Entscheidungsstichwort (Thema)
Kindergeldanspruch eines polnischen Staatsbürgers
Leitsatz (redaktionell)
- Ein für weniger als 12 Monate von seinem polnischen Arbeitgeber in das Inland entsandter polnischer Staatsbürger, der ausschließlich in Polen sozialversicherungspflichtig ist und dort seinen Familienwohnsitz hat, unterliegt gemäß Art. 14 Nr. 1 Buchstabe a VO (EWG) 1408/71 den Rechtsvorschriften Polens über soziale Sicherheit und damit nach Art. 4 Abs. 1 Buchstabe h VO (EWG) 1408/71 auch den polnischen Vorschriften über das Kindergeld.
- Deutsches Kindergeldrecht ist mangels eines Anwendungsbefehls zugunsten des nationalen Rechts in §§ 62 ff. EStG auch nicht subsidiär anwendbar, wenn nach der VO (EWG) 1408/71 das Recht eines anderen Mitgliedstaats anwendbar ist.
Normenkette
EStG § 1 Abs. 3, § 62 Abs. 1; VO (EWG) 1408/71 Art. 1 Buchst. a, Art. 2 Abs. 1, Art. 4 Abs. 1 Buchst. h, Art. 13 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Buchst. a, Art. 14 Nr. 1 Buchst. a; Anhang I Teil I E
Streitjahr(e)
2007
Nachgehend
Tatbestand
Strittig ist, ob der Kläger für seine Kinder „A” (geboren: 24.11.1997) und „B” (geboren: 31.12.2002) Anspruch auf Kindergeld hat.
Der Kläger ist polnischer Staatsangehöriger. Er wohnt zusammen mit seiner Ehefrau und den beiden Kindern in Polen.
Vom 01.01.2007 bis 01.02.2007, vom 06.04.2007 bis 31.08.2007 und vom 02.10.2007 bis 31.12.2007 war er für die in Szczecin (Stettin) ansässige „C” in Deutschland als Arbeitnehmer tätig.
Nach der von der „C” unter dem 07.04.2008 ausgestellten Bescheinigung war der Kläger als Arbeitnehmer in der Zeit vom 01.07.2006 bis 15.02.2008 in einen Betrieb nach „D” entsandt und es gab kein Versicherungsverhältnis zur Bundesanstalt für Arbeit, weil eine Sozialversicherung bei der ZUS in Polen bestand.
Laut den Lohnsteuerbescheinigungen der „C"GmbH in „D” bezog der Kläger 2007 folgende Bruttoarbeitslöhne:
EUR 1.265,81
EUR 6.499,13
EUR 5.605,34
Davon wurden lediglich Lohnsteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer einbehalten, nicht jedoch Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung.
Unter dem 25.03.2008 beantragte der Kläger Kindergeld. Er gab an, dass er von Januar bis Dezember 2007 in „D” unselbständig tätig gewesen sei und keiner Sozialversicherungspflicht in Deutschland unterliege.
Mit Bescheid vom 21.05.2008 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers ab, da er wegen der Sozialversicherung bei der ZUS keinen Kindergeldanspruch in Deutschland besitze.
Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom 23.06.2008 Einspruch ein und wies darauf hin, dass vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des EuGH (Entscheidung vom 20. Mai 2008 in der Rechtssache C-352/06 [Bosmann], Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung – HFR – 2008, 877) die Anwendbarkeit der – hier erfüllten – innerstaatlichen Regelungen des EStG zu einem Kindergeldanspruch führe. § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG stünde dem nicht entgegen, denn angesichts seines Familieneinkommens sei die dortige Einkommensgrenze von PLN 2.016 überschritten, so dass er in Polen keinen Kindergeldanspruch gehabt habe.
In der Einspruchsentscheidung vom 21.07.2008 wies die Beklagte den Einspruch des Klägers als unbegründet zurück.
Am 25.08.2008, einem Montag, hat der Kläger Klage erhoben und Folgendes vorgetragen: Ob ihm ein Anspruch auf Kindergeld zustehe, richte sich allein nach den in den §§ 62 ff. EStG getroffenen Regelungen und nicht nach der VO (EWG) 1408/71 oder der VO (EWG) 574/72 des Rates über die Durchführung der Verordnung (EWG) 1408/71 über die Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie ihrer Familienangehörigen, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern vom 21. März 1972.
Die Annahme der Beklagten, er habe in Deutschland nicht der Sozialversicherung unterlegen, sei zutreffend. Er sei entsandter Arbeitnehmer gewesen. Allerdings bestünden an der arbeitsrechtlichen Bindung zu seinem polnischen Arbeitgeber Zweifel, weil Teile seines Lohnes indirekt vom deutschen „Arbeitgeber” gezahlt worden seien. Er sei in Deutschland in Unterkünften untergebracht gewesen, die von seinem deutschen „Arbeitgeber” gestellt bzw. angemietet worden seien. Die Aufwendungen des deutschen „Arbeitgebers” hierfür seien durch eine Kürzung des vom polnischen Arbeitgeber ausgezahlten Lohnes berücksichtigt worden. Sämtliche Anweisungen für seine Tätigkeit seien allein durch Führungskräfte des deutschen „Arbeitgebers” erfolgt. Sein (formaler) polnischer Arbeitgeber habe keine auf das Direktionsrecht gestützte arbeitsrechtliche Kontrolle ausgeübt.
Unabhängig davon, wie lang er in Deutschland beschäftigt gewesen sei, stehe ihm ein Anspruch auf Kindergeld nach den §§ 62 ff. EStG zu, weil er in den Jahren 2006 und 2007 in Deutschland nach § 1 Abs. 3 EStG unbeschränkt einkommensteuerpflichtig gewesen sei und es dem Wohnsitzstaat nach der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) vom 20. Mai 2008 unbenommen s...