen zu lassen.
Die Rechnung wurde bezahlt und die Ware am 13.10.1995 durch C übernommen.
Die Klägerin zeichnete diese Entnahme aus ihrem Zolllager als Abgang 1/95 auf.
Die A I GmbH fertigte eine Rechnung, in der für
1.000 SIM-PS2-16-PS2-Modul 16MB 4 MBx32 72p 70ns und
2.000 SIM-PS2 4M-PS/2-Modul 1mbx32 70ns 72pin
zusammen 687.000,00 DM
an die B in Istanbul berechnet wurden.
Die Klägerin meldete am 13.10.1995 eine Sendung „Drams in Mehrfachkombination, „Baugruppendrams” Module *4Mx32 SIMM Module* *Hersteller Samsung, Goldstar*” der Unterposition 8473 3010 KN zur Ausfuhr an. Das Zollamt Flughafen des Beklagten bescheinigte die Ausfuhr am 13.10.1995, vermerkte die Collianzahl und brachte eine Zollplombe an. Eine Beschau der ausgeführten Waren fand nicht statt.
Aufgrund eines Rechtshilfeersuchens stellte die türkische Zollverwaltung Ermittlungen an und übersandte als deren Ergebnis Zollanmeldungen und Unterlagen der B in Istanbul. Diese...