Entscheidungsstichwort (Thema)
Entstehen eines Vergütungsanspruchs nach § 25a Abs. 1 Mineralölsteuergesetz (MinöStG) mit der Verwendung der dort aufgeführten Mineralöle durch ein Unternehmen des produzierenden Gewerbes zu begünstigten Zwecken
Leitsatz (redaktionell)
- Hat die Finanzbehörde durch einen selbständigen Verwaltungsakt isoliert über eine Wiedereinsetzung entschieden, ist diese Entscheidung selbständig anfechtbar und einer sachlichen Überprüfung zugänglich.
- Für das Entstehen eines Anspruchs auf Vergütung von Mineralölsteuer und Stromsteuer und damit für den Beginn der Festsetzungsfrist ist allein das Vorliegen der materiellen Vergütungsvoraussetzungen erforderlich, ohne dass es der Durchführung eines Festsetzungsverfahrens bedarf.
- Die Festsetzungsfristen des § 169 Abs. 2 AO sind keine gesetzlichen Fristen im Sinne des § 110 Abs. 1 Satz 1 AO und daher nicht wiedereinsetzungsfähig.
- § 227 AO ist – anders als § 163 AO – auf Steuervergütungsansprüche nicht anwendbar.
- Bei einem eindeutigen Verstoß der Finanzbehörde gegen ihre Fürsorgepflicht nach § 89 Satz 1 AO kann es nach Treu und Glauben geboten sein, eine Billigkeitsmaßnahme zu erlassen.
- Das Hauptzollamt verstößt nicht gegen seine Fürsorgepflicht, wenn es einen Steuerpflichtigen, der Vergütungsanträge nach § 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 MinöStG stellt, nicht auf die Möglichkeit der Antragstellung nach § 25a MinöStG und nach § 10 StromStG hinweist.
- Eine Billigkeitsmaßnahme ist nicht allein deshalb gerechtfertigt, weil ein Steuerpflichtiger geltend macht, auf eine Steuervergütung wirtschaftlich angewiesen zu sein.
Normenkette
MinöStG § 1 Abs. 1 S. 3, § 25 Abs. 1 S. 1 Nr. 5, § 25a Abs. 1; StromStG § 10 Abs. 1-2; AO §§ 110, 155 Abs. 4, § 163 S. 1, § 169 Abs. 2 S. 1 Nr. 1, § 170 Abs. 1, 2 S. 1 Nr. 1, S. 2, § 171 Abs. 3, § 227
Streitjahr(e)
2003, 2004
Nachgehend
Tatbestand
Die Klägerin, die sich mit der Textilveredelung befasst, erhielt antragsgemäß für die Kalenderjahre 2003 und 2004 Vergütungen von Mineralölsteuer nach § 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 des Mineralölsteuergesetzes (MinöStG). Am 16. Mai 2006 beantragte sie beim beklagten Hauptzollamt für die Kalenderjahre 2003 und 2004 die Vergütung von Mineralölsteuer nach § 25a MinöStG und die Vergütung von Stromsteuer nach § 10 des Stromsteuergesetzes (StromStG). Das beklagte Hauptzollamt lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 22. Mai 2006 unter Hinweis darauf ab, dass die Festsetzungsfrist abgelaufen sei.
Die Klägerin beantragte alsdann am 24. Mai 2006, ihre Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, hilfsweise die beantragten Steuervergütungen im Wege einer Billigkeitsentscheidung festzusetzen. Sie machte geltend: Sie treffe an der Fristversäumnis kein Verschulden. Sie habe ihren stets zuverlässigen Leiter des Bereichs Controlling mit der Optimierung des Energiesektors beauftragt, dem auch die fristgerechte Beantragung von Steuervergütungen oblegen habe. Obwohl er sorgfältig ausgewählt, eingewiesen und überwacht worden sei, habe sie erst nachträglich erfahren, dass er die Anträge nach § 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 MinöStG und nach § 25a MinöStG verwechselt habe sowie den Unterschied zwischen der Antragsfrist des § 18 der Verordnung zur Durchführung des Stromsteuergesetzes (StromStV) und der Festsetzungsfrist nach § 170 Abs. 2 Satz 2 der Abgabenordnung (AO) nicht berücksichtigt habe. Jedenfalls seien die Vergütungen im Wege einer Billigkeitsmaßnahme zu gewähren. Eine Versagung der Vergütung der Mineralölsteuer und der Stromsteuer führe zu einer existenzgefährdenden wirtschaftlichen Notlage.
Das beklagte Hauptzollamt lehnte mit Bescheid vom 12. Juni 2006 eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und eine Festsetzung der Steuervergütungen im Wege einer Billigkeitsmaßnahme ab. Zur Begründung verwies es darauf, dass Festsetzungsfristen nicht wiedereinsetzungsfähig seien. Billigkeitsmaßnahmen seien abschließend in § 227 AO geregelt. Auf Steuervergütungen sei diese Bestimmung mangels vorliegenden Steuerschuldverhältnisses nicht anwendbar.
Den hiergegen von der Klägerin eingelegten Einspruch wies das beklagte Hauptzollamt mit Entscheidung vom 3. November 2006 zurück, wobei es im Wesentlichen seine bisherigen Ausführungen wiederholte.
Mit ihrer Klage trägt die Klägerin vor: Festsetzungsverjährung sei nicht eingetreten. Da die Steuer nach § 25a MinöStG sowie nach § 10 StromStG nur auf Antrag zu vergüten sei und dieser Antrag deshalb Voraussetzung für das Entstehen der Vergütungsansprüche sei, habe die Festsetzungsfrist nach § 170 Abs. 1 AO erst mit dem Ablauf des Jahres 2006 begonnen. Jedenfalls habe die Festsetzungsfrist für das Kalenderjahr 2004 nicht mit Ablauf des Jahres 2004 beginnen können, weil die Höhe der Steuervergütung nach § 10 Abs. 2 StromStG erst nach Ablauf des Kalenderjahres 2004 habe ermittelt werden können. Ihr sei Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, weil sie bei der Beantragung der Vergütunge...