Entscheidungsstichwort (Thema)
Erbschaftsteuerliche Bewertung eines GmbH-Anteils: Niedrigerer gesellschaftsvertraglich festgelegter Abfindungsanspruch – Auslegung bei Unklarheit über die Bewertungsmethode – Historisch bedingter Hinweis auf Anteilsbewertung nach dem Stuttgarter Verfahren
Leitsatz (redaktionell)
- Sieht ein aus dem Jahr 1989 stammender Gesellschaftsvertrag für den im Jahr 2017 eingetretenen Fall der Abtretung des GmbH-Anteils eines weichenden Erben einen Abfindungsanspruch in Höhe des realen Werts nach Maßgabe der jeweils gültigen Fassung der steuerrechtlichen Bewertungsrichtlinien vor und verweist hierzu in einem Klammerzusatz auf die „sogenannte Anteilsbewertung nach dem Stuttgarter Verfahren”, ergibt sich auf der Grundlage der gebotenen Auslegung hieraus kein den gemeinen Anteilswert unterschreitender gesellschaftsvertraglich festgelegter Abfindungsanspruch i.S.d. § 10 Abs. 10 Satz 2 ErbStG.
- Der konkretisierenden Bezugnahme auf das seinerzeit noch anwendbare Stuttgarter Verfahren kann im Gesamtkontext nicht das Regelungsziel entnommen werden, zur Schonung des Betriebsvermögens bzw. der betrieblichen Liquidität eine Abfindung unter dem gemeinen Wert zu regeln.
Normenkette
ErbStG § 10 Abs. 10 S. 2, § 12 Abs. 1; BewG § 11 Abs. 2, § 157 Abs. 4
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Frage, ob nach § 10 Abs. 10 Satz 2 des Erbschaft- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) statt eines GmbH-Anteils ein geringer zu bewertender Abfindungsanspruch der Erbschaftsteuer zu unterwerfen ist.
Der Kläger ist Erbe zu 1/2 nach der am 19.7.2017 verstorbenen Frau A (Erblasserin). Miterbe ist sein Bruder B .
Die Erblasserin war mit 30 % an der C GmbH (GmbH) beteiligt. Daneben waren B und D beteiligt. In § 5 der Satzung der GmbH vom 7.11.1989 heißt es:
„(5) Stirbt die Gesellschafterin A , so haben diejenigen Erben eines Geschäftsanteils oder Teils eines solchen Anteils daran dem Gesellschafter B ihre Beteiligung zum Erwerb anzubieten. Handelt es sich bei der anzubietenden Beteiligung um eine Gesamthandsberechtigung, so hat zuvor eine reale Teilung stattzufinden.
(6) Macht der Gesellschafter B von der angebotenen Übernahme keinen Gebrauch, so wächst nach Ablauf der Frist von einem Monat nach Angebotsabgabe sein Recht den anderen Gesellschaftern an.
(7) Macht kein Gesellschafter innerhalb der genannten Frist von dem Recht der Übernahme Gebrauch oder kommt der Erbe oder Vermächtnisnehmer seiner Anbietungspflicht nicht nach, so können die übrigen Gesellschafter den Geschäftsanteil gegen Zahlung eines Entgelts einziehen. Die Gesellschafter entscheiden hierüber mit einfacher Mehrheit. Das Entgelt bestimmt sich nach § 7 dieses Vertrages.”
Weiter heißt es in § 6 Abs. 4:
„Statt der Einziehung können die Gesellschafter auch beschließen, dass der Anteil von der Gesellschaft erworben (...) wird.”
In § 7 Abs. 1 der Satzung heißt es dann:
„Im Falle der zulässigen Einziehung eines Geschäftsanteils sowie einer statt der Einziehung erfolgten Abtretung hat der betroffene Gesellschafter Anspruch auf Zahlung eines Abfindungsentgeltes, das dem realen Wert seines Anteils entspricht, bewertet nach den steuerrechtlichen Bewertungsrichtlinien in der jeweils gültigen Fassung (sogenannte Anteilsbewertung nach dem Stuttgarter Verfahren).”
Mit Gesellschafterbeschluss vom 28.2.2018 beschloss die GmbH, den auf den Kläger entfallenden Anteil zu einem Kaufpreis von 523.000 € zu erwerben. Sollte ein Kauf- und Abtretungsvertrag nicht zustande kommen, wurde die Einziehung gegen Abfindung in gleicher Höhe beschlossen. Mit Notarvertrag vom 16.3.2018 setzten sich der Kläger und sein Bruder sodann auseinander und kamen dahingehend überein, dass B eine GmbH-Beteiligung von 15 % übernehmen solle. Die übrigen 15 % sollten von der GmbH zu einem dem Kläger zustehenden Kaufpreis von 523.000 € erworben werden. Dabei wurde auf die Bewertung des Prozessbevollmächtigten des Klägers Bezug genommen, nach der der gesamte GmbH-Anteil von 30 % nach dem Stuttgarter Verfahren mit 1.046.000 € angesetzt wurde. Ein entsprechender Kauf- und Abtretungsvertrag über die Gesellschaftsanteile wurde mit weiterer notarieller Urkunde, ebenfalls vom 16.3.2018, geschlossen.
Mit geändertem Feststellungsbescheid vom 11.11.2019 wurde der Wert der im Nachlass befindlichen Beteiligung von 30 % gesondert und einheitlich auf 1.407.862 € festgestellt, so dass auf den Kläger ein Wert von 703.931 € entfiel.
Mit Bescheid vom 20.11.2019 setzt der Beklagte gegen den Kläger Erbschaftsteuer i.H.v. 23.188 € fest und berücksichtigte den auf den Kläger entfallenden GmbH-Anteil mit 703.931 €.
Hiergegen legte der Kläger unter dem 26.11.2019 Einspruch ein und begehrte nach § 10 Abs. 10 Satz 2 ErbStG den Ansatz des von der GmbH gezahlten Betrages von 523.000 € statt des festgestellten Betrages von 703.931 €.
Nachdem die Bekanntgabe einer Einspruchsentscheidung vom 13.1.2020 zunächst fehlgeschlagen war, wies der Beklagte den Einspruch mit E...