Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer 1994
Nachgehend
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Verfahrenskosten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen die Einkommensteuerfestsetzung 1994 mit der Begründung, daß der Steuerbescheid unrechtmäßig sei, weil § 32 d Einkommensteuergesetz (EStG) zu einer verfassungswidrigen Besteuerung des Existenzminimums führe. Sie führte im Streitjahr 1994 einen Kosmetiksalon. Neben Einnahmen aus diesem Gewerbebetrieb erzielte sie als Auszubildende zum Friseurhandwerk Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Ihr zu versteuerndes Einkommen belief sich auf insgesamt 11.344,– DM. Mit Bescheid vom 16.04.1996 setzte der Beklagte unter Anwendung von § 32 d EStG die Einkommensteuer für das Streitjahr auf 195,– DM fest.
Die Klägerin behauptet, daß sich für das Jahr 1994 ein sozialhilferechtlicher Mindestbedarf von 14.437,– DM ergebe, ihr zu versteuerndes Einkommen also unterhalb des Existenzminimums liege. Der Gesetzgeber habe, als er mit § 32 d EStG das Existenzminimum bei 11.069,– DM festlegte, nicht den vom Verfassungsgericht vorgegebenen Rahmen zugrunde gelegt, der das Existenzminimum eines Alleinstehenden zwischen 12.000,– DM und 14.000,– DM ansiedele. Vielmehr habe der Gesetzgeber das Existenzminimum autoritär, ohne Rücksicht auf die tatsächlichen Gegebenheiten bestimmt. Man könne auch nicht, wie im ablehnenden Aussetzungsbeschluß des Senates geschehen, den vom Finanzgericht Brandenburg (EFG 1996, 548) für 1993 mit 11.472 DM festgestellten Mindestbedarf zugrunde legen und mit 103 Prozent auf 11.817 DM für 1994 hochrechnen. Vom Finanzgericht Münster und von der Bundesregierung seien für 1992 mit 11.908 DM und 13.910 DM zutreffendere Werte errechnet worden (siehe zu den Zahlen Bundesverfassungsgericht vom 25.09.1992, Bundessterblatt – BStBl.II 1993, 413,419). Da NRW nicht zu den billigen Bundesländern gehöre, müsse für 1992 von einem Sozialhilfebedarf von mindestens 13.000 DM ausgegangen werden. Bei einer durchschnittlichen Steigerung der allgemeinen Lebenshaltungskosten von 1992 auf 1994 von 7,33 Prozent (Wirtschaft und Statistik Nr. 10/96, abgedruckt in NWB Nr. 49 vom 02.12.1996) ergebe sich für NRW für 1994 eine sozialhilferechtlicher Mindestbedarf von 13.953 DM. Selbst wenn man akzeptiere, daß dieser Bedarf nur ein Richtwert sein könne und dem Gesetzgeber bei der Festlegung des Entlastungsbetrages ein Spielraum mit einer Schwankungsbreite von 15 % zugebilligt werden müsse, läge der Mindestbedarf bei 11.860 DM. Damit unterschreite das in § 32 d EStG mit 11.069 DM festgelegte Existenzminimum den Mindestbedarf um mehr als 15 Prozent. Das von der Klägerin 1994 zu versteuernde Einkommen von 11.344 DM unterschreite diesen Betrag ebenfalls um 516 DM und nach Abzug der Steuer von 275 DM um 791 DM.
Im übrigen würde mit der Anwendung des vom Bundesverfassungsgericht in der Entscheidung vom 14.06.1994 (BStBl II 1994, 909,916) eingeräumten Gestaltungsspielraums in Form der 15 %igen Schwankung ein falscher Maßstab auf einen nicht vergleichbaren Sachverhalt angewandt. Dort ginge es um die Kindergeldkürzung für Besserverdienende. Bei einem am Existenzminimum lebenden Alleinstehenden sehe die Sache jedoch anders aus. Hier würde die Anwendung der 15 %-Regel bedeuten, daß im jeweiligen Einkommen noch eine monatliche Sparrate enthalten sei. Das liege jenseits aller Realität.
Die Klägerin meint auch, daß die in § 32 d, Absatz 1 Satz 2 EStG für Einkommen zwischen 11.070,– DM und 13.607,– DM vorgesehene Progressionsmilderung mit ihren hohen Grenzsteuerbelastungen verfassungsrechtlich bedenklich sei. Die Ansicht, die gesetzliche Regelung sei nicht zu beanstanden, da sie im Vergleich zu einer überhaupt fehlenden Übergangszone milder sei, finde in dem Verfassungsgerichtsurteil vom 25.09.1992 keine Stütze. Das Gericht habe vielmehr (a.a.O., Seite 418)festgestellt, daß von den das Existenzminimum übersteigenden Einkommensteilen nach Steuer angemessene Beträge verbleiben müssen, also kein Progressionssprung stattfinde, der die vertikale Gleichheit im Verhältnis geringer zu höheren Einkommen außer acht lasse. Diesen Grundsatz habe das Gericht in seiner Entscheidung vom 14.06.1994 (a.a.O., Seite 914) noch einmal ausdrücklich bestätigt. Dem Gesetzgeber sei danach aus Gleichbehandlungsgrundsätzen verwehrt, steuerlich weniger leistungsfähige Bürger stärker als mehr leistungsfähige zu belasten mit dem Ergebnis, daß ihnen von den das Existenzminimum übersteigenden Einkommensteilen praktisch nur, wie im vorliegenden Fall, 22,7 Prozent verbleiben.
Die Klägerin beantragt,
den Einkommensteuerbescheid 1994 vom 16.04.1996 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 11.11.1996 aufzuheben.
Der Beklagten beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er ist der Ansicht, daß die Verfassungsmäßigkeit der Übergangsregelung des § 32 d EStG nicht zu beanstanden sei. Die Orientierung des einkommensteuerrechtlichen Existenzminimums am sozialhi...