Entscheidungsstichwort (Thema)
Progressionsvorbehalt bei zeitweiser unbeschränkter Steuerpflicht auch nach geänderter BFH-Rechtsprechung zu § 32b Abs 1 Nr 3 EStG verfassungsgemäß
Leitsatz (redaktionell)
1. Einkünfte eines japanischen Staatsangehörigen, die er nach Beendigung seines Aufenthalts im Inland im gleichen Veranlagungszeitraum im Heimatland erzielt, unterliegen auch dann dem Progressionsvorbehalt, wenn nach Wegfall seiner unbeschränkten Steuerpflicht keine im Inland zu besteuernden Einkünfte mehr anfallen.
2. Die innerstaatliche Regelung des Progressionsvorbehalts ist unabhängig davon anzuwenden, ob das DBA-Japan der Bundesrepublik Deutschland als Ansässigkeitsstaat ein solches Besteuerungsrecht ausdrücklich einräumt.
3. Die Anwendung des Progressionsvorbehalts bei zeitweise unbeschränkter Steuerpflicht unterliegt keinen verfassungs- oder völkerrechtlichen Bedenken und verstößt auch nicht gegen das Diskriminierungsverbot des DBA-Japan.
Normenkette
EStG § 32b Abs. 1 Nrn. 2-3; DBA JPN Art. 15, 23 Abs. 1a S. 2, Art. 24 Abs. 1; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 20 Abs. 3
Streitjahr(e)
1996
Tatbestand
Die Kläger sind japanische Staatsangehörige. Sie lebten im Streitjahr 1997 vom 01. Januar 1997 bis zum 14. Dezember 1997 mit einem Kind in der Bundesrepublik Deutschland. Während seines Aufenthalts im Inland war der Kläger bei einem inländischen Unternehmen nichtselbständig tätig und erhielt für diesen Zeitraum einen Arbeitslohn in Höhe von 385.265 DM.
Danach kehrte die Familie nach Japan zurück. Nach dem Wegzug erzielte der Kläger in Japan Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit, die umgerechnet 5.460 DM betrugen.
Im Einkommensteuerbescheid 1997 vom 26. August 1998 legte der Beklagte als Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit den in Deutschland erzielten Betrag von 385.265,- DM zugrunde; den Steuersatz ermittelte er jedoch unter Einbeziehung der in Japan erzielten Einkünfte nach § 32b Abs. 1 Nr. 2 EStG und setzte die Einkommensteuer auf 151.606 DM fest.
Mit ihrem Einspruch vom 7. September 1998 wandten sich die Kläger u.a. gegen die Anwendung des § 32b Abs. 1 Nr. 2 EStG und machten geltend, nach dem Wortlaut des § 32b Abs. 1 Nr. 2 EStG seien in Fällen der zeitweisen unbeschränkten Steuerpflicht ausländische Einkünfte, die im Veranlagungszeitraum nicht der deutschen Einkommensteuer unterlegen haben, im Wege des Progressionsvorbehaltes bei der Ermittlung des Steuersatzes zu berücksichtigen. Diese Handhabung solle nach der Gesetzesbegründung wegen des Gleichheitssatzes erforderlich sein. Die Anwendung des Progressionsvorbehaltes auf die ausländischen Einkünfte, die während der Ansässigkeit des Klägers in Japan erzielt worden seien und die im betreffenden Veranlagungszeitraum nicht der deutschen Einkommensteuer unterlegen hätten, führe jedoch im Vergleich zu den unter gleichen Umständen ganzjährig unbeschränkt Steuerpflichtigen zu einer nicht gerechtfertigten Schlechterstellung und stelle damit einen Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Grundgesetz - GG - dar.
Außerdem verstoße die Anwendung des Progressionsvorbehaltes im Falle des Klägers gegen das Doppelbesteuerungsabkommen Japan (DBA-Japan). Sowohl nach den OECD-Muster-DBA zum Progressionsvorbehalt (Art. 23 A Abs. 3) als auch nach Art. 23 Abs. 1 Buchst. a DBA Japan sei der Progressionsvorbehalt ausschließlich dem Wohnsitzstaat im Sinne des Abkommens zugewiesen. Nur für eine Person, die nach dem Abkommen als im Wohnsitzstaat ansässig gelte, dürfe der Progressionsvorbehalt angewendet werden. Dies ergebe sich bereits aus dem Einleitungssatz zu Art. 23 Abs. 1 a) DBA Japan. Erst wenn festgestellt worden sei, dass eine Person nach dem Abkommen als in Deutschland ansässig gelte, könnten die aus dem anderen Vertragsstaat stammenden und in Deutschland freigestellten Einkünfte dem Progressionsvorbehalt unterworfen werden. Nach herrschender Auffassung in Literatur und Rechtsprechung sei der in den Doppelbesteuerungsabkommen vereinbarte Progressionsvorbehalt abschließend so zu verstehen, dass der Quellenstaat, dem der Progressionsvorbehalt abkommensrechtlich nicht zustehen solle, dieses Recht nicht auf Grund eigener Gesetzgebung begründen könne. Die Einbeziehung der Einkünfte verstoße gegen Art. 23 Abs. 1 Buchst. a DBA Japan und sei daher abkommensrechtlich unzulässig.
Darüber hinaus verlange der auch im Steuerrecht zu beachtende Gleichheitssatz, dass die Steuerpflichtigen durch ein Steuergesetz rechtlich und tatsächlich gleichmäßig belastet würden. Unterschiedliche Belastungsfolge und damit eine Schlechterstellung einzelner Steuerpflichtiger bedürften somit zur Vermeidung der Verfassungswidrigkeit einer an Art. 3 GG zu messenden sachlichen Begründung. Diese sachliche Begründung sei im vorliegenden Fall nicht zu erkennen. Durch die Vorschrift des § 32b Abs. 1 Nr. 2 EStG sollten seit dem Veranlagungszeitraum 1996 nunmehr auch solche ausländischen Einkünfte in den Progressionsvorbehalt einbezogen werden, für die in einem DBA gerade kein Progressionsvorbehalt vorgesehen sei. Diese ...