Entscheidungsstichwort (Thema)
Gewerbesteuerzerlegung: Anlaufhemmung der Feststellungsverjährung – Änderungsbefugnis wegen neuer Tatsachen – Verletzung der Ermittlungspflichten des FA
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Pflicht zur Abgabe einer Gewerbesteuererklärung löst keine Anlaufhemmung der Feststellungsverjährung der mit der Messbetragsfestsetzung zusammenhängenden Gewerbesteuerzerlegung nach § 170 Abs. 2 Nr. 1 AO aus.
2. Für die Befugnis zur Änderung bestandskräftiger Zerlegungsbescheide wegen des nachträglichen Bekanntwerdens neuer Tatsachen ist eine Verletzung der Ermittlungspflichten des FA in Bezug auf seine bisherige Unkenntnis von diesen Tatsachen unerheblich.
Normenkette
AO §§ 12, 88, 149 Abs. 1 Sätze 1-2, § 169 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 2, § 170 Abs. 1, 2 Nr. 1, Abs. 3, § 171 Abs. 4 S. 1, Abs. 10 S. 1, § 173 Abs. 1, § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 181 Abs. 5 Sätze 1-2, § 184 Abs. 1 S. 3, §§ 185, 188 Abs. 2 S. 2, § 189 S. 3; GewStG § 4 Abs. 1 S. 1, § 14 S. 2, § 14a S. 1, §§ 18, 28 Abs. 1
Tatbestand
Die Klägerin begehrt eine Änderung der gegenüber der Beigeladenen zu 2. erlassenen Bescheide über die Zerlegung des Gewerbesteuermessbetrags für die Streitjahre 2009 bis 2011.
Der Unternehmensgegenstand der Beigeladenen zu 2. umfasst Dienstleistungen für die ...industrie auf dem Gebiet der…. Sie gehört zum Konzernkreis der C GmbH & Co. KG. Steuerliche Organschaftsverhältnisse lagen in den Streitjahren nicht vor.
Für die Veranlagungszeiträume 1995 bis 1999 wurde bei der Beigeladenen zu 2. eine Betriebsprüfung durchgeführt. Für die Prüfungszeiträume 2000 bis 2003 sowie 2004 bis 2008 wurden Prüfungen vom Prüfungsgeschäftsplan abgesetzt.
Für den Prüfungszeitraum 2004 bis 2008 führte das Finanzamt für Groß- und Konzernbetriebsprüfung F in einer Absetzungsverfügung vom 08.10.2010 aus, dass der Betrieb der Beigeladenen zu 2. aufgrund der Prüfungsvorbereitung nicht prüfungsbedürftig sei. Es handele sich um einen Anhangbetrieb der G GmbH & Co. KG bzw. der C GmbH & Co. KG. Prüfungsbedürftige Sachverhalte hätten sich aus den Akten nicht ergeben. Die Problematiken des § 4 Abs. 4a des Einkommensteuergesetzes – EStG – und des § 15a EStG bestünden nicht.
Die Beigeladene zu 2. war im Jahr 1981 gegründet worden. Ursprünglich war im Handelsregister als ihr Sitz Y-Stadt eingetragen. In Gewerbe-Ummeldungen der Beigeladenen zu 2. in 1986 sowie in 2000 wurden bei den Angaben zum Betrieb (Hauptniederlassung und Betriebsstätten) ausschließlich Anschriften in Y-Stadt genannt. Im Dezember 2007 wurde im Handelsregister eine Sitzverlegung nach Z-Stadt eingetragen.
Für den Veranlagungszeitraum 2007 wurde der für die Beigeladene zu 2. festgestellte Gewerbesteuermessbetrag vom Beklagten erstmals auf die Städte Y-Stadt und Z-Stadt, also auf die Klägerin und die Beigeladene zu 1., zerlegt.
In den Gewinnermittlungen der Beigeladenen zu 2. waren für die Jahre 2007 bis 2009 bei den sonstigen betrieblichen Aufwendungen Betriebsausgaben mit der Bezeichnung „Miete G KG”; verbucht. In den Jahren 2006, 2010 und 2011 waren keine vergleichbaren Kosten geltend gemacht worden. Nach Angaben der Beigeladenen zu 2. handelt es sich bei diesen Ausgaben um Spindmieten (Kauenmieten) ihrer Mitarbeiter, die H der G KG (GmbH & Co.) berechnet habe und die ihr, der Beigeladenen zu 2., weiterbelastet worden seien.
In den Gewinnermittlungen der Beigeladenen zu 2. für die Streitjahre waren keine weiteren Mietaufwendungen als Betriebsausgaben enthalten.
Die Beigeladene zu 2. reichte für die Streitjahre Erklärungen für die Zerlegung des Gewerbesteuermessbetrags ein. Die Zerlegungserklärungen gingen am 02.11.2010 (für 2009), am 20.12.2011 (für 2010) und am 28.12.2012 (für 2011) beim Beklagten ein. Als Adresse der Beigeladenen zu 2. wurde in den Zerlegungserklärungen eine Anschrift in Y-Stadt (Straße 01) genannt. Die Beigeladene zu 2. erklärte, dass sie in Y-Stadt und Z-Stadt Betriebsstätten unterhalten habe und dass die Arbeitslöhne wie folgt auf die Gemeinden aufzuteilen seien:
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Y-Stadt |
Z-Stadt |
2009 |
25.000 EUR |
1.834.000 EUR |
2010 |
25.000 EUR |
2.236.000 EUR |
2011 |
25.000 EUR |
2.101.000 EUR |
Der Beklagte erließ gegenüber der Beigeladenen zu 2. Bescheide über den Gewerbesteuermessbetrag unter dem Vorbehalt der Nachprüfung, in dem der Messbetrag erklärungsgemäß i.H.v. 4.819 EUR (2009), 9.705 EUR (2010) und 2.352 EUR (2011) festgesetzt wurde.
Weiterhin erließ der Beklagte unter dem 13.12.2010 (für 2009), dem 30.04.2012 (für 2010) und dem 14.02.2013 (für 2011) endgültige Bescheide über die Zerlegung des Gewerbesteuermessbetrags, in denen die Messbeträge entsprechend der Angaben der Beigeladenen zu 2. zu den Arbeitslöhnen wie folgt auf die Klägerin und die Beigeladene zu 1. aufgeteilt wurden:
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Messbetrag |
Anteil Klägerin |
Anteil Beigeladene zu 1. |
2009 |
4.819 EUR |
64,81 EUR |
4.754,19 EUR |
2010 |
9.705 EUR |
107,31 EUR |
9.597,69 EUR |
2011 |
2.352 EUR |
27,66 EUR |
2.324,34 EUR |
Aufgrund einer Prüfungsanordnung vom 15.04.2014 führte das Finanzamt für Groß- und Konzernbetriebsprüfung F bei der Beigeladenen zu 2. fü...