Entscheidungsstichwort (Thema)
Thermische Abfallbehandlung i. S. d. § 51 Abs. 1 Nr. 2 EnergieStG und Einsatz von Energieerzeugnissen mit zweierlei Verwendungszweck i. S. d. RL 2003/96/EG
Leitsatz (redaktionell)
- § 51 Abs. 1 Nr. 2 EnergieStG ist in Übereinstimmung mit Art. 2 Abs. 4 Buchstabe b Anstrich 1 und 2 der Richtlinie 2003/96 dahin auszulegen, dass die Verwendung eines Energieerzeugnisses nur dann nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2003/96 fällt, wenn dieses Erzeugnis nicht nur als Heiz- oder Kraftstoff, sondern auch zur Herstellung einer Substanz verwendet wird, die für die Herstellung eines Produktes innerhalb desselben Produktionsprozesses benötigt wird.
- Die Steuerentlastung nach § 51 Abs. 1 Nr. 2 EnergieStG für Energieerzeugnisse, die für die thermische Abfall- oder Abluftbehandlung verheizt worden sind, kann daher nicht für den Einsatz von Kohle und Erdgas als Heizstoff zur Herstellung von Futtermitteln aus getrockneten Brot- und Backwaren gewährt werden, da durch die Trocknung der Backwaren keine – vorher nicht existierende – weitere Substanz hergestellt wird, die wiederum für die Herstellung der Futtermittel erforderlich ist.
Normenkette
EnergieStG § 37 Abs. 2 S. 1 Nr. 4, § 51 Abs. 1 Nr. 2; RL 2003/96/EG Art. 2 Abs. 4 Buchst. b; AO § 131 Abs. 2 S. 1 Nr. 1; FGO § 102 S. 1
Streitjahr(e)
2016, 2017
Tatbestand
Die Klägerin betreibt an ihrer Betriebsstätte in einer Halle eine Anlage zum Trocknen von Brot- und Backwaren sowie anderen nicht mehr zum menschlichen Verzehr bestimmten Nahrungs- und Genussmitteln. Die zur Trocknung bestimmten Stoffe werden über Transporteinrichtungen in eine Trockentrommel befördert, wo sie durch den Kontakt mit heißem Rauchgas auf den gewünschten Trockenmassegehalt gebracht werden. Nach dem Trocknungsvorgang wird das Trockengut für die Herstellung von Futtermitteln verwendet. Das für den Betrieb der Trocknungsanlage erforderliche Rauchgas wurde in einem in der Trockentrommel vorhandenen Brenner erzeugt, der zunächst mit Braunkohlestaub und sodann zusätzlich mit versteuertem Erdgas betrieben wurde.
Das beklagte Hauptzollamt erteilte der Klägerin antragsgemäß mit Verfügung vom 12. Mai 2009 unter Widerrufsvorbehalt die Erlaubnis, Kohle steuerfrei als Heizstoff für die thermische Abfallbehandlung (§ 51 Abs. 1 Nr. 2 des Energiesteuergesetzes - EnergieStG -) zu verwenden.
Mit Bescheid vom 2. Februar 2016 widerrief das beklagte Hauptzollamt die der Klägerin erteilte Erlaubnis, weil der zu behandelnde Abfall nach dem thermischen Behandlungsprozess im Unternehmen der Klägerin noch substantiell vorhanden sei. Da die Klägerin marktgängige und weiter nutzbare Erzeugnisse von Wert herstelle, dienten die zur thermischen Behandlung eingesetzten Energieerzeugnisse nicht vorrangig der Beseitigung des Schadstoffpotentials des Abfalls.
Mit ihrem hiergegen eingelegten Einspruch trug die Klägerin vor: Die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 Nr. 2 EnergieStG lägen vor. Die Brot- und Backwaren, die der Anlage zugeführt würden, seien Abfall im Sinne des Gesetzes zur Förderung der Kreislaufwirtschaft und Sicherung der umweltverträglichen Bewirtschaftung von Abfällen (Kreislaufwirtschaftsgesetz - KrWG -). Die Trocknung bewirke, dass Wasser und leichtflüchtige organische Verbindungen aus den Brot- und Backwaren entfernt würden. Die Trocknung diene daher schwerpunktmäßig der Beseitigung von Schadstoffen. Würden das Wasser und die flüchtigen organischen Bestandteile in den Brot- und Backwaren verbleiben, würden die daraus hergestellten Futtermittel in kürzester Zeit verderben und nicht mehr verwendbar sein. Der Trocknungsvorgang habe deshalb zur Folge, dass aus den als Abfall zu behandelnden Brot- und Backwaren ein Nebenprodukt im Sinne des § 4 KrWG entstehe, das als Rohstoff für die Herstellung von Futtermitteln verwendet werden könne.
Das beklagte Hauptzollamt wies den Einspruch mit Entscheidung vom 29. Juni 2017 zurück und führte aus: Die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 Nr. 2 EnergieStG lägen nicht vor. Die thermische Energie des Rauchgases werde ausschließlich zum Trocknen der Lebensmittelreste und Backwaren verwendet. Das Erdgas werde nicht vorrangig zur Beseitigung des Schadstoffpotentials des Abfalls verwendet, weil durch die Trocknung marktgängige und weiter nutzbare Erzeugnisse von Wert hergestellt würden. Die Klägerin stelle aus den getrockneten Abfällen hochwertige Futtermittel her.
Die Klägerin trägt mit ihrer Klage vor: Mit dem Verheizen der Energieerzeugnisse habe sie einen anderen Zweck, nämlich die Behandlung der Abfälle verfolgt. Demgegenüber komme es nicht darauf an, ob durch die Behandlung der Abfälle nutzbare Erzeugnisse hergestellt worden seien. Für die Frage, ob eine Abfallbehandlung vorliege, könne es nicht auf die Nutzbarkeit oder Werthaltigkeit eines dabei entstehenden Nebenprodukts ankommen. Der behandelte Abfall sei auch nicht mehr substantiell vorhanden gewesen. Im Übrigen habe sie mit der Trocknung und Beseitigung des Schadstoffpotenzials der Abfälle noch kein marktgän...