rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Kfz.-Steuer
Tenor
Die Einspruchsentscheidung vom … Juli 1996 wird aufgehoben.
Der Kraftfahrzeugsteuerbescheid vom … Juli 1996 wird aufgehoben, soweit seine Festsetzung den Zeitraum vom … Januar 1994 bis … Juni 1996 betrifft.
Die Berechnung der Steuer wird auf den Beklagten übertragen.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger zu 20 % und der Beklagte zu 80 %.
beschlossen:
Der Streitwert wird auf 4.503,– DM festgesetzt.
Tatbestand
Streitig sind die Änderung eines Kraftfahrzeugsteuerbescheides gem. § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung – AO – und die steuerliche Abgrenzung zwischen PKW und LKW.
Der Kläger ist seit September 1992 Halter des „Fahrzeugs” mit amtlichem Kennzeichen „…”. Der Wagen, erstmals zugelassen am … Oktober 1987, hat einen Dieselmotor und ist nicht schadstoffarm. Der Hubraum beträgt 3.224 ccm.
Der Beklagte besteuerte das Fahrzeug entsprechend der ihm von der Zulassungsstelle mitgeteilten Fahrzeugart zunächst als PKW. Weitere technische Daten des Fahrzeugs waren dem Beklagten damals nicht bekannt.
Anfang 1994 baute der Kläger die Rücksitzbank und die hinteren Sicherheitsgurte aus und trennte den Fahrerbereich ab. Die Zulassungsbehörde stufte das Fahrzeug zum … Januar 1994 als LKW ein. Daraufhin wurde, zunächst ohne Kenntnis der Kraftfahrzeugsteuerstelle des Beklagten, aufgrund des Datenträgeraustauschs vom Rechenzentrum ein geänderter Kraftfahrzeugsteuerbescheid erlassen, mit dem das Fahrzeug in der Folge als LKW besteuert wurde.
Im Rahmen einer Anfang 1996 durchgeführten allgemeinen Überprüfung aller Fahrzeuge, die vom Personenkraftwagen zum Lastkraftwagen umgestuft waren, übermittelte die Zulassungsstelle dem Beklagten eine Liste, die Hersteller und Typennummern der betreffenden Fahrzeuge, u.a. des „Fahrzeugs” des Klägers, enthielt. Der Beklagte gelangte zu der Auffassung, es handele sich verkehrsrechtlich um einen PKW und änderte mit Bescheid vom … Juni 1996 gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO die Besteuerung rückwirkend seit … Januar 1994.
Nach erfolglosem Einspruchsverfahren macht der Kläger mit der Klage geltend, der Änderungsbescheid sei rechtswidrig. Seit dem Umbau stelle sein Fahrzeug einen LKW dar. Das äußere Erscheinungsbild sei unerheblich. Auf dem Markt gebe es zahlreiche Fahrzeuge, die zwar wie ein PKW aussähen, steuerrechtlich wie auch straßenverkehrsrechtlich jedoch als LKW eingestuft seien.
Der Kläger beantragt,
den angefochtenen Bescheid ersatzlos aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist überwiegend begründet.
Der Änderungsbescheid ist rechtswidrig, soweit er eine rückwirkende Steuerfestsetzung enthält. Im übrigen ist der Bescheid jedoch rechtmäßig.
a) Gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO sind Steuerbescheide aufzuheben oder zu ändern, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen. Diese Voraussetzungen sind nicht sämtlich erfüllt.
Zwar dürften die dem Beklagten nachträglich bekannt gewordenen Tatsachen – Hersteller, Typ und Umbaumaßnahmen – rechtserheblich sein. Sie sind für die objektive Beschaffenheit und das äußere Erscheinungsbild des Wagens bedeutsam und damit für die steuerliche Abgrenzung zwischen PKW und LKW relevant.
Jedoch kann die Finanzbehörde die Änderung eines Steuerbescheides nicht auf solche neuen Tatsachen stützen, die sie bei gehöriger Erfüllung ihrer Ermittlungspflichten schon vor der Steuerfestsetzung hätte feststellen können. Diese Einschränkung ergibt sich aus dem Grundsatz von Treu und Glauben (ständige Rechtsprechung; vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 10. Dezember 1991, VII R 10/90, Bundessteuerblatt – BStBl – II 1992, 324, 325). Ein derartiger Hinderungsgrund liegt hier vor. Denn die rückwirkende Änderung der Besteuerung verstößt gegen Treu und Glauben. Zwar handelt es sich bei dem Verfahren der Festsetzung der Kraftfahrzeugsteuer allgemein um ein Massenverfahren, bei dem die Finanzbehörde regelmäßig nur offenkundigen Zweifelsfragen nachgehen muß (vgl. Urteil des BFH a.a.O., S. 326). Der vorliegende Sachverhalt ist jedoch bei überschlägiger Betrachtung kein typischer, „massenhaft” auftretender Fall des Kraftfahrzeugsteuerverfahrens mehr. Zur Überzeugung des Senats stellt die Ummeldung eines zunächst als PKW zugelassenen Fahrzeugs in einen LKW ohne gleichzeitigen Halterwechsel bereits einen Ausnahmefall dar, der sich vom Massenverfahren abhebt.
Die Anzahl derartiger Fallgestaltungen dürfte so überschaubar sein, daß dem Beklagten auch unter Berücksichtigung der Arbeitsleistung im Kraftfahrzeugsteuerverfahren weitere Ermittlungen zumutbar waren. Das gilt erst recht, weil derartige Nachforschungen nur einen geringen Verwaltungsaufwand erfordert hätten. Hinzu kommt, daß die steuerliche Abgrenzung zwischen PKW und LKW von jeher problematisch ist und die Finanzbehörde nicht an die Einstufung des Fahrzeugs durch die Zulassungsstelle gebunden ist (Urteil des BFH vom 30. September 1981 II R 56/78, BStBl I...