Entscheidungsstichwort (Thema)

Schätzung ausländischer Kapitaleinkünfte durch das Finanzamt: Indizienbeweis und Mitwirkungspflichten des Steuerpflichtigen

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die dem Steuerpflichtigen in § 90 Abs. 2 AO allgemein auferlegte erhöhte Mitwirkungspflicht bei Auslandssachverhalten führt nicht zu einer Umkehrung der Feststellungslast mit der Folge, dass der Steuerpflichtige das Nichtvorhandensein einer bei einer ausländischen Bank unterhaltenen Kapitalanlage nachweisen muss.

2. Es spricht zwar eine allgemeine Lebenserfahrung dafür, dass hohe Geldbeträge, wenn sie nicht alsbald benötigt werden, Zins und Ertrag bringend angelegt werden. Die Abhebung hoher Bargeldbeträge allein begründet aber noch keine Schätzungsbefugnis des Finanzamts für den Ansatz von Kapitaleinkünften. Hinzukommen müssen vielmehr weitere Indizien, die es nahe legen davon auszugehen, dass derartige Beträge tatsächlich zinsbringend angelegt worden sind, wie beispielsweise eine Verletzung der Mitwirkungspflicht gem. § 90 Abs. 1 AO.

3. Die Mitwirkungspflicht gem. § 90 Abs. 1 AO begründet keine Verpflichtung zum Nachweis der Verwendung des privaten Barvermögens oder zur Aufbewahrung entsprechender Unterlagen über Jahre hinweg. Der Steuerpflichtige hat lediglich die ihm möglichen Angaben zu machen und noch vorhandene Unterlagen vorzulegen.

4. Zum Indizienbeweis und zu den Mitwirkungspflichten des Steuerpflichtigen bei Verdacht auf nicht erklärte ausländische Kapitaleinkünfte im Einzelnen.

 

Normenkette

EStG §§ 32b, 32d; AO § 90 Abs. 1-2, § 162 Abs. 1-2

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die Kläger ausländische Kapitalerträge erzielt haben.

Die verheirateten Kläger werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger erzielt gewerbliche Einkünfte aus einer Apotheke. Die Klägerin erzielt Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit.

Bei den Klägern wurde im Zeitraum vom 22.11.2010 bis 30.05.2011 eine Betriebsprüfung betreffend Einkommensteuer einschließlich gesonderter Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags und Umsatzsteuer für die Jahre 2004 – 2008 durchgeführt. Dabei stellte die Betriebsprüferin beim Gewerbebetrieb des Klägers folgende Unterschiede zu den veranlagten Gewinnen fest:

(€)

2004

2005

2006

2007

2008

2009

veranlagt

255.801

309.991

246.819

336.775

310.195

424.018

festgestellt durch Bp

259.918

309.991

246.759

336.707

310.055

424.009

Unterschied

4.117

0

-60

-68

-140

-9

Die Betriebsprüferin stellte folgende gebundenen Entnahmen fest:

2004

122.818,55 €

2005

160.753,89 €

2006

251.625,98 €

2007

198.388,77 €

2008

172.377,87 €

2009

260.487,99 €

Daneben stellte sie folgende Barabhebungen fest:

2004

46.838,69 €

2005

53.882,69 €

2006

33.201,28 €

2007

87.295,96 €

2008

282.207,45 € (davon 120.000 € am 2.10. und 90.000 € am 09.10.)

2009

72.594,50 €

Daraus errechnete die Betriebsprüferin folgende Stände des zum Ende des jeweiligen Veranlagungszeitraums vorhandenen Barvermögens:

Jahr

Barabhebungen

nachgewiesene Ausgaben

zugeschätzter Verbrauch

vorhandenes Barvermögen

2004

46.838,69 €

0 €

7.026 €

39.812,89 €

2005

53.882,69 €

4.200 €

7.452 €

42.230,29 €

2006

33.201,28 €

0 €

4.980 €

28.221,09 €

2007

87.295,96 €

38.550 €

7.312 €

41.434,07 €

2008

282.207,45 €

2.800 €

41.911 €

237.496,33 €

2009

72.594,50 €

3.190 €

10.411 €

58.993,83 €

Die Betriebsprüferin ging aufgrund des vorhandenen Barvermögens davon aus, dass die Kläger Geld ins Ausland geschafft und dort Zinserträge erzielt haben müssten.

Die Kläger widersprachen dieser Annahme und ermächtigten das Finanzamt, Auskünfte bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BAFin) einzuholen. Wofür sie ihr Geld ausgäben, sei steuerlich ohne Belang. Sie seien nicht verpflichtet, ihr Geld anzulegen und damit Zinsen zu erwirtschaften. Sie legten eine Versicherung an Eides Statt vor, in der sie versicherten, kein Vermögen ins Ausland geschafft und dort angelegt zu haben. Sie hätten keine Einkünfte aus Kapitalvermögen erzielt, die sie gegenüber der Betriebsprüferin nicht angegeben hätten. Der Kläger habe auf seinen inländischen Privatkonten mehrfach hohe Beträge gehabt (2004: ca. 180.000 €, 2007/2008: rd. 235.000 €), die er nicht verzinslich angelegt habe. Die Betriebsprüferin habe ihre Lebenshaltungskosten auf lediglich 3.000 € p. a. geschätzt. Selbst der Hartz-IV-Satz für eine volljährige Person betrage jährlich 4.308 € und umfasse nur Kosten, die bar bezahlt würden. Für sie und ihre beiden Töchter sei dieser Ansatz bei ihrem hohen Lebensstandard zu niedrig. Sie hätten größere Ausgaben für Geschenke an ihre beiden Töchter getätigt, so beispielsweise Barzuwendungen anlässlich Weihnachten (1.500 €), Ostern und Geburtstag (jeweils 500 €), Urlaub (4.000 €), einen 1er BMW (27.000 €) und Laptops (4.955 €), für eine Blechspielzeugsammlung (mehr als 10.000 €), für Gemälde (8.200 €), für Kleidung (rd. 10.000 € p. a.) sowie für die Feier der Silberhochzeit. Außerdem habe das Finanzamt fehlerhaft einen Ausgangsbetrag i. H. v. 273.001 € aus einer Zeit vor dem Prüfungszeitraum angesetzt. Eine Aufbewahrungspf...

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