Entscheidungsstichwort (Thema)

Annahme einer dreiprozentigen Verzinsung bei der Schätzung von Kapitalerträgen

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Die Beweisnähe eines Steuerpflichtigen für die in seiner Sphäre liegenden steuererheblichen Tatsachen verschiebt die Grenze der zumutbaren Mitwirkung zu dessen Lasten um so mehr, je personenbezogener, ungewöhnlicher, verwickelter, schwerer zugänglich, atypischer, undurchsichtiger die behaupteten Verhältnisse sind.
  2. Mit der Behauptung, dass ein Geldbetrag von rd. 700.000 DM in bar zu Hause aufbewahrt und unter Verzicht auf eine verzinsliche Anlage binnen 3 Jahren für besondere Zwecke ausgegeben worden sei, wird ein atypischer Geschehensablauf geltend gemacht, der es rechtfertigt, die Anforderungen an die Mitwirkungspflicht des Stpfl. dahin zu konkretisieren, dass er nachvollziehbare Angaben über den Verbleib der angeblichen Barmittel macht.
  3. Bei der andernfalls gebotenen Schätzung von Kapitalerträgen kann für die Jahre 1999 bis 2001 von einem durchschnittlichen Zinssatz von 3 % ausgegangen werden.
 

Normenkette

AO § 162; EStG § 20

 

Streitjahr(e)

1999, 2000, 2001

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die Kläger Geldvermögen verzinslich angelegt haben und ob das Finanzamt zu Recht Kapitaleinkünfte im Wege einer Schätzung angesetzt hat.

Die Kläger tätigten in den Streitjahren 1999 bis 2001 in nicht unerheblichem Umfang Wertpapiergeschäfte, die teilweise durch Darlehen, teilweise durch Eigenmittel finanziert wurden. Mit Schreiben vom 21.12.1998 teilten die Kläger dem Beklagten mit, dass sie beabsichtigten, einen Betrag von mehr als 30.000 DM, voraussichtlich zwischen 290.000 DM und 320.000 DM ins Ausland zu transferieren.

Im Rahmen einer Betriebsprüfung wurde bekannt, dass die Kläger am 22.12.1998 einen Barbetrag von 293.000 DM und nachfolgend in der Zeit vom 15.01. bis 12.02.1999 weitere Barbeträge von jeweils 20.000 DM bis 29.000 DM abgehoben hatten, insgesamt vom 22.01.1998 bis 12.02.1999 die Summe von 732.000 DM. Die Kläger trugen vor, die Abhebungen seien erfolgt, da sie in Spanien eine Immobilie kaufen wollten und der Erwerber einen Teil des Kaufpreises in bar gefordert habe. Das Geschäft sei dann jedoch nicht zustande gekommen. Daraufhin sei der Gesamtbetrag von 732.000 DM im eigenen Haus aufbewahrt und anschließend im Zeitraum 1999 bis 2001 für besondere Zwecke ausgegeben. Die Kläger legten eine handschriftliche Auflistung ihrer Ausgaben vor, auf die zwecks Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird. Danach seien allein für Wochenendausflüge nach Brüssel und Brügge pro Streitjahr ca. 185.000 DM ausgegeben worden. Belege seien mit Ausnahme desjenigen über einen PKW-Ankauf für 25.000 DM nicht aufbewahrt worden.

Nach Tz. 2.3. des Berichtes vom 19.3.2004 sah der Betriebsprüfer den Vortrag, die 732.000 DM seien zu Hause aufbewahrt und nicht wieder angelegt worden, als nicht glaubhaft an, da die Lebensführung der Kläger im Widerspruch zur behaupteten Verwendung des Geldes stehe. So seien trotz des angeblich vorhandenen Bargeldbestandes unverändert die Geschäfte der privaten Lebensführung im Wesentlichen über die Girokonten abgewickelt worden, ebenso wie die Kosten für Urlaubsreisen, Ankauf von Travellerschecks und hohe Kreditkartenumsätze; außerdem hätten monatliche Barabhebungen von ca. 2.000 DM für Haushaltseinkäufe stattgefunden. Zusammenfassend seien unbare Vorgänge für den 2-Personenhaushalt im Jahr 1999 von 76.000 DM, 2000 von 110.000 DM und 2001 von 87.000 DM festgestellt worden. Auch die Behauptung, die Belege über die Verwendung der 732.000 DM seien nicht aufbewahrt worden, erscheine nicht glaubhaft, da bei den Klägern sonstige Belege über Kosten der privaten Lebensführung der letzten 10 Jahre aufgefunden worden seien. Zudem habe der Kläger gegenüber dem Prüfer den genauen Aufbewahrungsort der 732.000 DM nicht benennen können. Der Betriebsprüfer zog daraus den Schluss, dass die Geldmittel in eine nicht benannte Kapitalanlage investiert worden seien und schätzte jährliche Einkünfte aus Kapitalvermögen i.H.v. 5 % von 732.000 DM (1999 für 10 Monate: 30.500 DM, 2000 und 2001 jeweils 36.600 DM).

Der Beklagte erließ aufgrund der Prüfungsfeststellungen geänderte Einkommensteuerbescheide 1999 bis 2001 vom 03.05.2004, sowie Bescheide über die gesonderte Feststellung eines verbleibenden Verlustabzugs auf den 31.12.2000 und den 31.12.2001; gegen diese Bescheide erhoben die Kläger am 12.05.2004 Einspruch. Der Senat gab in dem Verfahren 9 V 3375/04 A(E) den Anträgen auf Aussetzung der Vollziehung hinsichtlich der Einkommensteuer 1999 bis 2001 teilweise statt. Er vertrat die Ansicht, dem Grunde nach sei eine Zuschätzung nicht zu beanstanden, da den Angaben des Klägers zum Verbleib des Bargeldes nicht gefolgt werden könne. Allerdings sei die Schätzung der Höhe nach wohl nicht berechtigt. Ausgehend von durchschnittlichen Zinssätzen für Spareinlagen und Festgeldanlagen zwischen 1,2 und 3,6 % in den Streitjahren ging der Senat im Wege einer eigenen Schätzung von einem Durchschnittszinsertrag von 3 ...

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